Die freiwilligen Wehren suchen junge Leute, die mitmachen möchten – Hoher Ausländeranteil ist ein Manko.

Bei den Freiwilligen Feuerwehren im Hamburger Süden wird der Nachwuchs knapp. Immer seltener gelingt es, in einigen Stadtteilen junge Leute für den Job als ehrenamtlicher Feuerwehrmann zu begeistern. Immer weniger sind offenbar bereit, sich regelmäßig und ohne Bezahlung für die Gemeinschaft zu engagieren. Problematisch ist die Situation in Wilhelmsburg mit nur 27 Aktiven in der Einsatzabteilung. Aber auch in Moorwerder (31), Francop (34) und Cranz (18) ist die Lage kritisch.

Dabei steigt die Anzahl der Freiwilligen Feuerwehrleute in Hamburg insgesamt an: 2593 Mitglieder werden verzeichnet – rund 100 mehr als vor einem Jahr. Für den Rückgang im Hamburger Süden gibt es verschiedene Ursachen. Eine Rolle spielt der hohe Ausländeranteil in Stadtteilen wie Wilhelmsburg, Harburg oder auf der Veddel. Über die Hälfte aller Wilhelmsburger (58,5 Prozent) kommt laut Statistikamt Nord aus Einwandererfamilien.

Bei den unter 18-Jährigen sind es sogar drei Viertel (77,8 Prozent). Auf der Veddel haben 71 Prozent der Einwohner Migrationshintergrund (unter 18-Jährige: 93 Prozent). In Harburg liegt der Ausländeranteil bei 58 Prozent, bei den unter 18-Jährigen sind es 80,5 Prozent.

Im Unterschied dazu sind Ausländer in den Freiwilligen Wehren die Minderheit. „Wir haben einige Mitglieder mit Migrationshintergrund. Das läuft. Aber insgesamt ist die Resonanz und das Interesse begrenzt“, sagt Wehrführer Stefan Leder von der FF Wilhelmsburg. Ein Erklärungsversuch: „Bei ihnen gibt es keine Freiwillige Feuerwehr. Sie kennen das so nicht aus ihrer Heimat.“

Als die FF Wilhelmsburg voriges Jahr mit Blaulicht und Martinshorn zu einem Einsatz in die Flüchtlingsunterkunft Dratelnstraße ausgerückt sei, hätten die Bewohner sie jubelnd empfangen und begeistert geklatscht. Anscheinend hatten viele von ihnen zum ersten Mal ein Feuerwehrauto gesehen.

„Diejenigen Migranten, die wir haben, sind von selbst zu uns gekommen“, sagt Leder. „Sie sprechen gebrochen Deutsch, und man kann sich mit ihnen gut verständigen. Sie wollten sich selbst integrieren.“ Die FF Wilhelmsburg hat 27 Mitglieder, darunter vier Frauen. Vier Nachwuchskräfte beginnen dieses Jahr die Grundausbildung (siehe Kasten). Nur einer von ihnen hat einen ausländischen Pass.

„Wir hätten gern mehr Nachwuchs“, sagt Leder. Es stelle sich aber die Frage, wie man an die jungen Menschen herankommt. Ein weiteres Manko: Die FF Wilhelmsburg hat keine Jugendwehr. Die hätte man zwar gern, aber es fehlen Kapazitäten und ein Jugendgruppenleiter.

„Wir haben uns mit den Sportvereinen zusammengesetzt und überlegt, was wir tun können“, sagt Andre Wronski, der Leiter der FF Hamburg. „Aber es hapert an Geld und Zeit, die man bräuchte, um die Freiwillige Feuerwehr publik zu machen. Viele Hamburger wissen überhaupt nicht, das es uns gibt. Wir brauchen jemanden, der sich hauptamtlich um Werbung kümmert und ein Konzept für eine Kampagne entwirft. Aber wer bezahlt das?“

Dass es trotz hohem Ausländeranteil gelingen kann, Nachwuchs zu finden, zeigen die Harburger Brüder Bo (33) und Rayen Azzouz (26), die sich in der FF Eißendorf engagieren. In der Jugendwehr sind 13 junge Leute aktiv, in der Einsatzabteilung 32 Feuerwehrleute, davon drei Frauen.

