Harburg. Ihr Anteil liegt landesweit bei 9,6 Prozent. Damit liegt Hamburg bundesweit auf Platz eins. Gute Erfahrungen in der DRK-Kita Vogelhütte.

Am Anfang eine steile These: Wer seine Berufung gefunden hat, braucht nie mehr zu arbeiten. Wenn das stimmt, ist Jannis Windolf ein glücklicher junger Mann, der mit Chance ohne das Gefühl durchs (Berufs-)Leben kommt, in einem Hamsterrad zu stecken. Denn der 23-Jährige liebt nicht nur, was er macht, er ist auch überzeugt, dass er Gutes tut. Jannis Windolf ist Erzieher – und damit zwar immer noch Teil einer Minderheit in einem nach wie vor von Frauen dominierten Berufsfeld. Aber er ist längst kein Exot mehr.

Immerhin 9,6 Prozent des pädagogischen Personals in Hamburger Kindertageseinrichtungen sind inzwischen Männer. Damit nimmt Hamburg nach Auskunft des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes bundesweit den Spitzenplatz ein. Auf den Plätzen zwei und drei folgen Berlin (8,8 Prozent) und Bremen (7,8 Prozent). Auf dem letzten Platz mit 2,2 Prozent: Bayern.

Männer in Kindertageseinrichtungen, das ist zwar immer noch längst nicht überall Alltag, sagt Martin Kleinert, Regionalleiter für Kindertageseinrichtungen beim Kirchenkreis-Ost. Doch es bewegt sich was. Von 1444 pädagogischen Mitarbeitern in den 130 Kitas des Kirchenkreises (zehn davon in Harburg), sind aktuell 89 Männer.

Auch in den 183 Einrichtungen der „Elbkinder – Vereinigung Hamburger Kitas gGmbH“ – vierzehn davon in Harburg – sind die Männer im Kommen: rund 450 kümmern sich dort um die Kinder, das entspricht zehn Prozent des pädagogischen Personals. Die Eltern begrüßten das, sagt Sprecherin Katrin Geyer: „Männer sind für Kinder wichtige Identifikationsfiguren. Deshalb sehen es Eltern positiv, wenn ihre Kinder von Männern betreut werden.“

Mehr Anmeldungen an den Schulen für Sozialpädagogik

Davon ist auch Martin Kleinert vom Kirchenkreis-Ost überzeugt. Zumal der positive Effekt für die Kinder nicht zu unterschätzen sei: „Überspitzt gesagt, lernen sie, dass es nicht nur Männer gibt, die mit dem Motorrad durch die Gegend donnern.“

Dass jetzt mehr Männer Erzieher werden wollen, hängt auch mit der bundesweiten Kampagne „Mehr Männer in Kitas“ zusammen, deren Träger in Hamburg über drei Jahre der Paritätische Wohlfahrtsverband war. Und die offenbar bis heute nachwirkt. Im Schuljahr 2010/11 gab es an den Fachschulen für Sozialpädagogik insgesamt 1907 Anmeldungen, unter ihnen 353 Männer. Für das jetzt laufende Schuljahr meldeten sich 2939 junge Leute an – davon 788 Männer, die einmal als staatlich anerkannte Erzieher arbeiten wollen.

Marco Liebchen (46) ist Sozialpädagoge und leitet die DRK-Kindertagesstätte Vogelhütte an der Hans-Sander-Straße  in Wilhelmsburg seit 15 Jahren. Er stellt fest, dass die Toleranz heute größer ist als noch vor einigen Jahren
Marco Liebchen (46) ist Sozialpädagoge und leitet die DRK-Kindertagesstätte Vogelhütte an der Hans-Sander-Straße in Wilhelmsburg seit 15 Jahren. Er stellt fest, dass die Toleranz heute größer ist als noch vor einigen Jahren © HA | Katharina Geßler

So wie Jannis Windolf. Seit Februar gehört er zum Team der Kita Vogelhütte des DRK-Kreisverbandes Harburg. Der beschäftigt in seinen derzeit fünfzehn Harburger Kindertageseinrichtungen insgesamt 273 Fachkräfte im erzieherischen und pädagogischen Bereich – 27 von ihnen sind Männer. Vier von denen arbeiten in der Kita Vogelhütte.

Marco Liebchen (46) leitet die Einrichtung, in der knapp 70 Kinder von acht Wochen an bis zum Schuleintritt betreut werden (täglich 6.30 bis 18 Uhr). Eine Aufgabe, die hier 14 Frauen und vier Männer übernehmen. Den ersten von ihnen stellte Liebchen schon vor acht Jahren ein.

Viel Überzeugungsarbeit musste Liebchen damals noch leisten, auch intern. Besonders aber bei manchen Eltern. 75 Prozent der Kinder hier haben Migrationshintergrund. „Wir haben es hier mit 29 unterschiedlichen Kulturen zu tun“, sagt Liebchen. Er kann sich noch gut erinnern, dass ein Vater vor Jahren verlangte, seine kleine Tochter müsse ihren Mittagsschlaf getrennt von den Jungs abhalten.

Heute, sagt Liebchen, herrsche mehr Toleranz. Es gebe zwar immer mal wieder Vorbehalte. Aber während die früher gleich mit Forderungen verknüpft waren, seien die Eltern heute offen für Gespräche. Und schnell beruhigt, wenn sie sehen, dass es ihrem Kind gut geht.

Zudem seien bauliche Veränderungen vorgenommen worden. Beispielsweise gehören Glaseinsätze in den Türen von Wickelräumen zum Standard. Standard ist in der DRK-Kita auch das, was Liebchen „Kultur des offenen Ansprechens“ nennt. Wem im Umgang mit den Kindern etwas auffällt, der spricht es an. Das gilt für die Männer im Team genauso wie für die Frauen.

„Kinder bauchen auch männliche Vorbilder“

Dass Männer als Erzieher eine Bereicherung darstellen, davon ist das Harburger DRK jedenfalls überzeugt: „Nicht zuletzt, weil Kinder auch männliche Vorbilder brauchen“, sagt Bereichsleiterin Katja Philipp.

Bei Jannis Windolf ist die Begeisterung für seinen Beruf jedenfalls ungebrochen: „Ich sehe, dass ich hier Biografien positiv beeinflussen kann.“ Früher hat er eine Fußball-Jugendmannschaft trainiert und nach dem Abitur ein Freiwilliges Soziales Jahr geleistet („Ich bin sehr sozial“). Jetzt kümmert er sich mit zwei Kolleginnen um die Krippenkinder der Kita.

Zweijährige wickeln, füttern, trösten, mit ihnen spielen, das bestimmt seinen Alltag. Für Jannis Windolf ist das mehr als ein Beruf: weil er will, dass es jedem einzelnen Kind gut geht – ohne ausgegrenzt oder benachteiligt zu werden. Schon gar nicht wegen des Geschlechts.

Die Ausbildung

Mit Realschulabschlussund einer mindestens zweijährigen abgeschlossenen Berufsausbildung oder drei Jahren in Vollzeit in einer Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe oder vier Jahren in Vollzeit in anderen Bereichen kann die Ausbildung zum Erzieher direkt begonnen werden. Auch mit (Fach-)Abitur und einjährigem Praktikum in der Kinder- und Jugendhilfe kann die Ausbildung an einer Fachschule für Sozialpädagogik gestartet werden. Mehr Infos: www.vielfalt-mann.de.