Buchholz. Future-Day in Buchholz bietet am 13. Juni einen Blick auf die Welt von morgen: 3-D-Druck, Bitcoins und Robotik in der Pflege.
Die Industrie 4.0. Mehr als ein Schlagwort. Vielmehr eine digitale Revolution, zu deren Kindern der 3-D-Druck zählt. Angesiedelt in Hamburg im Laser Zentrum Nord mit Claus Emmelmann als Geschäftsführer, der schon vor mehr als zehn Jahren von der Technologie überzeugt war. Damals lachten viele, heute staunen sie.
Es ist Anfang 2012, als Emmelmann, der als Professor an der TU in Harburg lehrt, und sein Team in das Gebäude in Bergedorf einziehen und auf Wachstum schalten. „Heute sind wir das weltweit führende Zentrum für Forschung, Entwicklung und Technologie des 3-D-Drucks“, sagt der promovierte Maschinenbau-Ingenieur. Der Umsatz aus Grundlagenforschung und Aufträgen aus der Industrie ist jedes Jahr um 30 Prozent gestiegen. Kein Wunder, dass das Zentrum auch beim Future-Day in Buchholz dabei ist.
Wer aus dem Chefbüro hinunter in die Produktionshallen steigt, erkennt schnell, dass es hier eigentlich nicht ums Drucken geht. Nein, vielmehr belichten Laserstrahlen Schicht für Schicht das für ein Werkstück ausgesuchte Pulver. Verschweißt wird nur, was nötig ist. Die Partikel verschmelzen ineinander, erkalten und erstarren. Der Beobachter sieht durch ein Fenster von außen nur die punktgenauen Laser-Strahlen blitzen – wie die Funken von einer Wunderkerze.
In den Druckern entstand so ein Titan-Halteteile für Airbus, das allein 15.000 Mal im Airbus A350 verwendet wird. „Es kann genauso belastet werden wie ein Schmiedeteil, spart aber die Hälfte an Gewicht“, sagte Emmelmann. Das ist im Flugzeugbau, wo Gewicht fast alles ist, fast eine Sensation, ein Riesensprung nach vorn allemal. Teile aus dem Sortiment des Zentrums wird Hannes Zapf, ein Doktorand von Emmelmann, beim Future-Day den Besuchern präsentieren. Zudem gibt es zum Abschluss einen Vortrag.
Als erstes hat der 3-D-Druck in der Zahntechnik Fuß gefasst. Wurden zuvor Kronen gefräst oder gegossen, entstehen sie jetzt aus Kobalt-Chrom-Pulver deutlich günstiger. Der Patient sieht jedoch nicht den Metallkern, sondern nur die Keramik, mit der auch Implantate verblendet werden. „Zehn Millionen Zahnkronen entstanden 2014 weltweit im 3-D-Druck“, sagt Emmelmann. „Der Markt wächst zweistellig. “
In der Medizin werden jetzt auch Teile für Hüften mit dem neuen Verfahren angefertigt. Vorteil ist, dass sich auch poröse Strukturen erzeugen lassen, die das Einwachsen im Körper viel leichter machen. Knochen bilden sich nicht zurück. Experten gehen davon aus, dass solche Hüften nicht mehr ausgewechselt werden müssen. Noch werden Standard-Hüftteile gedruckt. Schon bald soll aber jede Hüfte individuell angepasst werden.
Einer der weiteren Vorteile des 3-D-Verfahrens ist die werkzeuglose Fertigung. Gängig ist heute, dass für Ingenieurlösungen im Metallbereich entweder erst geeignete, konventionelle Maschinen und Pressen konstruiert oder vorhandene zumindest umgestellt werden müssen. Das entfällt beim 3-D-Druck. Bei der Produktion entsteht zudem kein Abfall, weil das nicht verschweißte Metallpulver erneut verwendet werden kann. Wer eine Konstruktion digitalisiert hat, kann sie als reales Bauteil drucken lassen.
Noch aber ist das Verfahren für Serienproduktionen zu teuer. „Wir rechnen mit 1000 Euro pro Kilogramm Metall im Vergleich zu einem Euro in der Blechindustrie“, sagt der Laser-Zentrum Chef. Doch die Relation werde sich in fünf bis zehn Jahren verbessern. Bis dahin bleibt Zeit, die Teile für den 3-D-Druck zu verändern. Die Perspektiven scheinen mehr als verlockend.
