Winsen. Rainer Rempe, Michael Roesberg und Manfred Nahrstedt vertreten eine bärenstarke Wirtschaftsregion. Doch in den Ländern dringen sie oft nicht durch.

Rolf Zamponi

Landrat Rainer Rempe holt noch rasch das Wappen des Landkreises für sein Revers. Stades Landrat Michael Roesberg und sein Lüneburger Kollege Manfred Nahrstedt sind mit ihnen schon nach Winsen gekommen. Nun sitzen die drei Verwaltungschefs an einem Tisch. Sie repräsentieren die wirtschaftsstärksten Landkreise in der Metropolregion Hamburg (siehe Karte). Geografisch weit weg von den Ministerien in der Landeshauptstadt Hannover. Dagegen dem oft sehr selbstbewusst auftretenden Hamburg nah.

Eine Position, die es mitunter schwer macht, die eigene Landesregierung zu erreichen. Das Abendblatt hat die Landräte zum Gipfel eingeladen. Eines stellt Nahrstedt vorweg klar: „Unsere Parteizugehörigkeit spielt hier keine Rolle. Wir kümmern uns um Sachthemen.“ Rempe stellt Büro, Kaffee und Kuchen. Dann reden die drei Landräte Klartext.

„Wir sind Nord-Niedersachsen, nicht Hamburg, das müssen wir in Hannover zeigen“, sagt Roesberg, der parteilos ist. Schwierig schon deshalb, weil die Region im Kabinett nicht vertreten ist, wie Nahrstedt moniert, der der regierenden SPD angehört. Folge für Rempe (CDU): „Wir werden nicht ausreichend wahrgenommen!“

Rainer Rempe: Es kann nicht sein,
Rainer Rempe: Es kann nicht sein, © JOTO | JOTO

Ändern könnte sich das Anfang 2018. Denn Bernd Althusmann, der für die CDU neuer niedersächsischer Ministerpräsident werden will, kandidiert im Wahlkreis Seevetal mit Rosengarten und Neu Wulmstorf. Eine gute Nachricht, findet vor allem Rempe.

Wirtschaft

Für die Durchschlagskraft der Kreise hilft, da sind sich die Landräte einig, ihre Selbstständigkeit. Drei Stimmen sind mehr als eine. „Ein Zusammenlegen wäre keine Perspektive“, sagt Roesberg. Mit einem Großkreis würde die Region voraussichtlich an Einfluss verlieren.

Wozu aber die Metropolregion, wenn die Kreise wirtschaftlich stark sind und ihre Bevölkerung wächst? Tatsächlich ist Rempe überzeugt, dass „wir alle wohl besser damit zurecht kämen als andere Kreise, wenn es keine Metropolregion gäbe.“ Mit der Ausweitung nach Mecklenburg-Vorpommern behalte man aber nun die Entwicklung dieses Bereiche im Auge und könne auf den Austausch von Arbeitskräften hoffen. „Das bringt für alle Gewinn“, sagt Nahrstedt.

Dennoch: Mit den neuen Mitgliedern, der Landeshauptstadt Schwerin und dem Altkreis Parchim zum 1. März ist für Rempe „die Grenze erreicht.“ Die Metropolregion solle nicht mehr größer werden. „Irgendwann funktionieren die Strukturen nicht mehr.“

Michael Roesberg: Hamburg muss begreifen, dass wir in der Metropolregion auf Augenhöhe  diskutieren wollen
Michael Roesberg: Hamburg muss begreifen, dass wir in der Metropolregion auf Augenhöhe diskutieren wollen © JOTO | JOTO

Immerhin arbeiten nun Städte und Gemeinden aus vier Ländern in der 1991 auf Initiative von Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen gegründeten Metropolregion zusammen. Es geht längst um mehr als darum, Feste zu organisieren, Biber zu schützen oder Lieblingsplätze auszuweisen. Roesberg ist überzeugt: „Ohne die Metropolregion gäbe es die S-Bahn nach Stade nicht.“

