Sinstorf. Rönneburger Stieg: Bei der Anhörung in Sinstorf ging es hoch emotional zu. Viele Bürger forderten empört einen anderen Standort

Zum Teil musste Moderator Christopher Cohen darum kämpfen, das Wort zu behalten, dabei ist der PR-Unternehmer ein erfahrener Veranstaltungsleiter. Aber die Emotionen bei den Anwohnern der geplanten Flüchtlingsunterkunft am Rönneburger Stieg kochten derart hoch, dass einige die Fachvorträge zur Unterkunft nicht abwarten wollten und gleich Dampf abließen.

Gut 250 Bürgerinnen und Bürger waren in die syrisch-orthodoxe Kirche nach Sinstorf gekommen, um an der Informationsveranstaltung zur Unterkunft teilzunehmen. Die liegt genau dort, wo die drei Stadtteile Langenbek, Rönneburg und Sinstorf im Grünen aneinander grenzen. Die meisten Anwohner lehnen die Unterkunft ab. Schon bei nicht-öffentlichen Vorgesprächen hatten sie die Unterkunft zumindest verkleinern wollen – und dies teilweise auch erreicht: Statt ursprünglich 340 sollen jetzt nur noch 260 Menschen hier wohnen, weil die Fläche aus Naturschutzgründen verkleinert wurde.

Der übliche Ablauf solcher Veranstaltungen ist, dass zunächst die Vorhabensträger erklären, was sie konkret vorhaben und dann Behördenfachleute die Aspekte vertiefen, für die ihre Behörden zuständig sind. „Kennen wir alles schon“, rief eine Frau aus dem Publikum, „Sie wollen uns nur Zeit stehlen, damit wir nicht so viele Fragen stellen.“

Die wichtigste Frage der Anwohner ließ sich mit „Warum hier und nicht woanders?“ zusammenfassen und wurde in ihren verschiedenen Varianten auch eher rhetorisch gestellt. Denn wo man die 260 Flüchtlinge außerhalb Langenbeks und Rönneburgs unterbringen könnte, wussten die Fragesteller sehr wohl, wie sie verkündeten: In Marmstorf auf der Elfenwiese zum Beispiel oder in den leer stehenden Unterkünften der Gemeinde Seevetal, oder aber in all jenen Bezirken, die derzeit prozentual weniger Flüchtlinge aufgenommen haben, als der Bezirk Harburg – also alle anderen sechs.

„Die BASFI wird im Rahmen des Bürgervertrages bis Mitte des Jahres ein stadtteilgenaues Muster zur Flüchtlingsverteilung erarbeiten“, sagte Anwohner Andreas Thon. „Ich habe den Eindruck, dass die Einrichtung hier im kleinen Stadtteil Langenbek im mit Flüchtlingen ohnehin übermäßig belasteten Bezirk Harburg schnell noch genehmigt werden soll, bevor es nach dem Verteilungsmuster nicht mehr geht.“

Dem widersprach Beate Schmid-Janssen vom Landesbetrieb Fördern und Wohnen: „In den Erstaufnahmen haben wir derzeit mehr als 6000 so genannte Überresidente, das sind Menschen, die eigentlich gar nicht mehr dort sein sollten, sondern in einer Folgeunterkunft. Wir können es uns gar nicht leisten, einen möglichen Folgeunterkunfts-Standort fallen zu lassen. Deshalb wird von uns aus übrigens auch die Elfenwiese immer noch geprüft, allerdings nicht als Alternative zum Rönneburger Stieg, sondern zusätzlich.“

Was die Anwohner so gegen die Unterkunft einnimmt, ist die Tatsache, dass unweit der jetzt geplanten Unterkunft bereits einmal eine Unterkunft für Spätaussiedler stand. 400 Menschen lebten hier in Wohncontainern. Die Unterkunft war zunächst auf fünf Jahre befristet, wurde weitere fünf Jahre verlängert und nach zwölf Jahren erst durch eine Klage vor dem Verwaltungsgericht durch dieses aufgelöst. Wo einst die Wohncontainer standen, stehen jetzt Reihen-und Einzelhäuser. Deren Bau war auch mit dem losen kommunalpolitischen Versprechen verbunden, dass dadurch eine weitere Unterkunft auf dem Gelände verhindert würde. Nun entsteht eine knapp 100 Meter weiter westlich. „Mit der Unterkunft gab es nur Ärger“, schimpft Anwohner Helmut Mrugalla und seine Nachbarn applaudieren. Konkreter: Außer permanenten Ruhestörungen gab es einen ungeklärten Fahrraddiebstahl.

Beate Schmid-Janssens Einwand, dass die Situation von damals nicht mit den Plänen von heute vergleichbar sei, wollten die Anwohner nicht gelten lassen: „Ich weiß nicht, wie so ein Modulhaus aussieht, aber das ist bestimmt nicht besser, als die Container“, sagte ein Anwohner.

Nur wenige der Anwesenden berichteten von positiven Erfahrungen aus der Flüchtlingsbetreuung anderswo in Harburg – zu unzufriedenem Grummeln der Mehrheit. Lautstark unterbrochen wurden sie allerdings nicht. Das erlebten nur der Moderator und die Referenten.