Jesteburg. „Glücksmomente“ in Jesteburg: Der neue Shop von Vanessa Veh ist auch eine Präsentationsfläche für Produkte von Kunsthandwerkern.
Wie nah Pech und Glück, Niedergang und Aufbruch im Einzelhandel beieinander liegen können, zeigt die Hauptstraße in Jesteburg. Während der Ausverkauf im Geschäft „Vintage & mehr“ von Kirstin „Kiki“ Sauermann seit dem Jahreswechsel läuft (das Abendblatt berichtete), hat auf der anderen Straßenseite am 6. Januar der Laden „Glücksmomente“ von Vanessa Veh seine Pforten geöffnet.
Ob das nicht ein großes Wagnis ist, wenn direkt gegenüber gerade ein Geschäft schließt, das ebenfalls mit Deko- und Wohn-Accessoires, Geschenken und Kleidung gehandelt hat, wollen wir wissen. „Nein“, wehrt Vanessa Veh vehement ab. Das Konzept ihres Ladens sei ja ganz anders und mit dem von „Vintage & mehr“ nicht zu vergleichen.
Nicht nur, dass Bekleidung, abgesehen von einer kleinen Kollektion an Kindermode, in ihrem Sortiment eine eher untergeordnete Rolle spiele. Der entscheidende Unterschied bestehe im Charakter ihrer Lieferanten. Denn dabei handele es sich zumeist nicht um Händler von Massenware und eingeführter Marken, sondern zumeist um Heimproduzenten von (kunst)handwerklichen Waren.
„Natürlich haben wir im Kleinmöbelbereich auch bekannte Lieferanten wie Ib Laursen und padConcept im Bereich der Wohntextilien. Das Gros unseres Angebots besteht aber aus Artikeln, die mit viel Liebe und Herz von Künstlern und Handwerkern hergestellt worden sind“, erklärt die 42 Jahre alte Inhaberin.
Um ihnen eine permanente Präsentationsfläche zu bieten, vermietet sie Regalfächer in ihren Laden. Der laufende Meter kostet 30 Euro im Monat. Ihre Partner könnten sich alternativ aber auch dafür entscheiden, 25 Prozent des Verkaufsumsatzes als Provision zu zahlen. Vier Aussteller hatte sie schon vor der Eröffnung akquiriert. Inzwischen sind es bereits zwölf.
Vanessa Veh sieht in ihrer Geschäftsidee eine Win-Win-Situation. Die Kunsthandwerker, die sich wegen ihres begrenzten Produktionsumfanges in der Regel kein eigenes Geschäft leisten könnten und für den Vertrieb zumeist auf Märkte und Messen angewiesen seien, fänden in ihrem Laden ein anziehendes Handelsumfeld ähnlicher Waren. „Und ich kann ein vielfältiges, attraktives Sortiment anbieten, das zum Stöbern und Entdecken animiert“, so Veh. Die selbst gern bastelt und seit vielen Jahren Karten und Blechdosen herstellt.
Mit dem Schritt in die Selbstständigkeit hat sie schon lange geliebäugelt. Elf Jahre ist sie als Stewardess durch die Welt geflogen und arbeitete später als Bürokraft in einem Rechtsanwaltsbüro. Während der zweieinhalbjährigen Elternzeit reifte dann der Plan für ihr Geschäft „Glücksmomente“. Für das sie von ihrem Ehemann, der im Hamburger Hafen eine Barkasse betreibt, volle Unterstützung erhielt.
Es habe allerdings einige Zeit gedauert, um das geeignete Mietobjekt zu finden. „Es ist schon erstaunlich, welche Mieten selbst in einem kleinen Ort wie Jesteburg aufgerufen werden“, so Veh. Deshalb sei sie umso glücklicher gewesen, dass sie nach langer Suche auf den Laden mit Kellerraum in der Hauptstraße 86 gestoßen sei. Wo zuvor eine Reinigung und das Büro eines Umzugsunternehmen für Senioren waren, sei die Miete angemessen.
Auf den 50 Quadratmetern finden sich jetzt Taschen, Buchhüllen und Leseknochen ebenso wie die Schmuckkollektion einer Hamburger Designerin und bunte Hundekörbchen. Und das Kellergeschoss ist längst umgewidmet in eine Kreativwerkstatt„Es ist ein tolles Gefühl, mir diesen Traum erfüllt zu haben und nun in meinem eigenen Reich zu stehen“, sagte Vanessa Veh dem Abendblatt. Zumal sie damit auch Beruf und Familie wesentlich besser in Einklang bringen könne.
Neue Mieter hat im Übrigen auch das „Sammanns Hus“ in der Hauptstraße 26 gefunden. Die Eigentümerfamilie hat jenen Teil des Fachwerkhauses neu vermietet, in dem früher das „Antikcafé“ angesiedelt war. Dort haben am vergangenen Sonnabend drei Hamburger Journalistinnen ihr „CaféBook“ neu eröffnet. Wo es künftig auch Live-Musik und Live-Musik geben soll.
Romanowski fordertKonzept für Einzelhandel
Für Edgar Romanowski, Ende der 1990er-Jahre Mitbegründer des Jesteburger Gewerbekreises, sind das gute Nachrichten. Dennoch hält er den jüngsten Vorstoß des SPD-Ortsvereinsvorsitzenden Steffen Burmeister für richtig und wichtig, der angesichts der bevorstehenden Schließung des Ladens „Vintage & mehr“ vor einem „langsamen Sterben des Einzelhandels“ in der Seeve-Gemeinde gewarnt hatte.
„Es ist gut, dass die Kommunalpolitik endlich aufgewacht ist. Dorffest und Maibaum reichen nicht, um auch in Zukunft ein florierendes Geschäftsleben in Jesteburg zu sichern“, so Romanowski. Es müsse endlich über ein langfristiges Konzept nachgedacht werden, wie die Geschäftswelt des Ortes nachhaltig belebt werden könne. Dabei seien auch die Gemeindeverwaltung und der Gewerbekreis gefordert, dem er seit Mitte des Vorjahres nicht mehr angehört.
Romanowskis Appell wendet sich indes auch an die Jesteburger: „Wenn die lokalen Geschäften nicht mehr genug Umsatz machen, werden sie schließen. Damit würde der Ort aber viel von seiner Attraktivität einbüßen.“