Hittfeld. Im Landkreis Harburg ist Nachwuchsmangel kein Thema. Zahlreiche Kinderwehren begeistern schon die Sechsjährigen
Die 107 Freiwilligen Feuerwehren im Landkreis Harburg stehen gut da und können sich vor Nachwuchs kaum retten. Allein sieben neue Kinderfeuerwehren (KFW) sind vergangenes Jahr neu gegründet wurden – in Bendestorf, Harmstorf, Helmstorf, Klecken, Luhdorf, Stöckte und Vierhöfen. Damit gibt es mittlerweile 26 KFW im Landkreis Harburg – so viele wie noch nie. Ein Ende des Booms ist nicht abzusehen. Diese Jahr sollen noch einmal mindestens drei weitere Kinderfeuerwehren hinzukommen. 448 Kinder im Alter von 6 bis 10 Jahren mischen aktiv in den Kreiskinderfeuerwehren mit – darunter auch ein paar ältere Kinder. Neben 272 Jungen haben 176 Mädchen ihren Spaß in der Kinderfeuerwehr.
Der Erfolg ist das Ergebnis konsequenter Nachwuchsarbeit, die im Landkreis vor zehn Jahren mit der Gründung der ersten Kinderfeuerwehr in Drage begann. „Vor 2007 gab es keine Kinderfeuerwehr“, sagt Kreiskinderfeuerwehrwartin Melanie Schumann, die seit zehn Jahren die KFW in Hittfeld leitet. Es war die zweite KFW im Landkreis. „Seitdem die ersten Mini-Wehren einige Jahre existierten und die Jugendwehr unterstützen, ist der Nachwuchs in den Freiwilligen Feuerwehren gesichert.“ So wurden allein voriges Jahr 52 Kinder aus den Kinderfeuerwehren in die Jugendfeuerwehren übernommen.
Der Höhepunkt des vorigen Jahres war – neben dem Kreiskinderfeuerwehrtag – ein großes Zeltlager am Feuerwehrhaus von Over-Bullenhausen: 214 Kinder und 41 Erwachsene waren dabei. Für die Zukunft müsse man sich Gedanken darüber machen, ob sich weiterhin ein Aufwand für ein solch großes Zeltlager für eine Nacht lohne, so Schumann. Mittlerweile gebe es im Landkreis keinen Platz mehr, der 26 Kinderfeuerwehren ohne großen logistischen Aufwand wie Dusch- und Toilettenwagen oder Frisch- und Abwasserleitungen beherbergen könne. Wer einen geeigneten Platz kenne, solle sich an die Kreiskinderfeuerwehr wenden, damit 2018 doch noch ein Zeltlager stattfinden könne.
Mit einer Rallye im Wildpark Lüneburger Heide im Frühjahr haben die Feuerwehr-Kids bereits den nächsten Höhepunkt im Blick. Die Neugründung in Elstorf im April steht unmittelbar bevor, Thieshope und Jesteburg sollen folgen.
„Die Feuerwehr hat neben der Polizei im Landkreis einen sehr guten Ruf“, sagt Melanie Schumann. Die Brandretter seien hoch angesehen und nach wie vor im sozialen Dorfleben tief verankert. „Fragen Sie doch einmal. Jedes Kind mit sechs Jahren will Feuerwehrmann werden. Da setzen wir an. Wenn man die Kinder schon mit sechs Jahren abholt, bleiben die allermeisten bei der Feuerwehr.“
Ein geringfügiger Rückgang von zwölf Heranwachsenden bei den Jugendwehren wurde mit 52 Übertritten aus der KFW und 90 Neuzugängen im vorigen Jahr um ein Vielfaches kompensiert. 1424 Mitglieder hat die Jugendwehr heute -- davon 463 Mädchen und 961 Jungen. „145 Nachwuchskräfte sind in die aktive Feuerwehr gewechselt“, sagt Kreisfeuerwehrsprecher Matthias Köhlbrandt. „Die KFW hat sehr gute Arbeit geleistet.“ Die Feuerwehr gehöre zum dörflichen Leben einfach dazu. „Wir haben hier keine Schützenvereine oder Schwimmvereine, die uns Konkurrenz machen“, sagt Köhlbrandt. Viele nutzten die Feuerwehr, um soziale Netzwerke aufzubauen. Andere seien eher von der Technik fasziniert. Und viele Aktive würden Fortbildungsseminare der Feuerwehr besuchen – etwa in Rhetorik, Zeitmanagement oder Mitarbeiterführung.
Dagegen wird bei den Freiwilligen Wehren im Hamburger Süden der Nachwuchs knapp. Problematisch ist die Situation in Wilhelmsburg mit nur 27 Aktiven in der Einsatzabteilung.
Für den Rückgang im Hamburger Süden gibt es verschiedene Gründe. Eine Rolle spiele der hohe Ausländeranteil in Stadtteilen wie Wilhelmsburg, Harburg oder auf der Veddel, heißt es. Über die Hälfte aller Wilhelmsburger (58,5 Prozent) kommt laut Statistikamt Nord aus Einwandererfamilien. Bei den unter 18-Jährigen sind es sogar drei Viertel (77,8 Prozent). Auf der Veddel haben 71 Prozent der Einwohner Migrationshintergrund (unter 18-Jährige: 93 Prozent). In Harburg liegt der Ausländeranteil bei 58 Prozent, bei den unter 18-Jährigen sind es 80,5 Prozent.
„Wir haben einige Mitglieder mit Migrationshintergrund. Das läuft. Aber insgesamt ist die Resonanz und das Interesse sehr begrenzt“, sagt Wehrführer Stefan Leder von der FF Wilhelmsburg. „Bei Zuwanderern gibt es keine Freiwillige Feuerwehr. Sie kennen das so nicht aus ihrer Heimat.“ Als die FF Wilhelmsburg voriges Jahr mit Blaulicht und Martinshorn zu einem Einsatz in die Flüchtlingsunterkunft Dratelnstraße ausgerückt sei, hätten die Bewohner sie jubelnd empfangen und begeistert geklatscht. Anscheinend hatten viele von ihnen zum ersten Mal ein Feuerwehrauto gesehen.
„Wir haben uns mit den Sportvereinen zusammengesetzt und überlegt, was wir tun können“, sagt Andre Wronski, der Leiter der FF Hamburg. „Aber es hapert an Geld und Zeit, die man bräuchte, um die Freiwillige Feuerwehr publik zu machen. Viele Hamburger wissen überhaupt nicht, dass es uns gibt. Wir brauchen jemanden, der sich hauptamtlich um Werbung kümmert und ein Konzept für eine Kampagne entwirft. Man könnte Filme zeigen und an Neuankömmlinge mit Flyern in ihrer Landessprache herantreten. Die Frage ist nur, wer das macht und wer es bezahlt.“ Auch die stärkere Beanspruchung junger Menschen in der Schule spiele eine Rolle.