Landkreis Harburg. Ironman Hamburg und Cyclassics finden an zwei aufeinander folgenden August-Sonntagen statt. Ehrenamtliche Unterstützer sagen ab.
Rainer Grünberg
Noch ein großes Ausdauersport-Event in Hamburg? Nicht mit uns – das ist zumindest der Standpunkt der Freiwilligen Feuerwehren im Landkreis Harburg. „Das brauchen wir nicht“, sagt Kreisbrandmeister Volker Bellmann und meint damit unter anderem die zusätzliche Belastung durch den Triathlon „Ironman Hamburg“, der im Sommer erstmals in der Hansestadt stattfindet. Das Problem: Wie bei den Rennen der Cyclassics führt die Radstrecke des Triathlons quer durch den Landkreis, so dass weitläufig Straßen gesperrt und abgesichert werden müssen. Die Tatsache, dass diese Großveranstaltungen an zwei aufeinander folgenden Wochenenden stattfinden, am 13. und 20. August, brachte das Fass nun zum Überlaufen.
„20 Jahre lang haben wir die Cyclassics mit unseren Einsatzkräften unterstützt – irgendwann ist mal gut“, so Bellmann. Ein Grund für den Rückzug ist der große Personalaufwand. Bei den Cyclassics waren bisher 350 Helfer am Start. Sie mussten zwischen 7 und 14 Uhr den Verkehr absichern – eine große, ganztätige Belastung. Aber auch der zunehmende Unmut der Bevölkerung spielt eine Rolle: „Unsere Leute werden immer häufiger von Anwohnern beschimpft“, sagt der leitende Feuerwehrmann. Er betont: „Die Absicherung ist nicht die Pflicht der Feuerwehr. Wir haben auch keine rechtliche Handhabe dafür.“ Nur die Polizei könne hier wirklich durchgreifen, ziehe sich aber zunehmend zurück.
Die Musik spielt in Hamburg, der Landkreis wird belastet
Die betroffenen Gemeinden und Städte, die als Dienstherren letztlich die Entscheidung treffen, haben ihren Feuerwehren geschlossen den Rücken gestärkt. „Wir haben den Veranstaltern mitgeteilt, dass sich unsere Feuerwehr gegen einen Einsatz ausgesprochen hat“, sagt etwa Seevetals Gemeindesprecher Andreas Schmidt. Er nennt die Durchführung zweier Großveranstaltungen innerhalb von acht Tagen „eine sehr unglückliche Planung“.
Deutlicher wird Dirk Seidler (parteilos), Bürgermeister der Gemeinde Rosengarten: „Die Doppelbelastung dieses Jahr ist zu viel. Die Feuerwehr ist für diese Aufgabe nicht zuständig – und der Brandschutz geht vor. Es ist auch eine Haftungsfrage. Wenn etwas passiert, sind wir verantwortlich und nicht der Veranstalter.“ Außerdem stört ihn die einseitige Rollenverteilung zwischen Stadt und Land: „Wir haben keine nennenswerten Vorteile von den Veranstaltungen. Die Musik spielt in Hamburg – uns bleibt nur die Belastung.“ In Rosengarten spricht man sich nicht prinzipiell gegen solche Radrennen durch das Gebiet der Gemeinde aus, plädiert aber für eine Variation der Routen: Warum nicht abwechselnd im Norden und im Süden Hamburgs die Strecken planen?
„Es gibt private Anbieter für diese Dienstleistung“, sagt Heinrich Helms zum Einsatz der Freiwilligen Feuerwehren. Der Pressesprecher der Stadt Buchholz spricht damit einen weiteren Kritikpunkt an: Warum sollen die kommerziellen Veranstalter auf die ehren-amtlichen Feuerwehrleute zurück-greifen, um letztlich damit Geld zu verdienen? Auch in Buchholz ist man nicht grundsätzlich gegen Radrennen und Großevents: „Gelegentliche Rennen sind willkommen, aber nicht immer mehr davon“, so Helms.
Mutmaßungen, dass die Rennen ohne die Hilfe der Feuerwehr gar nicht ausgetragen werden können, weist Björn Steinmetz zurück: „Beide Veranstaltungen finden auf jeden Fall statt. Notfalls kaufen wir bei Sicherheitsdiensten Unterstützung ein. Das wird dann etwas teurer“, sagte der Ironman-Deutschland-Chef dem Abendblatt. Damit wären die ehrenamtlichen Helfer entlastet. Aber für die Anrainer bliebe die Terminplanung ein großes Ärgernis.
In Seevetal und Rosengarten registrierten die Gemeindeverwaltungen ein zunehmendes Unverständnis der Bürger für ganztägige Straßensperrungen. „Die Menschen fühlen sich in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt“, sagt Seevetals Sprecher Andreas Schmidt. Besonders der Wildpark Schwarze Berge und das Freilichtmuseum Kiekeberg leiden unter den Sport-Events.
„An diesen Tagen erreicht uns keiner. Das ist besonders ärgerlich, wenn wir Veranstaltungen haben – wie dieses Jahr den Tag des Luchses am 20. August“, sagt Kira Ahrens, Pressesprecherin des Wildparks. Die Wochenenden sind für beide Einrichtungen die Haupteinnahmequelle. „Uns entstehen beträchtliche Einnahmeausfälle“, sagt Kiekeberg-Chef Rolf Wiese. Ihn verstimmt auch die Informationspolitik der Veranstalter. „Die Verantwortlichen des Ironman haben die Anlieger überhaupt nicht in die Planung miteinbezogen. Man hätte ja auch mal eine zweite Strecke ausarbeiten können.“ Ähnlich sehen es die Betreiber des Wildparks. Ahrens: „Wir sind nicht gegen die Veranstaltungen, möchten aber, dass unsere Bedürfnisse berücksichtigt werden.“
In den nächsten Jahren sollen die Termine entzerrt werden
Der Hamburger Sportstaatsrat Christoph Holstein und Oliver Schiek, Hamburg-Chef von Ironman, hatten sich im Dezember mit dem Harburger Landrat Rainer Rempe getroffen, allerdings ohne konkretes Ergebnis. „Wir müssen die Gemeinden des Landkreises noch stärker in die Events einbinden, dort nicht nur durchfahren, sondern die Veranstaltung auch hier zu Volksfesten machen. Da können wir besser werden“, sagt Holstein. Auch Ironman-Chef Steinmetz sieht hier noch Potenzial: „Wir müssen die Kommunikation verbessern, den ständigen Austausch mit den Menschen vor Ort pflegen. Freiwillige Feuerwehr, ehrenamtliche Mitarbeiter sind ohnehin schon über Gebühr belastet, wir dürfen den Krug nicht so lange zum Brunnen führen, bis er bricht. Da müssen auch andere Lösungen her.“ Holstein schlägt vor, nicht immer nur nach Niedersachsen zu gehen, sondern auch mal nach Schleswig-Holstein. Und in den nächsten Jahren sollen die Termine entzerrt werden, was in diesem Jahr wegen des G20-Gipfels Anfang Juli nicht möglich war.