Dann zählt er weiter auf: Der Ausbau des Schiffshebewerks in Scharnebeck steht jetzt im Bundesverkehrswegeplan vorn, Berufschüler können ihre Schule länderübergreifend wählen und bei Firmen-Neuansiedlungen wird versucht, sie in der Metropolregion zu halten. „Es würde zudem deutlich hitziger über die Entnahme von Grundwasser aus der Heide für Hamburg diskutiert, wenn die Metropolregion nicht mitreden würde“, so der Stader Landrat. „Nur Hamburg muss eben begreifen, dass wir auf Augenhöhe diskutieren müssen.“

Ach, Hamburg. Auch über die Aussagen von Handelskammer Hauptgeschäftsführer Hans-Jörg Schmidt-Trenz kann sich Roesberg immer noch aufregen. Schmidt-Trenz hatte die Arbeit in der Metropolregion, der auch die Hansestadt angehört, deutlich kritisiert. Kostprobe aus einem Papier der Handelskammer: „Die Innovationsfähigkeit verdichteter Kerne darf nicht durch eine Überversorgung ländlicher Räume mit Infrastruktur ohne Bedarf behindert werden.“ „Überversorgung, eine Frechheit“, gibt der Landrat zu Protokoll. „Wir brauchen keinen Klassenkameraden, der anderen Schulnoten erteilt.“

Manfred Nahrstedt: Wir müssen unsere Schienenwege für die Wirtschaft ertüchtigen, aber alle Maßnahmen  dauern zu lange
Manfred Nahrstedt: Wir müssen unsere Schienenwege für die Wirtschaft ertüchtigen, aber alle Maßnahmen dauern zu lange © JOTO | JOTO

Doch nun will sich auch noch die IHK Lüneburg-Wolfsburg (wie berichtet) gen Braunschweig orientieren. Da halten die drei Landräte im Schulterschluss mit Lüneburgs Oberbürgermeister Ulrich Mädge dagegen. „Bei einer Fusion mit Braunschweig würde unser Raum wirtschaftlich nicht mehr die Bedeutung haben wie heute“, sagt Rempe. „Wenn überhaupt, sollte man über einen Zusammenschluss im Norden nachdenken“, sagt Nahrstedt. Wie wär es mit Lüneburg-Stade? „Das haben andere als wir zu entscheiden“, räumt Roesberg ein.

Verkehr

Neues Thema Verkehr, altes Thema Braunschweig. Dorthin fließt Geld vom Land für den Ausbau des Schienenverkehrs, das nun im Norden fehlt. Das ist einhellige Meinung der drei Verwaltungschefs. „Wir müssen unsere Schienenweg ertüchtigen, aber alles dauert zu lange“, sagt Nahrstedt. Geld von der Landesnahverkehrsgesellschaft würde aber nur bedingt helfen.

Denn die Engpässe sind die beiden Bahnhöfe Harburg und Hamburg. Beide reichen nicht aus für den steigenden Gütertransport und den Nahverkehr und müssten ausgebaut werden. „Wir brauchen die Gleise, weil die Wirtschaft sich sonst kaum weiterentwickeln kann. Aber in Harburg wird wohl bis 2030 nicht mehr viel passieren“, unkt Roesberg.

Passieren soll jedoch etwas bei der Koordination der Verkehre auf Schiene und Straße. „Nachdem Hamburg ein Team einsetzt, muss Niedersachsen beim Verkehrskoordinator nachziehen“, sagt der Stader Landrat. Der Koordinator brauche politischen Rückhalt und Zugang zu den Entscheidern, um so bei Neubauten oder Baustellen Staus zu vermeiden. „Uns hat es gut gefallen, wir Hamburg mit dem Koordinator für den Autobahndeckel an der A7 arbeitet,“ so Roesberg. In den nächsten Wochen wollen die Hamburger Koordinatoren sich in den Kreisen vorstellen. Für Niedersachsen heißt es bisher noch – warten.

