Otto Dörner hat die Ausfuhr von Kies um fast 50 Prozent erhöht. Was passiert mit dem wertvollen Stoff in dem Kieswerk? Ein Ortsbesuch.

Am Kiesabbau hat sich schon so mancher Streit entzündet. Er reißt Wunden in die Landschaft, zieht einen enormen Schwerlastverkehr nach sich, der die Straßen verdreckt und den Anwohnern den Schlaf raubt. Doch ohne das Material aus Hittfeld gäbe es nicht die Europapassage in Hamburg und könnten die Autos nicht auf der A 7 fahren. Kies und Sand werden in der Hamburger Region besonders jetzt dringender gebraucht denn je – für den Autobahndeckel, die Sanierung der Straßen und vor allem für den Wohnungsbau.

Der hat stark zugenommen. Nach Angaben des Verbands der Bau- und Rohstoffindustrie hat der Wohnungsbau in Hamburg im vergangenen Jahr um 51,4 Prozent gegenüber 2015 zugelegt. Im bundesweiten Vergleich ist das ein überdurchschnittlicher Anstieg. In Niedersachsen lag die Steigerungsrate bei 11,6 Prozent, in Schleswig-Holstein bei 23,5 Prozent. Dieser Trend setzt sich in diesem Jahr offenbar weiter fort. Schon jetzt liegt Hamburg bei den Baugenehmigungen weit vor den anderen Bundesländern.

Zu große Steine werden in dem so genannten Brecher zerkleinert. Der andere Stein hat eine natürlich runde Form
Zu große Steine werden in dem so genannten Brecher zerkleinert. Der andere Stein hat eine natürlich runde Form © HA | Bianca Wilkens

Damit floriert auch das Geschäft der Otto Dörner Kies und Deponien GmbH & Co KG. Das Unternehmen hat im ersten Quartal bereits 150.000 Tonnen mehr Kies und Sand ausgeliefert als im gleichen Zeitraum 2016. Das entspricht einem Anstieg von 47 Prozent. Was in dem Kieswerk der Firma Dörner passiert und wie das Material in den Bauwerken landet, weiß jedoch kaum einer. Schließlich liegt ein Kieswerk nicht gerade auf der Shoppingroute. Die wenigsten Menschen kommen mit ihm in Berührung. Ein guter Grund, einmal hinter die Kulissen zu schauen.

Das rund 100 Hektar große Kiesabbaugebiet in Hittfeld gibt ein sonderbares Bild ab. Es sieht aus wie eine Mischung aus Mondlandschaft und Wilder Westen. Ein Sandberg türmt sich neben dem anderen. Dazwischen ragen Förderbänder wie Riesenarme heraus. Die Bagger, die sich in dem Abbaugebiet bewegen, erscheinen daneben fast so klein wie Sandkistenfahrzeuge.

Geschäftsführer Tilman Quensell (l.) und Vertriebsleiter Michael von Malottky vor dem Kieswerk in Hittfeld. Bereits in den 70er-Jahren hatte Otto Dörner die Kiesgrube in Hittfeld gekauft
Geschäftsführer Tilman Quensell (l.) und Vertriebsleiter Michael von Malottky vor dem Kieswerk in Hittfeld. Bereits in den 70er-Jahren hatte Otto Dörner die Kiesgrube in Hittfeld gekauft © HA | Bianca Wilkens

Gerade kratzt ein Bagger die obere Erdschicht in den so genannten Weberkuhlen auf. Erst vor wenigen Wochen hat Dörner die neue 20 Hektar große Kiesgrube zwischen Eddelsen und Klecken eröffnet. Geschäftsführer Dr. Tilmann Quensell und Vertriebsleiter Michael von Malottky, die durch das Gelände führen, zeigen am Rand des bereits abgetragenen Bodens den Aufbau der Erdschicht.

Ganz oben befindet sich die Mutterkruste, die zunächst abgetragen und dann gelagert wird. „Bei der Mutterkruste handelt es sich um ein schützenswertes Gut. Sie wird am Ende wieder aufgebracht und so der Natur zurückgegeben“, sagt von Malottky. Unter der Mutterkruste befindet sich die Lehmschicht, die in die so genannte Verfüllung geht. Das heißt: Damit werden die Löcher, die die Bagger reißen, wieder gestopft.

Jeden Tag werden 3500 Tonnen Material im Kieswerk abgebaut. Hier kommt der Boden auf das Förderband
Jeden Tag werden 3500 Tonnen Material im Kieswerk abgebaut. Hier kommt der Boden auf das Förderband © HA | Bianca Wilkens

In der Schicht darunter wird es interessant. Dort liegt die Steinader – das Material, auf das es bei den Baumaßnahmen ankommt. Eine Stufe tiefer liegt der so genannte Karnickelsand mit einem ganz geringen Steinanteil. Dieser Teil des Bodens wandert ausschließlich in den Straßenbau. „Da der Steinanteil zu niedrig ist, lohnt es sich nicht, das Material aufzubereiten“, sagt von Malottky.

