Pfähle und Pfosten an der Harburger Hölertwiete wurden kunterbunt umgarnt – eine Aktion sozialer Einrichtungen – mit frohem Sinn

Lassen Sie uns über Farben reden! Warum, fragen Sie jetzt? Ein einziger Blick aus dem Fenster, und sie kennen die Antwort: Grau ist die Farbe der Stunde. Und das schon seit gefühlt 100 Jahren. Gar nicht so einfach, da seine gute Laune nicht zu verlieren. Wenn das Wetter so ist wie jetzt, kann der Blues einem schon mal die Seele eintrüben wie der Nieselregen den Durchblick der Brillenträger. So eine Abwechslung wie in der Hölertwiete kommt da gerade recht: Laternenpfähle, Fahrradständer und Straßenpfeiler sind dort jetzt umhüllt mit buntem Strick.

„Grau raus, Farbe rein!“ so ist der Titel einer Aktion, zu der die sozialen Einrichtungen Brücke Harburg, Margaretenhort und Treffpunkt Hölertwiete bereits im Herbst vergangenen Jahres aufgerufen haben: eine Sozialraumaktion, nennt Thorben Walter (41), Mitarbeiter der Brücke und einer der Organisatoren das Ganze: Bis zum 30. März soll die Hölertwiete durch bunte Farben belebt, man könnte auch sagen - bestrickend schön gemacht werden.

Nicht ganz neu, die Idee. Bereits 2011 während des zweiten Harburger Kunst- und Kultursommers reisten eigens Künstler aus Aachen an, um in der Harburger Innenstadt Akzente zu setzen und die eigentlich ur-feminine Strickart umzumünzen in subversive Streetart. Das Abendblatt schrieb damals: „Hausfrauenkunst trifft beim sogenannten Guerilla Knitting auf Untergrund und autonome Selbstgestaltungskräfte und entfaltet seinen ganzen subversiven Charme, der nicht nur die Stadt sichtbar macht, sondern auch feminine Kräfte bündelt.“

Es bleibt fraglich, ob die rund 30 Strickerinnen, die sich regelmäßig seit Ende vergangenen Jahres getroffen haben, um jetzt mit ihren Arbeiten die Hölertwiete zu verschönen, sich in diesem Satz wiederfinden. Oder ob nicht manche vielleicht bei sich so denkt: „Wer sich leicht umgarnen lässt, ist schnell schief gewickelt.“

Fakt ist: die Arbeit, besser gesagt das Stricken hat Spaß gemacht. Das sagt nicht nur Thorben Walter, das bestätigen auch Rebecca Boldt (42) vom Margaretenhort und Sabrina Wendt (37) vom Treffpunkt Hölertwiete. Unversehens habe die Aktion auch zusätzliche Anhänger gefunden, zum Beispiel haben sich auch Mitarbeiterinnen des Eine-Welt-Ladens beteiligt oder auch Mitarbeiterinnen aus dem Haus der Kirche.

Und auch als die Stricksachen jetzt um Laternenpfähle, Fahrradständer und Straßenpfeiler gewickelt wurden, war die Stimmung ausgezeichnet: „Wir haben nur positive Rückmeldungen“, sagt Thorben Walter. Er und seine Mitstreiterinnen hatten eingeladen: „Lassen Sie sich durch bunte Farben verzaubern und bummeln Sie mit einem Lächeln durch die Hölertwiete.“ Tatsächlich scheint es zu klappen. Manch einer, der die Pfosten in Strick sieht, guckt erst mal... nun ja, kariert und fragt sich wohl: Ist das Kunst oder kann das weg? Doch fast immer tritt an die Stelle von Verwunderung ganz schnell ein Schmunzeln. Wie könnte es auch anders sein bei all den Farben: Orange steht für Optimismus und Lebensfreude, für Aufgeschlossenheit, Kontaktfreude und Selbstvertrauen. Gelb steht für Licht, Optimismus und Freude und lindert angeblich Ängste und Depressionen. Und Rot: das bedeutet Vitalität und Energie, Liebe und Leidenschaft. Schließlich Türkis. Die Farbe vermittelt angeblich geistige Offenheit und Freiheit, wird außerdem bei Infekten und Allergien aller Art verwendet und schützt das Immunsystem.

Fix was los in der Hölertwiete, Harburgs Place to be – dieser Schluss drängt sich auf. Die Anwohner seien jedenfalls sehr angetan, erzählt Thorben Walter. „Endlich mal schön bunt hier“, hätten mehrere von ihnen gesagt.

Und Citymanagerin Melanie-Gitte Lansmann? Dass sie Gestricktes schöner findet, wenn es als Pullover oder Pudelmütze daherkommt, daran lässt sie keinen Zweifel. Trotzdem gewinnt auch sie der Aktion viel Positives ab: „Dass Menschen sich mit ihrer Nachbarschaft auseinandersetzen und sich vor der eigenen Haustür engagieren, das finde ich schon sehr, sehr schön.“

Alle, die mitgestrickt haben, sind jedenfalls am 30. März erneut eingeladen: Ab 17 Uhr wird alles wieder abgeschnitten und aufgeribbelt. Danach gibt’s ein gemütliches Beisammensein bei Kaffee und Kuchen, sagt Walter: „Wir wollen uns dann bei allen bedanken, die mitgemacht haben.“ Das waren in erster Linie Frauen aller Altersgruppen.

Was die Aktion ja keinesfalls schlechter macht. Immerhin gilt: Erfolg verbindet.