Harburg/Landkreis . Substanzen sind geschmacks- und geruchsneutral. Polizei befürchtet hohe Dunkelziffer bei Sexualdelikten

Es sind immer wieder die gleichen, typischen Situationen: Menschen feiern gemeinsam, lernen sich kennen, finden sich sympathisch. Es fließt Alkohol. Man vertraut sich, lässt schnell Bedenken fallen. Doch wenn Andere ein falsches Spiel spielen, Vertrauen missbrauchen, besteht die Gefahr, dass der fröhliche Abend schlimm endet: Mit einem Filmriss, mit Gedächtnisverlust und – vor allem bei Frauen – damit, dass sie bestohlen oder gar sexuell belästigt, in den schlimmsten Fällen sogar vergewaltigt werden, ohne sich wehren zu können.

In vielen dieser Fälle sind K.O-Tropfen im Spiel, die von dem „netten neuen Bekannten“ in einem unbeobachteten Moment in das Glas seines Gegenübers gekippt werden. Sie sind geschmack- und geruchslos und wirken wie ein Narkosemittel. „Wie oft dies geschieht, wissen wir nicht. Das Dunkelfeld ist groß“, sagt Kriminalhauptkommissar Carsten Bünger, der Jugendbeauftragte bei der Polizeiinspektion Harburg (PI), die für den Landkreis Harburg zuständig ist.

Deshalb haben sich die Beamten jetzt zu einer Aktion auf dem am Mittwoch beginnenden Stadtfest im Winsen entschlossen. Sie steht unter dem Motto: „Ich lasse mich nicht K.O. tropfen“. Die Beamten werden mit Vertretern des Weißen Rings Bierdeckel auf Gläser und Tische legen und versuchen, mit den Bürgern ins Gespräch zu kommen. „Es geht uns um Prävention. Die Leute sollen besser auf sich aufpassen“, sagt Kriminalhauptkommissar Bünger.

Gerade bei Sexualdelikten ist die Dunkelziffer hoch

Gerade bei Sexualdelikten schämen sich nach den Erfahrungen der Buchholzer Polizei viele Frauen zu sehr, um Anzeige zu erstatten. So verzeichnet die PI Harburg für 2016 vier Anzeigen aus dem Kreis. Die Täter agierten in Bars oder Gaststätten, beispielsweise in Seevetal.

Um Täter aber überführen zu können, ist es wichtig, dass sich die Betroffenen in den ersten zwölf Stunden nach dem Geschehen untersuchen lassen. Nur dann können die Substanzen noch festgestellt werden, ehe sie der Körper unwiederbringlich abbaut.

Für Frauen, die den Weg zur Polizei zunächst scheuen, gibt es jetzt die Möglichkeit, sich untersuchen zu lassen und später über das weiteren Vorgehen zu entscheiden. Dazu haben sich die beiden Kreis-Krankenhäuser in Buchholz und Winsen dem Netzwerk „Pro Beweis“ angeschlossen. Durch die Untersuchung werden Beweise gesichert. Die Frauen können überlegen, wie sie damit umgehen wollen.

Zu den Sicherheitstipps der Polizei zählt, Getränke nur von der Bedienung selbst anzunehmen, sie nie unbeaufsichtigt zu lassen, bei plötzlich auftretender Übelkeit oder Unwohlsein Freunde oder die Bedienung anzusprechen und nicht mit Fremden oder flüchtigen Bekannten mitzugehen. Bei einem Verdacht auf K.O.-Tropfen sollten sich Betroffene eben schnellstmöglich ärztlich untersuchen lassen und Anzeige erstatten. Gefahr drohe nicht nur bei öffentliche Veranstaltungen, sondern auch in Diskotheken oder Lokalen sowie bei privaten Feiern.

Die Aktion mit den Bierdeckeln in Winsen wird nicht die einzige bleiben. Die Polizei will sie beim Hittfelder Dorffest und beim Stadtfest in Buchholz im September wiederholen.

Hilfe gibt es beim Opfer-Telefon des Weißen Rings unter 116 006 (7 bis 22 Uhr) oder 0151/55164733 (Weißer Ring - Außenstelle Landkreis Harburg ). Informationen im Internet unter: www.violetta-hannover.de/junge-frauen/ko-tropfen, bei www.ko-tropfen-koeln.de und bei www.ko-tropfen-nein-danke.de