Buxtehude. Die Immobilienpreise gehen durch die Decke. Experten sehen eine deutliche Überhitzung des Markts in der Hanstestadt.

Das Ende des Wachstums ist nah. Das letzte große Baugebiet kommt demnächst an der Giselbertstraße auf den Markt. Dann ist Schluss. Der Neukloster Forst und das Alte Land setzen dem baufreudigen Buxtehude natürliche Grenzen. Bis zu 450 Wohnungen sollen in Bahnhofsnähe auf grüner Wiese entstehen. Meist Mehrfamilien-häuser, zum Königsdamm hin auch Einfamilienhäuser. Der Bebauungsplan ist in Arbeit. Nächstes Jahr könnten die ersten Wohnungen entstehen.

Die Hansestadt wächst weiter. Aber bei 42.000 Einwohnern dürfte in den nächsten Jahren Schluss sein. Nach Angaben der Buxtehuder Stadtverwaltung sind es jetzt 40.600 Einwohner einschließlich ein paar hundert ausländischer Seeleute der Niederelbe-Schifffahrtsgesellschaft (NSB). Jahr für Jahr steigen Mieten und Kaufpreise. Dieser Steilflug vergrault auch Buxtehuder. Familien mittleren Einkommens wechseln ins preiswertere Stader Umland.

Auch Leute mit niedrigem Einkommen ziehen auf die Dörfer. Zu diesem Ergebnis kommt Stadtplaner Marc Lucas Schulten aus Dortmund in einem Wohnraumgutachten für die Stadt. Sein Fazit: Für die Besserverdienenden muss eigentlich nichts gemacht werden. Aber für die anderen. Seit Jahren gibt es immer weniger Sozialwohnungen. Das könnte sich schon in der Giselbertstraße ändern.

Die Stadt ist neben der Hausbau-Immobiliengesellschaft (HBI) aus Nottensdorf der größte Grundstückseigner. Hier könnten unter anderem dringend benötigte Sozialwohnungen und andere preiswertere Wohnungen entstehen. Anders Stade: Seit Jahrzehnten sorgt die Wohnstätte für niedrigere Mieten. Die Genossenschaft bietet in verschiedenen Lagen und Größen 2500 Wohnungen und Häuser an. Die Buxtehuder Wohnungsbaugenossenschaft ist im Vergleich zu Stade klein. Die Buxtehuder vermieten lediglich 600 Wohnungen.

Die Stadt hat dem Mangel an preiswerten Wohnungen bisher wenig entgegengesetzt. Der Markt soll es richten. Die Baugenossenschaft könnte schnell 50 bis 60 preiswerte Wohnungen bauen, sagt Manfred Dabelstein vom Vorstand. Voraussetzung: preiswerte Grundstücke, etwa auf den städtischen Flächen in der Giselbertstraße. Die Wohngenossen würden auch in der Innenstadt bauen. Allerdings müssten erst alte Bebauungspläne renoviert werden.

Etwa 1800 Wohnungen sollten bis ins Jahr 2025 gebaut werden, so das ein Jahr alte Wohnungsgutachten der Stadt. Der Takt der Vergangenheit könnte auch der Takt der Zukunft sein. Jahr für Jahr zwischen 150 bis 200 Wohnungen. Allerdings fehlen dazu Grundstücke. Neben der Giselbertstraße setzt das Stadthaus auf Lückenbebauung und Restflächen.

Fürs Zentrum hat Buxtehude ein so genanntes Wohnraumverdichtungskonzept aufgelegt. Wo dann gebaut wird und zu welchen Preisen, das hängt von den zahlreichen privaten Eigentümern ab. In seiner Wohnraumanalyse empfiehlt Stadtplaner Schulten, dass die Stadt auf eigenem Grund und Boden mehr Sozialwohnungen baut. Eine städtische Arbeitsgruppe will sich im Spätsommer zu Wort melden.

 Größer und kompakter bauen: zentrumsnah an der Kottmeierstraße
Größer und kompakter bauen: zentrumsnah an der Kottmeierstraße © HA | Steffen Kappelt

Die angepeilten 42.000 Einwohner könnten für eine „gute Altersstruktur sorgen“, hofft Bürgermeisterin Katja Oldenburg-Schmidt. Wenn gerade Familien wegziehen, ist das für Kindergärten und Schulen nicht gut. Stadtplaner Schulten empfiehlt, Bebauungspläne mit der Auflage zu verabschieden, zumindest auf einem Teil der Flächen preiswerte Wohnungen zu bauen. Ohne Zuzug wird Buxtehude nicht wachsen, die Einwohnerzahlen werden sogar sinken. Unterm Strich sterben mehr Bürger, als Kinder Jahr für Jahr geboren werden.