Emmelmann rechnet vor: „Weltweit wurden im vergangenen Jahr 1000 Drucker verkauft, der gesamte Markt für Metalldruck lag bei einer Milliarde Euro. In zehn Jahren soll der Umsatz auf 100 Milliarden Euro steigen. Doch das entspricht auch nur einem Prozent der weltweiten Wertschöpfung in der Industrie.“ Für den 3-D-Druck bleibt reichlich Luft nach oben.
Der Professor sieht das Verfahren, für das er jetzt in Japan um Aufträge geworben hat, als „Riesenchance für Deutschland. Die Technologie wurde hier entwickelt und viele Experten sitzen in Hamburg und der Metropolregion.“ Mehr als 90 Prozent der Metall-Drucker sind von deutschen Herstellern.
Doch ausländische Konzerne sind längst auf Einkaufstour. So hat General Electric gerade einen deutschen 3-D-Maschinenbauer gekauft. Für den Turbinenbau soll die Technik genutzt, es sollen aber auch Drucker verkauft werden. Der Hamburger Senat wird reagieren: Das Laser Zentrum soll Teil der Fraunhofer-Gesellschaft werden.
Bitcoin: Überweisen ohne Bank und Konto
Es ist ein aufsehenerregender Text, der im Jahr 2008 im weltweiten Netz auftaucht. Der Verfasser ist angeblich Japaner. Er nennt sich Satoshi Nakamoto. Doch bis heute weiß niemand genau, wer er wirklich ist und wo er lebt, nicht einmal, ob er Japaner ist, Mann oder Frau. Klar ist hingegen: Mit den Vorschlägen beginnt der Aufstieg des Bitcoins, einer Krypto-Währung, mit der heute gehandelt wird. Weltweit 330.000 Mal pro Tag zahlen Nutzer damit.
Der Bitcoin, glaubt Antoni Hauptmann, Gründer der digitalen Entwicklungsfirma Cypha in Buchholz, wird die Gesellschaft verändern – nicht nur im Finanzbereich. Besuchern beim Future-Day will er einen ersten Eindruck vermitteln.
Das Bezahlen mit Bitcoins ohne zwischengeschaltetes Finanzinstitut weist dabei den Weg in ein System, das Transaktionen zwischen Menschen neu ordnen soll. Frei zugänglich über das Internet, ohne feste Regeln, zentralen Server oder eine staatliche Instanz. Vielmehr sind Verkäufer und Einkäufer als Gleichgestellte im Netz verbunden. Ihre einzige Regel: die Logik des Programms.
Vereinfacht ausgedrückt wird eine Transaktion zunächst von einer statistisch ausreichend großen Zahl der Mitglieder des Netzwerks bestätigt. Dann folgen weitere nach. So wird die Zahlung valide. Niemand kann sie rückgängig machen oder sich selber bereichern. Denn dazu müsste er das Votum des kompletten Netzwerkes aufheben.
„Im Netzwerk wird nachgewiesen, dass Person A, Person B Geld überwiesen hat, wobei die Adressen und Namen verschlüsselt bleiben“, sagt Hauptmann. Diese Verschlüsselungen gelten als so umfangreich, dass es sich nicht lohnt, sie zu knacken. „Die notwendige Rechnerkapazität wäre zu groß und zu teuer.“
Mit der Abwicklung der Transaktionen entsteht eine Block-Chain. Wie aufeinander gestapelte Pizza-Kartons werden die Transaktionen zu Blocks geordnet und in einer Kette (Chain) aneinander gereiht. Ein Hacker müsste bei einem Eingriff die Kette bis zu der von ihm angepeilten Transaktion umkrempeln. Das gilt als unmöglich. „Daher können die Nutzer der Krypto-Währung vertrauen“, sagt Hauptmann. Das Geld wird auf dem Konto auf dem Smartphone, dem Laptop oder zu Hause auf dem Computer sichtbar.
