Umgesiedelte Wassersportvereine verbringen die sechste Saison im Binnenhafen und fühlen sich dort pudelwohl.

Vom abgelegenen Naturhafen zum modernen Yachthafen zwischen Industrie und Wohnungsbau – der Sprung, den die gut 60 Mitglieder der Harburger Wassersportgemeinschaft Süderelbe (HWGS) und des Wilhelmsburger Motorbootvereins (WMBV) im Herbst 2011 machen mussten, war kein leichter.

Damals mussten die Bootsbesitzer ihre Steganlagen an der Süderelbe für den Naturschutz räumen, gegen ihren Willen. Die Stadt schaffte Ersatz, baute ihnen einen Yachthafen mit großzügigem Vereinsheim und Außenanlage am Überwinterungshafen im Harburger Binnenhafen. Jetzt gehen die beiden Traditionsvereine in die sechste Saison am neuen Standort, der sie längst überzeugt hat.

„Niemand möchte zurück an die Süderelbe“, sagt Herbert Manz, Erster Vorsitzender der HWGS. Er ist zugleich Chef des Gesamtvereins, der durch die Zusammenlegung der beiden Vereine entstanden ist, der Wassersportgemeinschaft Harburger Binnenhafen. Der wichtigste Vorteil des neuen Standorts: „Wir fallen nicht mehr trocken“, so Manz.

An den früheren Steganlagen am Neuländer Ufer der Süderelbe westlich und östlich der Autobahn 1 konnten die Bootsbesitzer je nach Tiefgang ein bis zwei Stunden vor und nach Niedrigwasser nicht auslaufen – dagegen ist die Wartezeit an der Harburger Hafenschleuse, die ihnen jetzt den Zugang zur Süderelbe versperrt, mit maximal einer halben Stunde ein Klacks.

Manz läuft über die Steganlage: „Schauen Sie, da schwimmen richtig große Fische. Das Wasser im Binnenhafen ist inzwischen sauber und klar geworden.“ An den alten Standorten hatten die Vereinsmitglieder oft Probleme, wenn sie die Bootsmotoren warmlaufen ließen. Manz: „Wenn sie den Motor bei zu niedrigem Wasser gestartet hatten, setzte der aufgewirbelte Schlick ganz schnell dem Filter zu.“ Die Schlick­probleme hätten sich in den letzten Jahren an der Süderelbe immer mehr verschärft, sagt Manz, der in der Elbvertiefung den Grund dafür sieht.

1,5 Millionen Euro soll die Umsiedlung gekostet haben

Eisvogel und Storch, die sich ab und an im alten Hafen sehen ließen, vermisse er nicht, sagt der 67-Jährige. Statt Natur pur genießen die Bootsfans jetzt die maritime Umgebung und vor allem ihr Vereinsheim mit großem Aufenthaltsraum, moderner Küche, Toiletten und Duschen und dazu Wasser und Strom am Steg – rund 1,5 Millionen Euro soll die Stadt in die Anlage investiert haben.

In der Süderelbe gab es das alles nicht, noch nicht einmal Sanitäranlagen. Dennoch fiel die Beschreibung der neuen Marina als „modernster Sportboothafen Europas“ auf der Website des HWGS etwas zu euphorisch aus. Manz grinst: „Die Formulierung haben wir bei der Einweihung unserer Anlage von einer Mitteilung der Stadt übernommen. Die sollten wir vielleicht mal von der Homepage nehmen. Aber wir sind hier wirklich sehr modern und gut ausgestattet.“

Auch Rita und Hans Pries aus Flee­stedt freuen sich, dass ihr Boot „Capt`n Jack“ nun immer Wasser unter dem Kiel hat. „Wir mögen das Flair hier“, sagt Rita Pries, „und wir sind ganz schnell in Harburg mit seinen Einkaufsmöglichkeiten.“ Gleichzeitig liegen die Boote in einer sehr ruhigen Hafenecke. Von den nahegelegenen Werft- und sonstigen Gewerbebetrieben ist nichts zu hören. Nur die Schreie der Möwen sind an diesem sonnigen Nachmittag lautstark zu vernehmen – ein bisschen Natur gibt es auch am neuen Standort. Und zu viel Grün tut Rita Pries ohnehin nicht gut: „Ich bin Pollenallergikerin.“

