Winsen.

Das Restaurant Laterna Magica haben sich an diesem Tag zur Mittagszeit zahlreiche Gäste als lauschigen Platz in der Winsener Innenstadt ausgesucht. Sie essen, trinken Kaffee und genießen den Sommer unter den Sonnenschirmen. Zu den Besuchern zählt auch Jens Peter Oertzen, dem das Ende des 19. Jahrhunderts gebaute Haus seit 2002 gehört. Oertzen, Chef einer Projektentwicklungs- und Immobiliengesellschaft, ist auch hungrig. Vor allem aber hat er es eilig.

Denn das Gebäude, das immer eine Gaststätte war, soll saniert werden. Es geht vor allem um die historischen Fenster, die entweder komplett erneuert oder aufgearbeitet werden sollen, um einen Anstrich für die Gesimse und die hölzernen Unterschläge sowie weitere Arbeiten am Dach.

Oertzen rechnet mit Kosten von mehr als 100.000 Euro, um sein denkmalgeschütztes Schmuckstück noch mehr glänzen zu lassen. „Ich kalkuliere jetzt, hole Angebote ein und plane. Am liebsten wäre es mir, wenn die Arbeiten bis Ende September abgeschlossen sind“, sagt der Eigentümer. Noch während des Gesprächs meldet sich der Chef einer Handwerksfirma am Telefon bei ihm. Oertzen macht einen Termin und trägt ihn ein.

Häuser in Winsen, die saniert werden mit ihren Besitzern und der Crew aus dem Rathaus
Häuser in Winsen, die saniert werden mit ihren Besitzern und der Crew aus dem Rathaus © HA | Rolf Zamponi

Der 54-jährige Diplom-Kaufmann weiß, dass sein Projekt in die Zeit passt. Denn die Kreisstadt Winsen will ihrer Innenstadt in den kommenden acht Jahren bis Ende 2023 eine neues, schöneres Gesicht geben. Dafür soll eine Fördersumme von 9,7 Millionen Euro fließen, ein Drittel von der Stadt, der Rest von Bund und Land Niedersachsen.

Der Clou bei der Städtebauförderung ist, dass auch private Investoren davon profitieren können. Bis zu 30 Prozent ihrer Kosten für das äußere Bild ihrer Gebäude können sie erhalten. Kein Wunder, dass Oertzen schon mehrfach gefragt hat, wann es endlich losgeht.

Das jedoch hängt davon ab, ob das Amt für Regionale Landesentwicklung in Lüneburg die von der Stadt aufgestellte Liste von förderwürdigen Gebäuden bewilligt. Sie enthält 121 Adressen in drei Kategorien: Baudenkmäler, zum Erhalt festgesetzte Gebäude und historisch-traditionelle Bauformen.

Doch das Amt muss derzeit noch auf grünes Licht vom niedersächsischen Sozialministerium warten. „Das wird in Kürze kommen“, versichert Joachim Roemer, der Presseverantwortliche beim Amt. Wann das genau sein wird, darauf will er sich aber noch nicht festlegen.

Eben weil die Liste noch nicht endgültig abgesichert ist, hat das vierköpfige für das Projekt Städtebauförderung zuständige Team im Winsener Rathaus „noch nicht offensiv um private Investoren geworben“, wie Stadtplaner David Forster sagt. Der Projektleiter will schließlich niemanden enttäuschen.

Das Haus Marktstraße 1...
Das Haus Marktstraße 1... © HA | Rolf Zamponi

... gehört Daniel Lippold, 34 Jahre alter Finanzmakler
... gehört Daniel Lippold, 34 Jahre alter Finanzmakler © HA | Rolf Zamponi

Klar ist aber: Niemand zweifelt daran, dass das Projekt gelingen wird. Mehrere Infoveranstaltungen gab es bislang, ein Sanierungsbeirat mit Bürgermeister André Wiese an der Spitze ist gegründet und acht bis zehn private Bürger haben ihr Interesse angemeldet. „Das Projekt läuft gut an“, sagt Forster.

Die Stadt selbst will an der Brauhofstraße eine Uferpromenade errichten und damit für die Bürger eine Fläche von 1000 Quadratmetern zum Sitzen an der Luhe anbieten. Das passt zum Grundsatz der Kreisstadt, ihre Lage am Wasser deutlicher hervor zu heben. Forster und Stadtamtsrat Stephan Niesmann rechnen mit Kosten um die 50.000 Euro. Eine Ausschreibung, an der sich drei Büros von Landschaftsplanern beteiligen, ist auf dem Weg. „Wir wollen möglichst im Frühjahr 2018 mit dem Pflanzen beginnen“, so Niesmann.