„Ich glaube, dass viel davon abhängt, wie man öffentlich auftritt und wie man wahrgenommen wird“, sagt Wehrführer Bo Azzouz. Die prominente Lage des Feuewehrhauses an der Stader Straße trage dazu ebenso bei wie ein moderner Internet-Auftritt. „Seit wir auf der Homepage ein Kontaktformular haben, bekommen wir regelmäßig Anfragen“, sagt Bo.

Zudem postet die Eißendorfer Wehr aktuelle Berichte und Fotos auf Facebook. „Das kostet Zeit. Dafür braucht man junge, dynamische Führungskräfte, die medienaffin sind“, sagt Bo. Sein Bruder Rayen und er sind in Harburg geboren, aufgewachsen und arbeiten heute beide als Veranstaltungstechniker. Ihre Eltern stammen aus Tunesien.

„In der arabischen Welt ist Freiwilligkeit kein Thema. Andere Länder, andere Sitten“, sagt Bo mit Blick auf die Nachwuchsprobleme einiger Wehren in der Branddirektion Süd. „Wenn man sieht, dass Hamburg 86 Freiwillige Feuerwehren und 17 Berufsfeuerwehren hat, sieht man schon, welchen Stellenwert die Freiwilligkeit in unserer Stadt hat.“ Vier Ausländer machen in der Eißendorfer Jugendwehr zurzeit mit. „Sie haben in der Schule Deutsch gelernt“, sagt Rayen. „Es gibt keine Probleme.“

Auch der Wandel der Zeit trägt anscheinend dazu bei, dass es schwieriger wird, Nachwuchs zu generieren. „Wir haben als Kinder nachmittags noch alle draußen gespielt. Wir hatten Zeit. Heute sind die Kinder den ganzen Tag in der Schule. Abends schaffen sie es vielleicht noch zum Sportverein. Für die Freiwillige Feuerwehr ist da kein Platz“, sagt Bo. „Nach der Schule sind die Kinder ausgepowert“, ergänzt Rayen. „Die gehen schon mit sechs Jahren in den Sportverein. Da bleiben sie dann. Damit sind sie für uns verloren.“

Kameradschaft und Zuverlässigkeit werden bei der Freiwilligen Feuerwehr traditionell groß geschrieben – was sich nicht zuletzt bei der Bewerbung um einen Ausbildungsplatz positiv auswirken kann. Um Intersse für Nachwuchs zu wecken, werben die Brüder Azzouz auf Veranstaltungen mit den Einsatzfahrzeugen.

„Wenn wir den Kindern erzählen, dass 800 Liter Wasser pro Minute durch das Strahlrohr schießen, und ich sage, ,das ist so viel wie 800 Milchtüten’, machen die große Augen“, sagt Jugendwart Rayen. Ob sie sich vorstellen können, auch einmal eine Werbeveranstaltung in einer Flüchtlingsunterkunft zu machen?

„Warum nicht? Wenn es das Ansehen und die Bekanntheit der Freiwilligen Feuerwehr stärkt?“ sagt Bo. „Man könnte Filme zeigen und mit Flyern in ihrer Landessprache an die Neuankömmlinge herantreteten“, ergänzt Feuerwehrchef Wronski. „Die Frage ist nur, wer das macht.“

Mit 34 Einsatzkräften, davon fünf Frauen, steht die FF Rothenburgsort -Veddel trotz hohen Ausländeranteils vergleichsweise gut da. „Die Wehr ist gut aufgestellt und gut geführt“, sagt Wronski. Ganz andere Probleme haben die Wehren in Moorwerder, Francop und Cranz. „Die jungen Leute ziehen weg. Sie gehen vom Land in die Stadt“, sagt der Feuerwehrchef. Eine einfache Lösung gibt es nicht.