Harburg/Winsen. Unternehmen orientieren sich neu. Das Größte Lager errichtet Amazon in Winsen. Immobilien-Beratungsunternehmen legt Studie vor.

Der Hamburger Süden und der Landkreis Harburg sind 2016 die großen Gewinner bei der Ansiedlung von Unternehmen. 53 Prozent aller Industrie- und Gewerbeflächen wurden im vergangenen Jahr in diesem Bereich vermittelt. Das geht aus einer Studie des Hamburger Beratungs- und Vermittlungsunternehmens von Engel&Völkers Commercial hervor, deren erste Ergebnisse dem Abendblatt vorliegen.

„Die Entwicklung in Richtung Süden gibt es seit zwei bis drei Jahren. Das Ergebnis liegt jetzt noch deutlich über den hohen Erwartungen“, sagte Tobias Heine, der stellvertretende Leiter Industrie von Engel&Völkers Commercial dem Abendblatt. Er geht dabei davon aus, dass der Trend noch weitere zwei bis drei Jahre anhalten wird.

Harburg, vor allem aber der Landkreis Harburg, werden mit diesen Ansiedlungen immer mehr zu einer Alternative für den nördlich der Elbe gelegene Teil der Hansestadt, wo es immer weniger große Flächen zu vermitteln gibt. „Wenn bekannte Anker-Unternehmen in den Süden kommen, ziehen weitere nach“, sagte Heine. In Winsen ist das bereits gelungen.

Denn der Online-VersandhandelsRiese Amazon wird Ende 2017 sein Logistikzentrum im Gewerbegebiet Luhdorf eröffnen. Dort sollen schon im ersten Schritt 1000 unbefristete Arbeitsplätze entstehen.

Amazon will 90 Millionen Euro investieren und rechnet mit weiteren 110 Millionen Euro, die von Geschäftspartnern kommen sollen. Mit einer Fläche von 64.000 Quadratmetern war Amazons Einstieg im Norden die größte Transaktion von Industrie und Gewerbe im abgelaufenen Jahr.

Typisch auch, dass Amazon als Mieter auftritt. Denn 83 Prozent aller Flächen wurden in dieser Wiese übernommen. Immer weniger Firmen wollen Grundstücke kaufen. Hintergrund dafür ist nach der Studie, dass spekulativ – also ohne bereits feststehende Interessenten – bereitgestellte Flächen vor allem als Mietobjekte konzipiert werden.

Das gilt auch für den Immobilienentwickler IDI Gazeley, der für seine Hallen in Winsen zunächst eher an Mittelständler und Handwerker als Nutzer gedacht hatte. Amazon nahm dann gleich alles. „Auch in Rade an der Autobahn 1 konnten spekulativ gebaute Hallen für Lager und Produktion rasch vermietet werden“, sagte Industrie-Leiter Heine von Engel&Völkers.

Top-Lagen seien inzwischen nahezu vollvermietet, so dass mit solchen Neubauten auch im südlichen Umland neue Flächen geschaffen werden. Schon jetzt liegt der Kreis Harburg beim Zuzug von Firmen und Existenzgründern bundesweit auf Platz zehn.

Heine rät vor allem den Städten und Gemeinden im Landkreis Harburg weiter Flächen zu entwickeln, um sie in zwei bis drei Jahren anbieten zu können. Doch die Vorsorge reiche derzeit „deutlich nicht aus“, sagt René Meyer, Prokurist und stellvertretender Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung im Landkreis Harburg (WLH). Wie eng die Lage ist, zeigt sich beispielsweise in Hittfeld. Dort ist das neue Gewerbegebiet noch gar nicht erschlossen. „Doch alle Grundstücke sind entweder vertraglich gesichert oder fest reserviert“, weiß Meyer.

Für den Landkreis Harburg ergibt sich mit dem Interesse der Unternehmen nun vor allem die Chance, mehr sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze zu schaffen. Denn derzeit kommt auf fünf Einwohner nur ein solcher Job, in Niedersachsen beträgt das Verhältnis knapp eins zu drei, für Westdeutschland liegt es sogar noch etwas höher.

„Wir haben im Landkreis also noch Nachholbedarf“, sagt Meyer. Im Bezirk Harburg, dessen Arbeitslosigkeit gut doppelt so hoch liegt wie im Kreis, könnten die Neuansiedlungen helfen, Jobs im Umland zu besetzen.

Gleichzeitig müssen für neue Mitarbeiter Wohnungen her. Um bezahlbare Mieten bieten zu können, will der Landkreis über eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft 1000 Wohnungen errichten. „Die Politik diskutiert das Thema. Aber sie muss auch die wirtschaftliche Entwicklung im Auge behalten“, sagt WLH-Prokurist Meyer. „Wir sehen zwischen Wohnraum und Jobs einen klaren Zusammenhang.“ Immerhin: Winsen, Hanstedt, Egestorf und Salzhausen können noch Gewerbeflächen bieten.

Insgesamt stieg die Nachfrage nach Industrie- und Gewerbeflächenfür Hamburg und Umland 2016 auf das höchste Ergebnis seit 2011. Der Flächenumsatz von 665.000 Quadratmetern liegt um 10,8 Prozent über dem Vorjahresergebnis (2015: 600.000 Quadratmeter) und klar über dem Zehn-Jahresdurchschnitt von 494.000 Quadratmetern, so Engel&Völkers.

„Der Leerstand wird sich weiter verringern“, ist Heine sicher. Hält der Trend an, hat der Süden alle Chancen, weiter davon zu profitieren.