Prunkstück im öffentlichen Bereich soll die Neugestaltung der Markt- und Rathausstraße sowie des Kirchplatz werden, die das Zentrum der Stadt mit derzeit rund 36.000 Einwohnern bilden. Dort sollen Stolperfallen am Boden verschwinden, ein neues Pflaster verlegt und alles dennoch so gestaltet werden, dass der Bereich für das Stadtfest und den Faslamsumzug zugänglich bleibt. Möglich wäre im Jahr 2019 mit dem Bauen in Abschnitten zu beginnen.

Das Restaurant in der Rathausstraße 56...
Das Restaurant in der Rathausstraße 56... © HA | Rolf Zamponi

Häuser in Winsen, die saniert werden mit ihren Besitzern und der Crew aus dem Rathaus
Häuser in Winsen, die saniert werden mit ihren Besitzern und der Crew aus dem Rathaus © HA | Rolf Zamponi

Nicht viel mehr als einen Steinwurf vom Rathaus entfernt, am anderen Ende der Fußgängerzone, wartet schon der nächste Investor. Daniel Lippold, ein ehemaliger A-Jugend-Bundesliga-Spieler vom FC St. Pauli, hat sich über Jahre hinweg nicht nur als Finanz- und Versicehrungsmakler selbstständig gemacht, sondern auch ein Immobilienportfolio zusammengekauft, zu dem inzwischen 40 Gebäude gehören. Eines davon steht in der Marktstraße 1 mit einer Filiale der Modekette Ernsting’s family sowie Besprechungs-und Büroräumen des Kirchenkreisamtes Winsen von nebenan und einer weiteren Mietwohnung.

Der baumlange ehemalige Innenverteidiger will nun die Förderung nutzen, um das von ihm 2010 gekaufte Haus von 1853 komplett fertig zu sanieren. Geplant sind Dacharbeiten mit neuen roten Ton-Ziegeln, neue Lichtkuppeln zum Öffenen über dem Besprechungsraum des Kirchenkreisamtes und einige neue Fenster in ihrer alten Form. Schließlich ist auch dieses Haus denkmalgeschützt. Damit können die Kosten für den Innenausbau steuermindernd abgeschrieben werden. Im Dachgeschoss wird so eine 150 Quadratmeter große Loftwohung entstehen – unabhängig von der Städtbauförderung.

Lippold hat ein hohes Interesse an dem Fördergeldern, rechnet er doch mit Investitionen innerhalb der Programms von 150.000 bis 200.000 Euro. Auch erdrückt aufs Tempo. „Ich habe eine eigene Baufirma. Meine Leute stehen Gewehr bei Fuß. Wir könnten sofort anfangen,“ sagt der 34-Jährige.

So wartet an der Luhe alles auf die entscheidende Worte aus Hannover. Das Sozialministerium ist nun am Zug.

Die Förderung

Winsen hat sich seit 2015 für das Programm Aktive Stadt- und Ortsteilzentren beworben, das zur Städtebauförderung gehört. Den Zuschlag erhielt die Kreisstadt im September 2016. Insgesamt sind 9,7 Millionen Euro an Fördergeldern beantragt. Die Summe teilen sich Bund , Land und Stadt zu gleichen Teilen. Private Investoren können bis zu 30 Prozent ihrer Kosten als Zuschuss erhalten.

Sie steuern das Projekt im Rathaus: (v. l.) Annika Vetter, Lena Carius, Stephan Niesmann und David Forster
Sie steuern das Projekt im Rathaus: (v. l.) Annika Vetter, Lena Carius, Stephan Niesmann und David Forster © HA | Rolf Zamponi

Ansprechpartner für Interessenten am Programm ist die Gesellschaft für Ortsentwicklung und Stadterneuerung (GOS) in Kiel. Adresse.: Lange Reihe 22 bis 24, 24103 Kiel, Telefon: 0431/8 50 35. Vom Projektteam Winsen sind Leiter Peter Kahl unter 038203/733 015 sowie unter kahl@gos-gsom.de und Vanessa Breitfeld unter 0531/
34 99 445 sowie unter breitfeld@gos-gsom.de zu erreichen.

Eine öffentliche Eigentümer-Versammlung ist in Winsen für den 23. August ab 18 Uhr in der Stadthalle geplant.