Harburg. Verein Harburger Obdachlosenhilfe verteilt Kleidung, Schlafsäcke und warme Mahlzeiten an Bedürftige.

In Harburg und Neugraben-Fischbek halten sich nach Einschätzung des neu gegründeten Vereins Harburger Obdachlosenhilfe 35 bis 40 obdachlose Menschen auf. Hinzu komme eine unbestimmte Anzahl Wohnungsloser Menschen, also Männer und Frauen, die zeitweilig bei Bekannten Unterschlupf gefunden haben, ohne gemeldet zu sein.

Vermutlich seien es Hunderte, sagt der 3. Vereinsvorsitzende Stephan Neubert. Der Postangestellte ist zurzeit in Pflegezeit und ist ehrenamtlich abends in der Straßenarbeit tätig, um Obdachlose mit warmen Getränken und Kleidung zu versorgen.

Insgesamt 940 Plätze für Obdachlose hält das Winternotprogramm der Freien und Hansestadt Hamburg bis zum 31. März zur Übernachtung bei frostigen Nächten vor. 150 der 940 Plätze seien leer geblieben, hieß es im Januar aus der Sozialbehörde. Im Bezirk Harburg befindet sich nach Angaben des Bezirksamtes kein einziger Platz des Programms.

Stephan Neubert hat von zwei Plätzen gehört, die Kirchengemeinden unabhängig zu dem Winternotprogramm vorhielten. „Wir haben den Eindruck, dass im Hamburger Süden mehr für die Obdachlosenhilfe getan werden muss“, sagt er.

Das denkt auch der Unternehmer Aydin Yakin. Der Geschäftsführende Gesellschafter der PSS Facility Services GmbH hatte vor Kurzem auf dem Firmengelände an der Buxtehuder Straße zusammen mit den ehrenamtlichen Helfern des Vereins Harburger Obdachlosenhilfe Kleidung, Schlafsäcke und warme Mahlzeiten an obdachlose Menschen verteilt. Aydin Yakin organisierte einen Imbisswagen und beteiligte sich an der Essensausgabe.

Unternehmer Aydin Yakin steht im Imbisswagen
Unternehmer Aydin Yakin steht im Imbisswagen © Thomas Sulzyc | Thomas Sulzyc

„Wir haben 250 Currywürste, 30 Kilo Pommes und 15 Kilo Chili con Carne vorgehalten“, sagt er. Stephan Neubert richtete einen Zubringerverkehr ein, fuhr mit dem Fahrzeug bedürftige Menschen von dem Harburger Bahnhof zu dem Firmensitz an der Bundesstraße 73. Etwa 40 Menschen hätten so Kleidung und ein warmes Essen erhalten.

Alle zwei Wochen gibt der Verein Harburger Obdachlosenhilfe immer sonntags von 13 bis 16 Uhr auf dem Seeveplatz vor dem Marktkauf-Warenhaus kostenlos Dinge aus, die auf der Straße lebende Menschen dringend benötigen: warme Jacken, Schuhe, Schlafsäcke, Hygieneartikel wie Deos, Haarshampoo oder Zahnbürsten. Im Hans-Fitze-Haus haben Obdachlose obendrein die Möglichkeit, eine Dusche zu nehmen.

„Socken und Unterhosen sind das Gold der Straße. Davon können Obdachlose nicht genug bekommen“, sagt Julia Schmittdiel. Die Erklärung: Wer keine Wäsche machen kann, benutzt Strümpfe und Unterwäsche wie Einwegartikel. Was dreckig ist, wirft er weg. Julia Schmittdiel war früher selbst in Obdachlosigkeit geraten. Heute engagiert sie sich in der Obdachlosenhilfe, ist Fachvorstand für Streetwork und Köchin des Vereins.

Vorsitzende des Vereins ist Tamara Neubert aus dem Stadtteil Rönneburg. Die frühere Soldatin sitzt heute im Rollstuhl. Angefangen hatte alles damit, dass sie warme Schals strickte. Heute erhält ihre ehrenamtliche Obdachlosenhilfe Unterstützung aus der Kleiderkammer des Vereins Hanseatic Help. Auch ein Rewe-Markt unterstützt mit Nahrungsmittelspenden den Verein, der sich am 1. Dezember 2016 gegründet hat. „Es ist ein Irrtum, zu glauben, in Deutschland müsse niemand obdachlos sein“, sagt Tamara Neubert.

Die meisten Obdachlosen seien Männer. Ost stammen sie aus Osteuropa. Hunderte von Migranten aus Polen, Bulgarien und Rumänien sind nach Angaben der Stadtmission in Hamburg obdachlos. Die Gründe: prekäre Arbeitsverhältnisse im Billiglohnsektor, fehlende Rechtsansprüche. Das Projekt Plata der Stadtmission hilft bei der Rückkehr in die Heimatländer.

Viele wollen aber nicht zurück – aus Scham. Stephan Neubert berichtet von einer „Platte“, wie es im Jargon heißt, von acht oder neun Polen, die auf der Straße oder in Hauseingängen übernachten. „Sie wollen nicht in ihre Heimat zurück, weil sie glauben, ihr Ansehen verloren zu haben“, sagt er.

Obdachlose Menschen übernachten in Harburg in Hauseingängen oder manchmal in nicht verriegelten Kellern. „Meistens laufen sie die Nacht über“, berichtet Stephan Neubert. Damit sie nicht erfrieren.