„Die ersten ein, zwei Jahre waren ein bisschen doof, aber jetzt finde ich es super hier“, sagt Uschi Meyer. Seit 1983 ist sie im WMBV. Mit ihrem Mann war sie viele Jahre im Motorboot herumgetourt, bis nach Fehmarn und nach Holland. Inzwischen ist ihr Mann gestorben, und sie nutzt das Boot nur noch, um darin zu wohnen – Hans Pries nennt sie „unsere Hafen-Camperin“. „Ich verbringe eigentlich den ganzen Sommer hier“, sagt Meyer. Sie wohnt in Hemmoor und fährt mit Bahn und Bus zu ihrem schwimmenden Sommerdomizil.

Die HWGS hat 21 Liegeplätze, der WMBV 31 Plätze. Zudem gibt es drei Gästeplätze am Steg. „Es hat etwas gedauert, aber inzwischen ist unser Hafen sehr begehrt“, sagt Rita Pries. Herbert Manz und Hafenmeister Ralph Kässens nehmen immer häufiger Anmeldungen entgegen. „Ende Mai hatten wir zwölf Boote aus Artlenburg“, sagt Manz, über Pfingsten kamen Skipper aus Bleckede. „Wir haben gerade eine Grillstation für Gäste gebaut“, erzählt der Vereinschef, der selbst in Rahlstedt wohnt. „Dort können sie eigene Sachen machen, falls sie nicht auf der Sonnenterrasse oder im Aufenthaltsraum sitzen wollen.“

Es gibt eine Warteliste für die relativ günstigen Liegeplätze

Der Vorteil der guten Hafeninfrastruktur helfe auch, neue Mitglieder zu gewinnen, betont Hans Pries: „Anders als andere Vereine haben wir hier einen Zulauf und aufgrund des Standorts und der guten Infrastruktur auch jüngere Neumitglieder.“ Inzwischen gebe es sogar eine Warteliste für vier Plätze, ergänzt Manz.

Das mag auch am relativ günstigen Mitgliedsbeitrag liegen: Die Kosten pro Liegeplatz betragen 320 Euro im Jahr (kleine Boote 290 Euro), inklusive Winterlager auf dem Vereinsgelände. Allerdings müssen sich die Mitglieder handwerklich einbringen, denn im Gesamtverein ist viel Eigenarbeit zu leisten.

Vier Anwärter stehen derzeit in der Warteschlange der HWGS, die am 9. September mit einem Empfang ihr 50-jähriges Bestehen feiert. Nachrücker müssen sich erst einmal zwei Jahre bewähren, bevor sie fest aufgenommen werden – und dabei Hand anlegen. „Man lernt sich besser kennen, wenn man zusammen etwas macht“, sagt Manz. Dazu gehört: Trailer reparieren, Rasen mähen, brüchiges Holz auswechseln und Sonderarbeiten ausführen wie etwa eine Stromleitung zum neuen Tor legen, das jetzt elektrisch bewegt wird. Im Binnenhafen wird halt immer noch gearbeitet. Nicht nur in den Hafenbetrieben.

Strukturwandel

Anfang der 1990er-Jahre begann der strukturelle Wandel im Binnenhafen hin zu einem „Mischgebiet neuen Typus“ mit attraktiven Wohnquartieren und hochwertigem Gewerbe.

Die Bauausstellung IBA half, das stadtgeschichtlich bedeutsame Areal für das Wohnen zu erschließen und dort neue Freizeitangebote zu schaffen. Die Harburger Schlossinsel ist der südlichste Trittstein des Senatskonzepts „Sprung über die Elbe“.