Es kann nicht verloren werden, weil es nicht irgendwo gespeichert wird, sondern im Netz verfügbar bleibt. Wird ein Handy vermisst, bleibt das Konto unberührt. Der Zugriff ist mit einem anderen Gerät problemlos möglich.
Hauptmanns Firma Cypha nutzt dieses System bereits für eine Weiterentwicklung. Der 36-Jährige, der als SAP-Berater, als Logistik-Experte für Airbus und als Unternehmensberater tätig ist, stellt gerade eine neue Plattform fertig.
Das Ziel: Mit ihr sollen Produkte und ihre Zutaten beschrieben, später ihre Transportwege aufgezeigt und Dokumente bis hin zu Patentrechten zugeordnet und nach dem Prinzip Bitcoin gesichert werden. „Zum Future-Day wird der Prototyp einer App, der Ting Interplanetary Thing Platform, fertig sein“, so der Self-Made-Unternehmer.
Die Besucher können am Messe-Tag ausprobieren, wie sich Lebensmittel verknüpft mit ihren Bestandteilen in die App eingeben und verschicken lassen. Angebote sollen so mit allen Zusatzinformationen abrufbar sein. Der Verbraucher könnte sich schneller, mit mehr Informationen für einen Kauf entscheiden und sich darauf verlassen, dass nichts manipuliert wird. Noch 2017 will Hauptmann ein Pilotprojekt mit Landwirten und der Industrie starten, die ihre Produkte, Standorte, Partner und Zertifikate eingeben sollen. Marktreif soll seine App in drei bis fünf Jahren sein.
Was aber wird aus Währungen, aus Banken und Zentralbanken, die weltweit Geldmengen und Zinsen steuern? Lässt es sich unter Gleichgestellten handeln ohne zwischengeschaltete Experten, gestützt auf ein Netzwerk, das Hacker fernhält? Ungeklärte Fragen. Der Bitcoin jedenfalls ist längst Realität und die digitale Revolution hat eben erst begonnen.
Robotik macht Arbeit in der Pflege leichter
Lucy ist jetzt 18 Monate alt und wiegt 5,2 Kilogramm. Kraft gibt ihr Druckluft und die nutzt sie, um Menschen unter die Arme zu greifen. Wer Lucy wie einen Rucksack auf den Rücken schnallt, kann mit ihr leichter über Kopf arbeiten. Die kurzen Hebeärmchen stützen die menschlichen Arme und lassen sie fast ohne Anstrengung nach oben schwingen. „Lucy“, sagt ihr Konstrukteur Robert Weidner, „soll künftig Handwerkern oder Beschäftigten in der Industrie zur Hand gehen. Aber die Hoheit über ihr Tun wird bei den Menschen bleiben.“
Die Kooperation von Mensch und Roboter gehört zu den Grundsätzen der Arbeitsgruppe smartAssist, die Lucy entwickelt hat. Weidner (30), ein Doktor-Ingenieur, der mit 27 Jahren promoviert hat, ist ihr Leiter. Er arbeitet seit 2010 für das Laboratorium Fertigungstechnik der Fakultät für Maschinenbau an der Helmut-Schmidt-Universität. SmartAssist startete er Ende 2014. Inzwischen gehören knapp 15 Mitarbeiter zum Kernteam. Das das Bundesforschungsministerium fördert das Projekt über fünf Jahre noch bis Ende 2019.
Die Ziele bis dahin sind abgesteckt. So sollen Methoden entwickelt werden, wie sich Robotik an Menschen anpassen lässt und Produkte wie Lucy entstehen, die später möglichst in Serie gefertigt werden können. „Erste Serien unseres Geräts müssten bei 1000 bis 5000 liegen, um die Technologie für kleine Firmen erschwinglich zu machen“, schätzt Weidner. Für das System hat er einen weltweiten Patentschutz beantragt.
„Wir wollen wie bei Lego ein Baukastensystem entwickeln, bei dem die Unterstützungsgeräte an die Größe der Menschen, ihre Aufgaben und die jeweilige Belastung angepasst werden“, sagt der Ingenieur. Angewendet werden soll die Technologie im Auto- und Flugzeugbau, im Baugewerbe und in der Pflege. Dort würden Geräte wie Lucy vor allem für Pflegerinnen Muskelkraft ersetzen. Anders herum könnten ältere Menschen mit Robotik-Hilfe länger mobil bleiben.
