Harburg. Politiker streiten, wie viele Betreuungsplätze im Bezirk nötig sind. Grüne sehen tausende Kinder unterversorgt. SPD warnt vor zu viel Eile.

Kinderbetreuungsplätze im Bezirk Harburg sind knapp – darüber sind sich die Fraktionen der Bezirksversammlung einig. Ob der Mangel jedoch dramatisch ist, und wenn ja, wie dramatisch – das ist zwischen den Parteien höchst strittig. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Britta Hermann zeichnet ein düsteres Bild der Lage: „Wir befinden uns heute in der Situation, dass viele Kinder mit einem Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz, keinen Kitaplatz haben“, sagt sie.

Ihr Dringlichkeitsantrag zu diesem Thema wurde von der SPD-CDU-Mehrheit in der Bezirksversammlung allerdings nicht als dringlich eingestuft und wird deshalb erst bei der nächsten Sitzung behandelt. Dass Britta Hermann einen Mangel von 3000 Plätzen im Bezirk sieht, will vor allem die SPD nicht glauben. Sie wirft den Grünen Übertreibung vor. „Die Situation ist ernst, aber es wird bereits gegengesteuert“, sagt die SPD-Abgeordnete Beate Pohlmann, „Man sollte abwarten, wie die Maßnahmen greifen.“

Ihre Zahlen bezieht Britta Hermann aus drei Quellen: Dem Statistikamt Nord, den Wartelisten und der Schätzung, wie viele Menschen in die Neubaugebiete in Fischbek ziehen werden. Die Statistiken ergeben, dass es im Bezirk 1000 Plätze weniger gibt als Kinder unter sechs Jahren. Kindertagesstätten, gerade in der Region Süderelbe, berichten von langen Wartelisten, die sie führen müssten und tatsächlich werden in den kommenden Jahren einige tausend Familien nach Fischbek ziehen.

Eltern haben in Hamburg einen Rechtsanspruch auf kostenlose Betreuung von Kindern zwischen einem und sechs Jahren für fünf Stunden täglich. Finden sie selbst keinen Platz, muss der Bezirk, in dem sie leben, ihnen einen nachweisen. In den vergangenen drei Jahren hat es kein solches Nachweisverfahren im Bezirk gegeben, und in diesem Jahr endeten zwei mit der Vermittlung eines Platzes, weitere zwei laufen noch ganz frisch. Das sieht die SPD als Indiz dafür, dass der Bezirk den Bedarf abdecken kann.

„Dabei ist allerdings nicht garantiert, dass Eltern einen Platz in ihrer Wunsch-Kita erhalten“, räumt Beate Pohlmann ein, „denn der Nachweis eines Platzes kann irgendwo im Bezirk erfolgen.“

Britta Hermann lässt an dem Nachweisverfahren wenig gute Haare: „Dieses Verfahren führt die freie Kita-Wahl ad absurdum, die den Eltern bei Einführung des Gutscheinsystems suggeriert wurde“, sagt die Grünenpolitikerin. „Außerdem trauen sich viele Eltern nicht, sich auf diesem Weg quasi in einen Kindergarten einzuklagen, der sie eigentlich gar nicht will. Ich bezweifle auch, dass allzu viele Eltern wissen, dass es dieses Verfahren gibt.“

Laut einer Antwort des Bezirksamts auf eine SPD-Anfrage zum Nachweisverfahren informiert das Fachamt Sozialraummanagement Eltern allerdings aktiv über diese Möglichkeit und hat dafür sogar einen Handzettel entwickelt. „Das Nachweisverfahren greift aber auch nur für Fünf-Stunden-Plätze“, sagt Britta Hermann, selbst Kita-Leiterin, „denn nur für diese gibt es einen Rechtsanspruch. Fünf-Stunden-Plätze sind für Kitas aber wirtschaftlich nicht so attraktiv. Hier muss man gegensteuern und die Grundbetreuung für die Einrichtungen attraktiver machen.“

Beate Pohlmann sieht auch in dieser Hinsicht keine allzu große Dringlichkeit: „Das Problem, dass wir im Bereich Süderelbe zu wenig Plätze haben werden, wenn wir keine neuen Kitas bekommen, ist bekannt und wird bearbeitet“, sagt sie. Der Bezirk habe in dieser Region elf Grundstücke identifiziert, auf denen Kitas entstehen könnten. „Wenn wir für alle Standorte Betreiber finden, können so über 860 Plätze geschaffen werden. Und wo Bedarf für einen Kindergarten besteht, findet man auch einen Träger.“

Pohlmann rät, etwas abzuwarten. „Ich halte nichts davon, über künftige Bedarfe zu spekulieren“, sagt sie, „Viele Eltern sind nur vorsorglich auf Wartelisten und viele auf mehreren. Einige wollen auch keine Betreuung. Am Ende schafft man Überkapazitäten und die Träger bleiben auf den Kosten sitzen.“