Die Zahl der Geburten ist zwar stabil, aber gleicht das Einwohnerminus nicht aus. Nach den Untersuchungen verkaufen ältere Leute ihre Häuser auf den Dörfern und ziehen in die Stadt wegen der besseren Versorgung. Die Gruppe der Achtzigjährigen wächst übrigens am stärksten, verdoppelt sich fast bis ins Jahr 2025. Mehr junge Leute verlassen Buxtehude – etwa 14 Prozent weniger 18- bis 24-Jährige leben nach einer Analyse im Jahr 2025 in der Stadt. Vielleicht ziehen die schneller in die attraktiven Großstädte.

Die Pendler bestimmen stark den Lebensrhythmus in Buxtehude. Morgen für Morgen verlassen mehr als 10.000 Menschen Buxtehude und pendeln zu den Jobs Richtung Hamburg oder gen Stade. Im Gegenzug fahren etwa 8500 Berufstätige nach Buxtehude hinein – das Elbeklinikum, Barcadi oder Unilever locken mit ihren Arbeitsplätzen. Wo die Menschen arbeiten, wo sie wohnen – das bestimmt nicht die Stadtgrenze.

Die Leute leben gerne in Buxtehude: Am Samstag über den Wochenmarkt bummeln. Freunde auf einen Kaffee am Fleth treffen oder am Sonntag mit den Kindern ins Citykino gehen. Das Leben lässt sich an der Este genießen. Erst recht, wenn das Geld stimmt.

Die Buxtehuder deklarieren höhere Einkommen beim Finanzamt als mancherorts im Kreis Stade. Die Preisspirale dreht sich bei Neubauten kräftig weiter. Da müssen sich auch Besserverdienende fragen, wo die Schmerzgrenze liegt. Für viele steigen die Tilgungsraten und die Jahre der Immobilienschulden, beobachtet Glen Streckwaldt von der Volksbank Stade-Cuxhaven. Immer mehr Gespräche kreisen am Bankschalter in der Bahnhofstraße um die Frage der Belastungsgrenzen.

Eine S-Bahnstation weiter zu ziehen Richtung Hamburg, das verkürzt zwar den Weg zum Arbeitsplatz nach Hamburg. Aber Neu Wulmstorf ist noch teurer als Buxtehude, beobachtet der Filialleiter. Gute Lagen in Nähe der S-Bahnstation sind überdies vergeben. Billiger wird es nur in die andere Richtung – nach Stade.

Allein übers Grundstück lassen sich auf den Dörfern gegenüber den stadtnahen Lagen rund 42.000 Euro sparen, rechnet der Gutachter für ein kleines Grundstück vor. Der Quadratmeter kostet in Buxtehude mit etwa 240 Euro doppelt so viel wie auf dem Lande. Marktexperten machen für Buxtehude inzwischen eine Überhitzung aus. Das Preisniveau sei „sehr hoch“.

Bei Immo-Scout 24 wurden vor zwei Jahren neue Eigentumswohnungen für 2900 Euro pro Quadratmeter angeboten, auch ältere Wohnungen legen kräftig zu. Doch die Preisspirale hat sich schon weitergedreht. Volksbanker Streckwaldt sieht den Markt als überhitzt an bei knappem Angebot. Eigentumswohnungen würden mittlerweile in Einzelfällen zu Quadratmeterpreisen von 3500 Euro verkauft. Wohl dem, der sich die günstigen Wohnbaudarlehen langfristig, also über zehn Jahre, gesichert hat.

Der Immobilienatlas der Landesbausparkasse (LBS) weist 2015 einen Anstieg von 35 Prozent über fünf Jahre aus. Die Mietpreise lagen vor wenigen Jahren noch im Schnitt bei 7,90 Euro, für Neubauten in guten Lagen werden aktuell zwischen 10,50 und zwölf Euro aufgerufen. Tendenz weiter steigend. Das macht weitere Zuzüge nach Buxtehude fraglich.

Hansestadt mit ausgeprägtem Kulturleben

Buxtehude ist die zweitgrößte Stadt des Landkreises Stade und sieht sich gern in Konkurrenz zur größeren Hanseschwester und Kreisstadt. Zum eigentlichen Stadtgebiet hinzu kommen weitere acht Ortsteile. Als offizielles Stadtgründungsjahr gilt 1285.

Das Märchen vom Wettrennen zwischen Hase und Igel gehört heute zu den zentralen Marketing-Aktivposten der Stadt. Das Rennen soll ja vor den Toren Buxtehudes stattgefunden haben. Auch in der Geschichte vom Räuber Hotzenplotz findet Buxtehude Erwähnung.

Dass die Hunde mit dem Schwanze bellen geht allerdings wohl eher auf den aus dem niederländischen Ausspruch „De Hunten bellen“ zurück, was so viel bedeutet wie „Die Kirchenglocken läuten“.

Kultur spielt bei dieser Märchentradition eine große Rolle in der Stadt. Mit dem „Buxtehuder Bullen“ wird jedes Jahr einer der wichtigsten Jugendbuchpreise Deutschlands vergeben. Und der „Kleinkunst-Igel“ hat sich vor allem Kabarett und Comedy verschrieben.