Warten ist auch das Stichwort für Rübke. Um für das Dorf im Zuge der Fertigstellung des Abschnitts der Autobahn 26 eine Umgehung zu schaffen, will Wirtschaftsminister Olaf Lies alle Beteiligten zum Gespräch laden. „Es geht darum, dass der Kreis auf Hamburger Gebiet die Straße planen und bauen kann“, so Rempe. Eine Option, um den „ehrgeizigen Zeitplan“ bis 2021 einzuhalten. Bei den Umgehungsstraße von Ketzendorf und Elstorf wird der Landkreis Harburg das Raumordnungsverfahren übernehmen. Hier hat das Warten ein Ende. In das Projekt kommt nach dem ersten Koordinierung nun Bewegung.

Flüchtlinge

Noch einmal Themenwechsel: Flüchtlinge betreffen alle Kreise. Sie haben Probleme mit der Landespauschale von 10.000 Euro pro Kopf und Jahr zurecht zu kommen. Gelten für Harburg 16.800 Euro, sind es für Lüneburg Land 11.000 und für Lüneburg Stadt 14.000 Euro. Auch in Stade ist es knapp.

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Die Kreise müssen zudem die Kosten für Behandlungen bei Krankheiten übernehmen. „Es kann nicht sein, dass wir das gesamte Risiko tragen,“ sagt Rempe und erhält Zuspruch von seinen Gesprächspartnern. Sowohl für Roesberg als auch für Nahrstedt ist klar, dass das Land der Stadt Hannover und dem Landkreis Harburg finanziell helfen muss. Denn für sie ergeben sich die höchsten Defizite, weil sie alle Unterkünfte neu und teuer schaffen mussten.

Kommt keine Hilfe, werden die Landkreise in ihren Haushalten 2018 rote Zahlen aufweisen, ist Roesberg überzeugt. „Wir stellen sachliche Forderungen und erwarten die Solidarität des Landes“, fasst Nahrstedt zusammen.

Abschlussfrage: Was kann, was soll für die drei Kreise innerhalb von zwölf Monaten umgesetzt werden? „Am wichtigsten ist, dass der Verkehrskoordinator kommt“, sagt Roesberg. Nicken. Drei Landräte – eine Meinung.

Die drei Landräte

Michael Roesberg (parteilos) ist seit 2006 Landrat des Kreises Stade. Der Jurist (59), der in Bonn aufgewachsen ist, kam 1987 nach Niedersachsen. Roesberg ist verheiratet und hat drei Kinder.

Manfred Nahrstedt (SPD) ist seit 2006 Landrat des Kreises Lüneburg. Ausgebildet ist er als Industriekaufmann, Krankenpfleger und Erzieher, studiert hat er Sozialpädagogik. Nahrstedt (68) ist verheiratet und hat ein Kind.

Rainer Rempe (CDU) ist seit 2014 Landrat des Kreises Harburg. Der Jurist (54) ist seit 1992 bei der Kreisverwaltung. Rempe ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Die Metropolregion

Die Metropolregion Hamburg wird zum 1. März erneut größer. Sie wird um Mecklenburg-Vorpommerns Landeshauptstadt Schwerin und den Altkreis Parchim erweitert. Dies wird mit einem Festakt im Hamburger Rathaus am 27. Februar besiegelt.

17 Kreise und Landkreise, drei kreisfreie Städte sowie die Stadt Hamburg gehören dann zur Region. Die Fläche wächst von 26.100 um gut 2.300 auf knapp 28.500 Quadratkilometer. Damit ist die Metropolregion Hamburg fast so groß wie Belgien. Die Bevölkerung steigt von 5,1 Millionen auf gut 5,3 Millionen Menschen – etwas mehr als die Zahl der Einwohner Norwegens.

Die Metropolregion ist die einzige Plattform, auf der Mitglieder länderübergreifend und bei Politik, Wirtschaft und Verwaltung zusammenarbeiten. Kooperationen zwischen Hamburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein sowie Landkreise und Städte gibt es seit den 50er-Jahren.