Von der Größe des Kieselsteins hängt die Verwendung ab

Welchen Weg ein Kieselstein in dem Kieswerk zurücklegt, welche Stationen er durchläuft und wo er letztlich landet, hängt ganz von seiner Größe ab. Nur ein paar Millimeter können entscheidend sein. 3500 Tonnen Material graben die Bagger in dem Hittfelder Kieswerk jeden Tag aus der Erde. Das meiste davon ist Sand und kleiner als ein Millimeter – der landet im Straßenbau.

Nach der Wäsche werden die Kieselsteine je nach Größe auf die hinteren Förderbänder sortiert
Nach der Wäsche werden die Kieselsteine je nach Größe auf die hinteren Förderbänder sortiert © HA | Bianca Wilkens

Steine, die größer als zwei Millimeter sind, machen den geringsten Anteil aus, etwa acht bis zehn Prozent. Diese braucht Dörner vor allem für den Beton. Weil sie so rar sind, sind sie auch mehr Wert. Am Beispiel eines solchen drei Millimeter großen wertvollen Exemplars zeichnen wir den Weg durch das Kieswerk nach.

Jahrelang steckt der drei Millimeter große Kieselstein – nennen wir ihn Kai, den Kiesel – also in der Erde fest, ohne dass sonderlich viel passiert. Kai ist umringt von zahlreichen anderen Steinen – großen, kleinen, klitzekleinen und viel Sand. Plötzlich kommt Bewegung in den Boden. Das ist der Moment des Abbaus.

Der Bagger pult Kai aus der Erdschicht und wirft ihn auf das Förderband. Das Band transportiert ihn dann über die Bahnschienen („Für die Brücke über die Bahnstrecke Hamburg-Bremen haben wir zehn Jahre auf die Genehmigung warten müssen“, sagt Quensell) hoch und immer höher zur Waschanlage.

Von besonders schweren Brocken, die größer als 80 Millimeter sind, muss sich Kai auf dem Weg dorthin verabschieden. Die großen Steine landen in einem Brecher, kommen in viele Teile zerstückelt wieder heraus und gelangen am Ende wie Kai in die Waschanlage. „Dadurch machen wir auch die großen Steine nutzbar“, sagt von Malottky. Die Sandkörner, die kleiner als ein Millimeter sind, sieht Kai nie wieder. Sie sind für die Straße bestimmt und gelangen auf ein anderes Band.

Von dort fallen sie am Ende von ganz oben 20 Meter in die Tiefe und formen am Boden einen hübschen spitzen Turm. Vorher werden sie allerdings noch ordentlich gewaschen, um sie von organischen Anhaftungen, Leichtgesteinen und Kohle zu befreien. „Der Sand muss besonders gut behandelt werden“, erklärt Quensell. „Die Körner müssen ganz sauber sein, bleibt zum Beispiel Lehm an ihnen kleben, könnte dieser Wasser binden, was am Ende zu Frostschäden in den Straßen führt.“

Wer im Hamburger Raum mit dem Auto unterwegs ist, hat mit größter Wahrscheinlichkeit schon mehrfach Hittfelder Sand unter den Rädern gehabt. Unter anderem bildet er die Fahrbahn der A 7 von Hamburg-Nordwest bis Bordesholm. Für die ganz feinen Sandanteile, die sich während der Wäsche absetzen, findet Dörner teilweise auch Verwendung. Sie landen beispielsweise auf Beachvolleyballfeldern oder auf der Windhunderennbahn in Hamburg-Rahlstedt.

Zu große Steine werden zunächst aussortiert und dann im Brecher zerkleinert
Zu große Steine werden zunächst aussortiert und dann im Brecher zerkleinert © HA | Bianca Wilkens

Kiesel Kai hingegen blüht ein anderes Schicksal. In der Wasch- und Siebanlage muss der Kiesel zunächst zusammen mit vielen anderen Steinen, die allesamt größer als zwei und kleiner als 80 Millimeter sind, mehrere Reihen an Wasserdüsen passieren und gelangt dann in die Schwertwäsche. Kai wird ordentlich durchgerüttelt und hin- und hergeschleudert.

Die Anlage klötert, das Wasser spritzt. Daraufhin folgt ein weiterer Trennungsprozess im Dunkeln unter der Erde. Dort sortiert die Anlage nach Größen. Acht bis 16 Millimeter große Kiesel kommen nach links, 17 bis 32 Millimeter, nach rechts und zwei bis sieben Millimeter auf das mittlere Förderband.

Nach dem Sortieren wird das Material wieder gemischt

Könnte sein, dass Kai dem einen oder anderen Stein wieder begegnet, auch wenn dieser einer anderen Gruppe angehört. Nach der Sortierung werden die Stoffe teilweise wieder zusammengemischt. Denn damit die Gebäude nicht in sich zusammenfallen, muss das Baumaterial einen bestimmten Anteil von feinem und gröberem Material haben. Wie hoch der Anteil jeweils ist, richtet sich nach dem Produkt – je nachdem, ob Dörner beispielsweise Estrich oder Beton verkauft.

