Harburg. Die Gefangensammelstelle ist „kein x-beliebiger Ort“, argumentiert die Polizei und interveniert bei Linken-Veranstaltung.

Die Gefangenssammelstelle (GeSa) der Polizei für festgenommene G20-Gipfelgegner in Harburg ist ein „Reizobjekt“. Was das ist, kann niemand definieren, aber offenbar reicht es, um Anzeige gegen solche Bürger zu stellen, die in größerer Zahl davor stehen.

So geschah es den Bürgerschaftsabgeordneten Christiane Schneider und Sabine Boeddinghaus, dem Bundestagsabgeordneten Jan van Aken (alle Linkspartei) sowie etwa zwei Dutzend weiteren Teilnehmern eines Info-Rundgangs der Linken unter dem Motto „Harburg, G20 und Rüstungsexporte“. Sabine Boeddinghaus ist die örtliche Bürgerschaftsabgeordnete der Linken, Jan van Aken auch über die Grenzen seiner Partei hinaus als Rüstungsexperte bekannt und gefragt und die ehemalige K-Gruppen-Aktivistin Christiane Schneider Expertin für Haftbedingungen politisch motivierter Straftäter.

„Die Sammelstelle war die erste Station des Rundgangs“, sagt Sabine Boeddinghaus, „als Christiane referierte, wurde es in der Gesa hektisch. Der Wachdienst sprach ein Fotoverbot aus. Kurz darauf kamen mehrere Streifenwagen und Christiane Schneider und ich mussten uns ausweisen.“

Die Polizei nahm die Personalien der beiden Abgeordneten auf und erklärte den Rundgang zu einer unangemeldeten Versammlung. „Das sahen wir natürlich anders. Dann müssten ja auch alle Gästeführer, die in Hamburg unterwegs sind, ihre Gruppen als Versammlung anmelden“, sagt Sabine Boeddinghaus.

Der Unterschied zwischen einer Stadtführung und dem Rundgang der Linken sei, dass es sich bei der Gefangenensammelstelle um ein „Reizobjekt“ handele, wurde den Politikerinnen bedeutet.

„Der Begriff Reizobjekt ist natürlich keine juristische Definition“, räumt Polizei-Pressesprecher Ulf Wundrack ein, „aber die Gefangenesammelstelle ist schon ein Ort, an dem sich Meinungsverschiedenheiten entzünden. Uns wurde eine Menschenansammlung vor der GeSa gemeldet. Der Lagedienst entschied, Streifenwagen zu schicken. Wir haben Personalien festgestellt und uns dann entschlossen in Kooperation zu gehen.“

Die Kooperation sah so aus, dass der Rundgang weiter ging, begleitet von Polizisten, die eifrig darauf achteten, dass die Rundgangsteilnehmer auf dem Bürgersteig blieben.

„Die Veranstaltung wurde wie von den Organisatoren geplant, durchgeführt und beendet“, sagt Wundrack, „die Sache wurde der Staatsschutzabteilung übergeben, die Kollegen ermitteln noch, ob hier eine Straftat gemäß Paragraf 26 des Versammlungsgesetzes vorliegt.“

Paragraf 26 erklärt das Abhalten einer nicht angemeldeten Versammlung zur Straftat, zu belegen mit Geldstrafe oder bis zu einem Jahr Haft. „Diese ganze Aktion zeigt nur, dass bei der Hamburger Polizei schon jetzt die Nerven blank liegen,“ sagt Boeddinghaus. „Das lässt nichts Gutes erahnen.“