Körperliche Entlastung im Beruf tut auch heute noch Not. Denn nach der Statistik der Bundesagentur für Arbeit und dem Fehlzeiten-Report 2015 vom Wissenschaftliche Institut der AOK arbeiten branchenübergreifend knapp 7,5 Millionen Menschen in Berufen, bei denen Muskel- und Skeletterkrankungen häufig vorkommen. 1,14 Millionen waren 2014 tatsächlich betroffen und wurden für mehr als 23 Millionen Tage krankgeschrieben, wie Professor Bernhard Badura, ein Experte für Betriebliche Gesundheitspolitik, und sein Team errechnet haben. Auch bei einem Branchenvergleich stehen Muskel- und Skeletterkrankungen mit Anteilen von jeweils mehr als 20 Prozent an den Fehltagen vorn. Die neue Technologie könnte sich so auch wirtschaftlich auswirken.
„Es geht uns aber nicht darum, längere Tages- oder Lebens-Arbeitszeiten möglich zu machen“, versichert Weidner. Vielmehr stünden Gesundheit, weniger Verschleiß und bessere Arbeitsbedingungen im Vordergrund.
Geforscht wird bei smartAssist interdisziplinär. Das bedeutet, dass zum Team neben Ingenieuren auch Bewegungswissenschaftler, Medizintechniker, Pflegewissenschaftler, Designer, Produktentwickler sowie Technik-Soziologen gehören. Denn es wird beim Zusammenspiel von Mensch und Robotik darauf ankommen, dass die neue Robotik-Welt akzeptiert wird. Dafür arbeiten Weidner und sein Team eng mit Pflegeeinrichtungen und der Industrie, also potenziellen Nutzern, zusammen.
Lucy wird beim Future-Day in Buchholz dabei sein. Am Stand von smartAssist kann jeder Besucher testen, wie leicht sich mit dem Pseudo-Rucksack die Arme heben lassen. Schon bei der Hannover Messe schaute Bundesbildungsministerin Johanna Wanka bei den Forschern vorbei. „Der Strom der Neugierigen, die Lucy schultern wollten“, erinnert sich Weidner, „riss nicht ab.“
Für den Ingenieur ist die Robotik längst mehr als nur Forschung. „Ich schwärme dafür“, sagt er. „Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht.“
Future-Day in Buchholz: das Programm
Erstmals ist am 13. Juni im ISI Zentrum, Bäckerstraße 6 in Buchholz, dem Sitz der Wirtschaftsförderung für den Landkreis Harburg ein Future Day geplant. Von 14 bis 18.30 Uhr gibt es Workshops, Vorträge und Präsentationen, die sich branchenübergreifend mit neuen Technologien und Methoden befassen, um zu kreativen Lösungen zu kommen. Der Eintritt ist kostenlos. Erwartet werden mehrere hundert Besucher.
Während des Future-Day stellen ab 14 Uhr Firmen ihre Produkte, Prototypen und Konzepte für die Zukunft vor. Die Stände sind währenddessen jederzeit zugänglich.
Für die Workshops müssen sich Besucher anmelden. Das ist über www.future-day.info möglich. Dort findet sich das Programm mit weiteren Hinweisen.
Anmeldeformulare sind hinterlegt. Anmeldungen sind auch über die Telefonnummer 04181/9 23 60 möglich.
Anmeldepflichtig sind:
12- 15 Uhr: Design Thinking mit Moritz Avenarius, einem Innovationsberater für Veränderungsprozesse in die digitale Zukunft.
14-15, 15.30-16.30 und 17-18 Uhr: Eine Präsentation zur Digitale Raumerfassung.
15.30-17 Uhr: Der Workshop: Cradle to Cradle – die richtigen Dinge tun. Das Konzept „Von der Wiege zur Wiege“ beschreibt die sichere und unendliche Zirkulation von Materialien in Kreisläufen.
17-17.30: Das Seminar: Mythos Kreativität, der größte Feind der Kreativität ist der innere Kritiker.
Vorträge befassen sich mit Blockchain von 17.15 bis 17.45 Uhr oder mit dem 3-D-Druck von 18.15-18.45 Uhr.