Sicher ist: Ein großer Teil der Hamburger Bauwerke ist mit Hilfe von Dörner-Kieseln entstanden. Auch an den laufenden Großprojekten ist das Unternehmen beteiligt. Beispiel Überseequartier – die Steine aus Hittfeld wandern in die Baugrube, die Tiefgarage, die Zuwegung und in den Hochbau des Überseequartiers. „An allen Stufen des Bauprojekts wirken wir mit“, sagt Quensell.

Es kommt sogar vor, dass die Firma Dörner schon bevor ein Bau in Hamburg startet, involviert ist. Wann immer etwas Neues in der Elbmetropole entsteht, muss meistens vorher etwas weichen, etwa Straßen oder Gebäude. „In Hamburg ist ja kaum ein Quadratmeter Boden ungenutzt“, sagt Quensell. „Deshalb müssen die oberen Schichten eigentlich immer weg.“

Das belastete Material wird auf dem Dörner-Gelände deponiert. Und so sind überall auf dem Gelände in Hittfeld riesige Haufen an Erde, Straßen- und Betonresten zu sehen. Die Abfälle werden auf einer wasserundurchlässigen Dichtung eingelagert, irgendwann mit einem wasserdichten Deckel versiegelt, begrünt und der Natur zurückgegeben. Die Laufzeit der Deponie ist begrenzt und geht schätzungsweise noch bis 2040. Bis dahin findet zwischen Hamburg und Hittfeld ein permanenter Bodenaustausch statt.

Das hat auch seine Kehrseite. Bei 300 Fahrten pro Tag leiden die Anwohner unter dem massiven Verkehrslärm. Um die Belastung für die Anwohner so gering wie möglich zu halten, hat die Firma Dörner in eine Kiestrasse investiert, die den Verkehrslärm weitestgehend aus den Ortschaften heraushalten soll. Zudem schickt Dörner nur voll beladene Lastwagen auf die Straßen.

Der Kiesel Kai wird bei all den zahlreichen laufenden Baumaßnahmen in Hamburg sicherlich auch irgendwann auf einem der Dörner-Lkw in die Elbmetropole gekarrt. Vielleicht steckt er am Ende im Beton des Überseequartiers – bei seiner Größe jedenfalls nicht unwahrscheinlich.

Dörner-Gruppe

Die Otto Dörner GmbH & Co KG ist die Muttergesellschaft der Unternehmensgruppe Otto Dörner und beschäftigt zurzeit rund 1000 Mitarbeiter. Der Umsatz liegt bei knapp 200 Millionen Euro. Die Gruppe ist in zwei Geschäftsbereichen organisiert. Der eine Bereich umfasst die Abfallentsorgung, der andere die Produktion von Schüttgütern.

Die Otto Dörner Kies und Deponien GmbH & Co KG (ODKD) gehört zur Holding und hat ihre Standorte in Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Sand und Kieselsteine werden im Landkreis Harburg in den Werken Hittfeld, Ohlendorf und Eckel produziert.

Dörner kauft allerdings auch Material von Fremdwerken. Bei speziellen Baustoffen kommen zum Beispiel Steine und Splitte aus dem Harz. Zudem importiert das Unternehmen Material aus Werken in Schottland und Norwegen.

Die Verwendung der Kieselsteine ist unterschiedlich. Sie wandern in den Tiefbau, in den Straßenunterbau sowie in die Herstellung von Estrich, und sie füllen Baugruben für Hochbauten und Infrastruktur an. Ebenso brauchen Garten- und Landschaftsbauer die Kieselsteine für die Herstellung von Substraten.

Historie

1925 gründete Otto Dörner ein Fuhrgeschäft. Horst Dörner trat 1954 nach Abschluss seiner Ausbildung zum Kfz-Schlosser als dritter Mitarbeiter in das Unternehmen seines Vaters ein.

1971 verlegte das Unternehmen Dörner seinen Standort von Wedel nach Hamburg in die Lederstraße. Damals waren bereits 70 Mitarbeiter für die Gesellschaft tätig.

1974 kam der Geschäftsbereich Erdbau und Kieswerke hinzu. Dörner kaufte die Kiesgrube in Hittfeld. Eine weitsichtige Entscheidung zum richtigen Zeitpunkt. Denn der Elbtunnel war da noch nicht fertiggestellt. Dörner konnte so das Baumaterial dafür liefern.

1983 erteilte die Stadt Hamburg die Genehmigung für die Sortierung von Bauschutt.

1990 kaufte Dörner mehr als 1000 Hektar Kiesgelände in Mecklenburg-Vorpommern.

1995 stieg das Unternehmen in den Handel mit Altpapier und Altkunststoff ein. Heute ist Otto Dörner ein Familienbetrieb in dritter Generation.

Täglich sind 260 Lastwagen an 30 Standorten in Norddeutschland im Einsatz.