Gerhard Schwetje, Präsident der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, über das Beregnen von Feldern, Fachkräftemangel und das Image der Branche.
Frank Ilse und
Rolf Zamponi
Im Konkurrenzkampf um Wasser für den Süden Hamburgs will die Landwirtschaft nicht hinter dem Bedarf für Trinkwasser zurückstehen. „Wenn wir eine heimische Landwirtschaft haben wollen, mit Betrieben, von denen die Familien leben können, brauchen wir Wasser zum Beregnen der Felder“, sagte Gerhard Schwetje, der Präsident der Landwirtschaftkammer Niedersachsen, bei einem Besuch der Harburger Redaktion des Abendblatts. Für die Flächen im Landkreis Harburg hat die Kammer jetzt einen Bedarf von 13,2 Millionen Kubikmeter angemeldet. Das sind rund zwei Millionen Kubikmeter mehr als zuvor. Die Verhandlungen über neue Verträge zur Verteilung des Heidewassers laufen derzeit bei der Unteren Wasserbehörde beim Landkreis Harburg.
Für die Geestböden im Landkreis sind pro Tag und Quadratmeter vor allem in der Wachstumsphase von Mai bis August vier bis fünf Liter Wasser notwendig. Wenn es nicht ausreichend regnet, müssen einmal pro Woche die Anlagen angestellt werden. „Das kostet jedes Mal allein für das Wasser und die Energie rund 100 Euro. Kein Bauer freut sich, wenn er beregnen muss“, so Schwetje. Doch schon um die geforderte Qualität etwa bei Kartoffeln oder Getreide wie Braugerste zu erreichen, müsse Wasser bereit stehen. „Die Ertragsmargen im Ackerbau sind zudem so knapp, dass sich kein Landwirt bei der internationalen Konkurrenz einen Einbruch bei der Menge und der Qualität seiner Produkte leisten kann.“
Schwetje warnt davor, dass die Interessen der Landbevölkerung gegenüber denen von Stadtbewohnern zurückgestellt werden. „Wir brauchen den Konsens. Selbst wenn eine Großstadt wie Hamburg als Nachbar ihren Bedarf anmeldet und mit Wasser versorgt werden muss.“
Bei ihrem Image müssen die Betriebe in Niedersachsen nachbessern, ist der Kammer-Präsident und Landwirtschaftmeister mit eigenem Hof (siehe Infokasten) überzeugt. Zuletzt habe sich die Branche damit befasst, die Höfe wirtschaftlich zu optimieren. Jetzt gehe es um den Dialog mit dem Kunden. „Zu einem zukunftsfähigen Betrieb gehört es, dass er bei Tagen des Offenen Hofes gezeigt wird. Was wir nicht vorzeigen können, müssen wir ändern.“
Das Interesse an landwirtschaftlichen Berufen sowie an Studien in Osnabrück und Göttingen lässt nicht nach. „In Niedersachsen beginnen jedes Jahr rund 700 Jugendliche eine Lehre in der Branche, die Zahl der Studenten allein an der Universität Göttingen liegt zu Semesterbeginn bei 300 bis 400. Damit hat sich die Zahl innerhalb von zehn Jahren verdoppelt“, sagte der Uelzener Kammer-Bezirksstellenleiter Jürgen Grocholl, der sich mit der Ausbildung der Branche befasst. Derzeit steigt die Zahl der Interessenten, die nicht selbst aus der Landwirtschaft kommen. „Der Anteil bei den Lehrlingen liegt bei einem Drittel, bei den Studenten sogar bei der Hälfte“, schätzt Grocholl, ein promovierter Agrar-Ingenieur.
Die Höfe suchen dabei händeringend nach Fachpersonal. Voraussetzung für eine Ausbildung sei inzwischen fast überall die Mittlere Reife, weil die Ansprüche an die Mitarbeiter steigen. „Die Betriebe zahlen über Tarif und kümmern sich um die Freizeit und freie Wochenenden für die Mitarbeiter“, sagte Präsident Schwetje. Er räumt aber ein, dass mitunter Hofchefs den Umgang mit Mitarbeitern noch verbessern könnten. „Darum kümmert sich die Kammer als Coach der Unternehmer.“
Eingebettet in die Strategie der Höfe sind die eigenen Läden. Sie bringen zwar bislang nur fünf bis sechs Prozent des Umsatzes, zeigen aber, dass der Trend zur Spezialisierung langsam gebrochen wird. „Wir raten derzeit ohnehin dazu, Betriebe auf mehrere Standbeine zu stellen“, sagt Schwetje. Erst die kaum überwundene Krise bei der Milche hat gezeigt, wie ernst die Situation werden kann, sobald der Preis verfällt.
Für das Einrichten von Milchtankstellen, Cafés, Pony-Hotels oder Ferienzimmern auf Bauernhöfen gibt es eigene Berater bei der Landwirtschaftskammer. Mit den Läden kommen die Landwirte zum einen in Kontakt mit Kunden. Das ist gut für ihr Image. Zudem werden sie mit neuen Hofläden nicht zu Konkurrenten von Nachbarn, die ebenfalls auf der Suche nach Flächen sind.
Der Zugriff auf solche Flächen bleibt eines der zentralen Themen für die Landwirte. Vor allem, weil für versiegelte Bereiche mindestens in gleicher Größe Ausgleichflächen ausgewiesen werden müssen. Sie können dann nicht mehr intensiv genutzt werden. „Warum“, fragt Schwetje, „werden nicht brachliegende Industrieflächen, Fahrradwege, die Grundstücke an Windkraftanlagen oder private Gärten so aufgewertet, dass sie als Ausgleichsflächen in Frage kommen?“ „Bislang geht alles immer zulasten der Landwirtschaft.“
Zwei Hintergründe nennt Schwetje für die bisherige Vorgehensweise beim Ausweisen der Flächen. Zum einen sei es für Verwaltungen einfacher und zudem hätten Naturschutzverbände ein Interesse daran, möglichst viele Flächen „aus der intensiven Bewirtschaftung herauszuschneiden.“
Bei den kommunalen Verwaltungen erwartet er, dass man sie künftig noch umstimmen könnte. Bei den Naturschutzverbänden jedoch nicht. „Bei ihnen wird es kaum zu einem Umdenken kommen.“