Lüneburg. Händler aus Lüneburg hat 50.000 Kostüme im Angebot. Ziel ist oft das Rheinland. Der Renner 2017: US-Präsident Donald Trump.

Das Mekka der Karnevalisten liegt in Köln oder – je nach Gesinnung – in Düsseldorf, keine Frage. Doch bevor sich die Jecken in das bunte, laute und hemmungslose Chaos stürzen, machen viele einen Zwischenstopp in Lüneburg – zumindest virtuell.

Denn in der kleinen norddeutschen Hansestadt hat einer der größten deutschen Online-Kostümhändler seinen Sitz. In mehreren unscheinbaren Hallen im Gewerbegebiet stapeln sich die Verkleidungszutaten für Polizisten, Prinzessinnen, Frösche, Krankenschwestern, Feuerwehrmänner, Einhörner und Hippies. Dazwischen quellen Regale über mit bunten Partyhütchen, Sonnenbrillen, Schmetterlingsflügeln und Perücken.

Aus rund 50.000 Verkleidungen können die Kunden von Kostüme.com ihr liebstes Outfit wählen. Während der Karnevalszeit werden täglich mehr als 3000 Päckchen in die ganze Republik verschickt. „Wir haben uns schon mehrmals vergrößert, jetzt wird es eng“, sagt Max Reisener bei einem Rundgang über das 2500 Quadratmeter große Gelände.

Der 31-Jährige aus Lüneburg hat die Firma vor vier Jahren gegründet, damals noch mit „ein, zwei Angestellten“, wie er sagt. Mittlerweile arbeiten 30 Festangestellte im Büro und im Lager, hinzu kommen laut Reisener etwa 100 Saison-Aushilfskräfte.

Die Hochsaison für die Verkleidungsexperten beginnt am Tag nach Neujahr, wenn die Feiertage geschafft sind. Dann begännen die Leute, sich Gedanken über ihr diesjähriges Kostüm zu machen, so der Geschäftsführer. „Ein Dauerbrenner ist das Thema Flower-Power und Hippies“, sagt Reisener und deutet auf eine Kleiderstange mit psychedelisch bunt gemusterten Synthetikkleidern.

Max Reisener lässt sich auch gern mal von einem seiner Huckepackkostüme hochnehmen
Max Reisener lässt sich auch gern mal von einem seiner Huckepackkostüme hochnehmen © HA | Lena Thiele

Immer gut gingen auch Berufe-Kostüme und Märchenfiguren. Ein Renner in diesem Jahr: Trump. Doch da seien die Hersteller leider nicht schnell genug hinterhergekommen, bedauert der Chef. Perücke und Maske, um den US-Präsidenten zu imitieren, seien bereits ausverkauft.

Bei Kindern besonders beliebt seien zurzeit Ninjas sowie sogenannte Lizenzartikel wie Eisprinzessin Elsa aus dem Disneyfilm oder Spiderman. Aber auch die klassischen Kostüme seien bei Kindern hoch im Kurs. „Viele wollen sich als Feuerwehrmann, Cowboy, Pirat oder Pippi Langstrumpf verkleiden.“

Auch wenn in den Wochen bis zum Rosenmontag Hochbetrieb in den Lüneburger Hallen herrscht, der Kostümversand ist kein reines Saisongeschäft. Halloween, Weihnachtsmänner, der Schla­germove in Hamburg und vor allem Mottopartys, die das ganze Jahr über gefeiert werden, sorgen laut Reisener für ständige Nachfrage.

Außerdem hat sich Kostüme.com im vergangenen Jahr mit einem ähnlichen Unternehmen zusammengetan, das den Verkauf zum September hin ankurbelt. Dirndl.com ist laut Geschäftsführer Steffen Fuchs einer der weltweit größten Dirndl-Versandhändler. Zusammen firmieren die Firmen nun unter dem Namen Livario – und versorgen von Norddeutschland aus die Besucher von Karnevalsumzügen und Oktoberfesten.

Da die Firma stetig wachse, wachse auch das Platzproblem, sagt Reisener. Und dass sie gern innerhalb der Stadt umziehen würden, es aber keine geeignete Fläche gebe. Die Heimatverbundenheit hat auch unternehmerische Gründe. Um in der Saison schnell viele gute Aushilfskräfte zu bekommen, sei die Nähe zur Uni ganz entscheidend, sagt der ehemalige BWL-Student.

Denn es sind zumeist Studenten, die in diesen Tagen dafür sorgen, dass die vielen bunten Kostüme in die Regale geräumt und verpackt werden. Sie strecken sich zu hochgestapelten Kartons, schieben vollgepackte Einkaufswagen durch die engen Gänge und scannen Barcodes von Aufklebern.

Dann verschwindet auch Max Reisener im hintersten Gang der Lagerhalle, in der Hand eine Tüte mit flach zusammengelegtem Plüsch. Er will eine neue Erfindung demonstrieren, die sich hervorragend verkauft: Huckepackkostüme, die suggerieren, der Verkleidete säße zum Beispiel auf einem Pferd. Oder eben auf den Schultern eines Oktoberfestbesuchers.

Denn so wankt der Firmenchef nun fröhlich durch das Lager, zwei baumelnde Beine an den warm eingepackten Hüften. „Na gut, mein Anzug passt vielleicht nicht ganz dazu“, räumt er mit Blick auf sein Geschäftsoutfit ein. „Aber Spaß macht es trotzdem.“ Denn obwohl er mittlerweile an der Quelle sitzt, hat für Max Reisener das Verkleiden nicht gänzlich seinen Reiz verloren. Einmal im Jahr schlüpft auch der norddeutsche Unternehmer in eine andere Rolle und stürzt sich selbst ins Karnevalsgetümmel. In Köln, natürlich.