EhestoRf. Stefan Zimmermannlöst Rolf Wiese Ende Oktober an der Spitze des Freilicht-Museums ab. Der neue Direktor kommt mit internationaler Erfahrung.
Bei strahlendem Sonnenschein hat das Freilichtmuseum am Kiekeberg am Freitag seinen künftigen Chef vorgestellt. Zum 1. November wird Stefan Zimmermann Direktor Rolf Wiese an der Spitze des Museums ablösen. Seit dem 1. Juli arbeitet sich der 37-Jährige ein – an der Seite von Wiese, der Ende Oktober in den Ruhestand geht und der kaufmännischen Geschäftsführerin Carina Meyer.
Die Arbeit des Kiekeberg werde auch in Süddeutschland wahrgenommen, sagte der kommende Direktor. Zunächst habe er die Ausschreibung „respektvoll beiseite gelegt.“ Dann sei ihm klar geworden: „Wenn es die Möglichkeit für mich gibt, dorthin zu gehen, gibt es unter den Freilichtmuseen nicht mehr viel Luft nach oben.“
Zimmermann hat zuvor sieben Jahre lang das kleinere Bauernhaus-Museum in Wolfegg in Oberschwaben geführt. Dort hatte er sich vom Volontär bis zum Museumsleiter hochgearbeitet. Der Historiker, der in Augsburg Neuere und Neueste Geschichte studiert und als Magister abgeschlossen hat, setzte sich im Landkreis gegen 30 Bewerber und zwei Konkurrenten in den Endauswahl durch.
„Als Mensch, als Typ, mit seiner Einstellung und Denkweise passt der neue Chef zum Museum“, sagte Landrat Rainer Rempe, der im Stiftungsrat sitzt. Man habe sich „einhellig, einstimmig und eindeutig“ für Zimmermann ausgesprochen. Die Stiftung ist der Träger des Museums, das der Kreis zunächst bis Ende 2023 mit jährlich 1,9 Millionen Euro bezuschusst.
Den Zuschlag erhielt der gebürtige Ulmer auch wegen seiner internationalen Erfahrungen bei einem Museumsprojekt. So hatte er von Wolfegg aus zuletzt nicht nur mit 30 Museen aus fünf Ländern, sondern auch mit der EU beim Projekt „Schwabenkinder“ zusammengearbeitet.
Diese Kinder im Alter von sechs bis 14 Jahre kamen vom Jahr 1600 an jedes Jahr aus Österreich und der Schweiz über die Alpen nach Schwaben, um sich dort auf den Höfen als Arbeiter zu verdingen. Betroffen davon waren bis zu 8000 Kinder. Die letzten kamen noch nach Kriegsende 1945. Zimmermann hat dazu die „erste flächendeckende Aufarbeitung“ vorgelegt.
Für die nächsten sechs Jahre wird ihn am Kiekeberg vor allem das Projekt „Königsberger Straße“ beschäftigen. Dazu sollen sechs Gebäude aufgebaut werden, die für die Nachkriegszeit typisch sind. Dazu gehören eine Tankstelle, eine Ladenzeile oder ein Siedlungshaus. Der Startschuss des Sechs-Millionen-Euro-Projekts könnte noch in diesem Jahr fallen. Durchfinanziert ist das Projekt, für das der Bund allein 3,84 Millionen Euro bereitstellt. Geschäftsführerin Meyer: „Alle notwendigen Bescheide liegen bei uns vor.“
Zimmermann, der mit seiner Frau Yvonne jetzt in Ashausen wohnt, will während seiner Arbeit in Ehestorf noch promovieren. Einen Doktorvater hat er schon. Es ist der Hamburger Professor Norbert Fischer. Thema der Promotion werden die sogenannten Finnenhäuser sein. Das sind Fertighäuser aus Holz, die die Skandinavier im 2. Weltkrieg für Waffen- und Getreideexporte nach Deutschland lieferten.
So sollte rasch Wohnraum für ausgebombte Menschen geschaffen werden. Die Häusertypen wurden dann in den 50er-und 60er-Jahren populärer. Auch in Ashausen wurden 130 dieser Typen gebaut. „Ein Großteil von ihnen mit weißen Fenstern und dem typische Giebeln steht immer noch im Ort“, weiß Zimmermann.
Für die Zukunft hat der neue Museumschef schon erste Themen „in der Schublade.“ „Wir müssen künftig noch näher an die Zeitgeschichte“, sagt er. Den Häusern der „Königsberger Straße“ sollen weitere aus den 70er- und 80er-Jahren folgen. Auch das Thema Museumspädagogik, mit dem er sich im 700 Kilometer entfernten Wolfegg befasst hat, kommt für Zimmermann als Thema für den Kiekeberg infrage.
Heiner Schönecke, der Vorstands-Vorsitzende des Fördervereins für das Museum, kann sich sogar noch deutlich mehr vorstellen. „Uns fehlt noch eine Kirche, eine klassische Windmühle, ein Empfangsraum für Gäste und nicht zuletzt ein Haus für die derzeit 300 Ehrenamtlichen“, sagte Schönecke. Sie entlasteten die Einrichtung mit ihren Arbeitsstunden jährlich um Kosten von 400.000 Euro. „Ein solches Haus könnte künftig ein Dankeschön an diese Menschen sein“, so der Vereinschef.
Der künftige Museumsdirektor Zimmermann, das wurde bei der Vorstellung sehr deutlich, ist am Kiekeberg ein von allen Seiten akzeptierter Wunschkandidat. Nur eines kann er nicht: plattdeutsch. „Ich sage dann immer, das kann er ja noch lernen“, so der Stiftungsratsvorsitzende Klaus-Wilfried Kienert augenzwinkernd. Auch ein Schwäbeln sei ihm nicht aufgefallen.
Immerhin kann Zimmermann auch bei diesem Thema Punkte sammeln. So stammt seine Frau, eine Augenoptikerin, aus Mecklenburg-Vorpommern. Damit spricht sein Schwiegervater platt. Das war sogar für Schönecke an diesem Freitagmittag eine echte Neuigkeit.
Der Kiekeberg
Das Freilichtmuseum am Kiekeberg hatte 2016 mit 242.000 Besuchern einschließlich der vier Außenstellen einen neuen Besucherrekord erzielt. „Derzeit ist noch offen, ob wir diesen Rekord in diesem Jahr toppen können“, sagte Museumsdirektor Rolf Wiese. Hintergrund: Viele große Veranstaltungen mit hohem Besucherpotenzial folgen noch bis zum Jahresende.
Der Förderverein kommt derzeit auf knapp 13.000 Mitglieder. „Jeder Woche gibt es 20 bis 40 Neueintritte“, sagte der Vorstandsvorsitzende des Vereins, Heiner Schönecke. Neue Mitglieder kommen nicht nur aus der direkten Nachbarschaft, sondern auch aus weiter entfernten Teilen von Schleswig-Holstein sowie aus dem Ausland. Auch der neue Chef Stefan Zimmermann ist längst Vereinsmitglied.
Seit 2003 hat das Museum jedes Jahr ein positives Ergebnis vorgelegt. Nach 14.900 Euro im Jahr 2015 stieg der Überschuss aus dem operativen Geschäft 2016 auf 23.000 Euro.