Harburg . Barbara und Jürgen Hinnah sind in eine altengerechte Wohnung gezogen. Teil 3 der Abendblatt-Serie „Die neuen Nachbarn im Harburger Binnenhafen“.
150, 75 und jetzt 56. Für den Rest ihres Lebens. 56 Quadratmeter, auf denen Barbara Hinnah und ihr Mann Jürgen die Zeit verbringen wollen, die ihnen noch bleibt. Zwei Zimmer, alles barrierefrei. Mitten im Channel Hamburg. Von Buchholz über Sinstorf hat es das Ehepaar jenseits der 70 nach Harburg in den Binnenhafen verschlagen.
Seit Oktober gehören sie zu den Mietern der 140 öffentlich geförderten Wohnungen gegenüber dem Silo 16 am Schellerdamm, die die Unternehmensgruppe Sahle-Wohnen in diesem Sommer fertig gestellt hat. 102 der 140 Wohnungen sind für Senioren. Raum für Menschen Ü60 also, die komfortabel und zentral zwischen Hafenbetrieben, Unigebäuden und High-Tech-Unternehmen ihren Lebensabend verbringen wollen.
Mittendrin also. Dort, wo das Leben pulsiert, wo experimentiert und geforscht, gebaggert und gebaut wird, hat es das Ehepaar Hinnah gezogen. Fort aus dem beschaulichen Dörfchen Dibbersen bei Buchholz, fort aus der ruhigen Wohnung in Sinstorf. Rein in den Hafen. Im Oktober sind sie eingezogen. Damit gehören die Hinnahs zu den ersten Mietern in den roten Backsteingebäuden am Schellerdamm.
„Wir wollten noch einmal etwas Neues wagen“, sagt Barbara Hinnah. „Etwas, das wir auch bewohnen können, wenn wir nicht mehr ganz so mobil sind.“ Es sollte altersgerecht sein, nicht aber altmodisch. Schließlich fühlt sich das Ehepaar, sie 72, er 75 Jahre , alles andere als alt.
Dass es ausgerechnet eine Wohnung im Hafen sein muss, ist vor allem Jürgen Hinnahs Faible fürs Wasser zu verdanken. Der Wilhelmsburger ist als Inseljunge aufgewachsen, hat bei der Werft Blohm & Voss als Industriekaufmann gearbeitet. Immer am Fluss. Für seine Frau, die er 1967 heiratete, zog er nach Dibbersen.
Sie mieteten eine Wohnung, bauten 1982 ein Haus auf dem Lande. Schließlich sollte Sohn Alexander in der Natur aufwachsen. 2012 verkaufte das Ehepaar Haus und Garten. „150 Quadratmeter für zwei Personen, das war uns zuviel“, sagt Barbara Hinnah. Sie mieteten eine Wohnung, 75 Quadratmeter groß, im Stadtteil Sinstorf. Als sie in einem Zeitungsartikel über die neuen ambitionierten Wohnprojekte im Harburger Binnenhafen lasen, wussten beide sofort: „Das ist was für uns!“
„Wir wollten näher ins Zentrum, so dass wir S-Bahn, Wochenmarkt, Theater fußläufig erreichen können“, sagt Jürgen Hinnah, „und das Auto nur noch zum Wasserkistenholen brauchen.“ Jetzt machen sie fast alles zu Fuß. Nutzen die Gastronomie rundherum, genießen ihr „Feierabendbier“ bei Rosi im Harburger Fährhaus und spazieren zum Brötchenholen am Sonnabend in die Harburger Fußgängerzone.
Statt des Gartens genießen sie ihren Balkon, sechs Quadratmeter groß. Platz für zwei Stühle, einen Tisch und das Olivenbäumchen. Als der Umzug geschafft war, haben die beiden dort auf den neuen Lebensmittelpunkt angestoßen.
Sorge, dass es ihnen langweilig werden könnte, jetzt, wo der große Garten, die vielen Quadratmeter, die gepflegt werden wollen, fehlen, haben die Hinnahs nicht. Denn neben den vielen Freunden, die kommen, gibt es sogar ein internes Programm für die Bewohner im Haus Nr. 13. Organisiert wird es von der gemeinnützigen Initiative Parea.
Sie wurde im Jahr 2000 vom Wohnungsbauunternehmen Sahle initiiert und ist bislang einzigartig. Ziel der Aktivitäten ist, soziales Engagement in den Mieterschaften von Großwohnsiedlungen zu fördern, die Wohn- und Lebenssituation in den Siedlungen und angrenzenden Quartieren zu verbessern und das Wohnumfeld lebenswerter zu gestalten.
Das Konzept umfasst spezifische Angebote für unterschiedliche Altersgruppen. Darunter sind zum Beispiel Bewohnercafés, Mutter-Kind-Gruppen, Tanzgruppen, multikulturelle Kochgruppen und, wie hier im Channel Hamburg, Seniorentreffs.
35 Euro monatlich zahlen Barbara und Jürgen Hinnah dafür, dass sie dabei sein dürfen, wenn es zusammen ins Theater geht, im Gemeinschaftsraum zum Spielenachmittag und Klönschnack geladen wird, man sich zum Spaziergang durchs Quartier trifft oder zusammen fit in den Tag startet.
„Bei uns muss sich niemand einsam fühlen“, sagt Iwonn Passehl, Kundenbetreuerin bei Sahle. „Lebensfreude in der Gemeinschaft zu erleben, ist unser Ziel.“ Gesellige Treffen, Veranstaltungen und Feste sollten dazu dienen, den Kontakt der Hausbewohner untereinander zu fördern.
Noch haben die Hinnahs keine Zeit gefunden, neue Freundschaften im Hause zu knüpfen. Denn erstmal müssen die alten Freunde ins neue Domizil geladen werden. Jene, die gestaunt haben, wie mutig die Hinnahs sind, sich ohne Not auf 56 Quadratmeter zu verkleinern. Und ausgerechnet im Alter in ein Quartier zu ziehen, das noch so jung ist und sich ständig verändert.
Barbara Hinnah findet, dass das zu ihnen passt. Flexibel zu sein, unkompliziert zu denken und bisweilen zu improvisieren. „Alles andere wäre langweilig“, sagt sie. „Wer kommt, muss eben seinen Stuhl mitbringen. Oder im Stehen feiern.“