Winsen. Prozess Beschuldigter soll Polizisten auf Meckelfelder Dorffest mit Faustschlag schwer verletzt haben. Urteil voraussichtlich am Freitag.
Vor dem Amtsgericht Winsen muss sich seit gestern ein 33 Jahre alter Mann aus Seevetal gegen den Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung in einem besonders schweren Fall verantworten. Sevn P. (Name geändert) soll auf dem Meckelfelder Dorffest im August 2015 vor der Gaststätte „Schnurrbart“ auf einen 31 Jahre alten Polizisten losgegangen sein und ihn mit einem gezielten Faustschlag niedergestreckt und schwer verletzt haben.
Der Schlag hatte dramatische Folgen: Der Polizist Christian S. (Name geändert) verlor sofort das Bewusstsein, schlug auf die Straße und mit dem Kopf ungebremst auf den harten Asphalt, so die Anklage. Der Polizist zog sich schwerste Kopfverletzungen zu, er lag im Koma und schwebte mehrere Tage lang in akuter Lebensgefahr.
Bis heute leidet der Polizist Christian S. unter den Folgen, hat Gleichgewichts- und Sprachstörungen und weitere körperliche Einschränkungen. Er ist seit dem Angriff auf ihn dienstunfähig. Ob er sich jemals wieder soweit erholen wird, dass er im Polizeidienst arbeiten kann, ist fraglich.
Der Zuschauerraum im Landgericht war bis auf den letzten Platz gefüllt, als der Staatsanwalt die Anklage verlas. Sven P. saß ungerührt im grauen Pulli neben seinem Verteidiger Andreas Harms und hörte regungslos zu. Gegenüber saß ihm der Polizist Christian S. als Nebenkläger mit seiner Frau. Sie hielt seine Hand.
„Die Staatsanwaltschaft erhebt den Vorwurf der schweren körperlichen Misshandlung, indem Sie am 29. August 2015 um 0.30 Uhr in Meckelfeld vor der Gaststätte ,Schnurrbart’ einen tätlichen Angriff auf einen Polizeibeamten ausgeführt haben, bei dem sie die Gefahr des Todes des Mannes billigend in Kauf genommen haben“, wandte sich der Staatsanwalt an den Angeklagten.
Zuvor habe auf dem Dorffest eine Gruppe von Südländern, die offenbar in die Gaststätte wollte, zwei Security-Mitarbeiter angegriffen. Sven P. sei dabeigewesen. Als der uniformierte Polizist Christian S. als erster eintraf, um den Streit zu schlichten und sich auch verbal als Polizist zu erkennen gab, sei Sven P. um die Gruppe herumgegangen und habe ihm gezielt von der Seite einen Schlag versetzt.
Zum Tatvorwurf äußerte sich der kräftig gebaute, sportlich trainiert wirkende Angeklagte indes nicht. „Ich kann dazu nichts sagen“, behauptete Sven P. „Ich habe eine Erinnerungslücke. Ich kann den Tagesverlauf schildern.“ Das wollte der Vorsitzende Richter hören. „Wir waren auf dem Dorffest, haben mal hier und mal da getrunken. Da waren viele“, begann Sven P. seine ausführlichen Schilderungen. Wie er zu der Gaststätte gekommen sei, wisse er nicht. „Ich weiß, dass ich vor der Gaststätte in der Schlange stand. Und dass ich Pfefferspray ins Gesicht bekam.“
Er habe Sambuca getrunken. Wie viel, wisse er nicht. „Wie haben Sie sich denn gefühlt?“, wollte der Richter wissen. „Besoffen, gut drauf, wie immer“, lautete die Antwort. Nach Sven P.s Festnahme hatte eine Blutprobe noch in derselben Nacht 1,5 Promille ergeben. „Wann setzte Ihre Erinnerung wieder ein?“ wollte der Richter wissen. „Als die Augen brannten und ich im Streifenwagen saß.“
Bei der Befragung eines Mediziners gab Sven P. an, „ein- bis zweimal im Monat“ Alkohol zu trinken. „Immer drei dreifache Sambuca auf Eis.“ Macht neun Schnäpse. Auch am Abend im ,Störtebeker’, dem Treffpunkt auf dem Dorffest, sei es so gewessen. Er habe mit Freunden gefeiert, sie seien Autoscooter gefahren, hätten geboxt gegen einen Ball.
„Dabei kam bei Ihnen der Maximalwert raus“, sagte der Staatsanwalt. „Der Ball klappt nach innen. Es blinkt. Ich weiß nicht mehr, was da raus kam“, sagte der Angeklagte. „Es ist erstaunlich, dass sie sich an alles Mögliche erinnern, bis zum ,Schnurrbart’, aber an die einschneidenenden Ereignisse nicht“, sagte der Staatsanwalt. Der Anwalt des Nebenklägers zweifelte ebenfalls an der Version der „kompletten Amnesie“.
Mehrere Zeugen belasteten den Angeklagten schwer, darunter vier Polizisten und ein Security-Mitarbeiter: „Ich habe gesehen, wie Sven P. neben mir auf den Polizisten Christian S. zuging, ausholte und mit der Faust an den Kopf schlug. Der Polizist fiel um.“ Sven P. war von einem Zivilpolizisten kurz darauf festgenommen worden.
Der Prozess wird am Freitag, 3. März, 9.30 Uhr, Saal 214 im Amtsgericht Winsen fortgesetzt.