Harburg/Lüneburg . Geburtsstation schließt in der Asklepios-Klinik Harburg zum Jahresende. 38 Mitarbeiter bekommen neue Aufgaben.

Friedlich schlummert der kleine Antonio in den Armen seines Vaters, während die Mutter mit der Hand sanft über die braunen Locken des Jungen streichelt. Antonio wiegt 3900 Gramm und er ist ein waschechtes Weihnachtskind: Am 25. Dezember um 11.17 Uhr erblickte er im Kreißsaal der Asklepios Klinik Harburg das Licht der Welt. Mit seinen braunen Augen blinzelt der kleine Junge neugierig in die für ihn unbekannte Welt. Was er noch nicht wissen kann – und was ihn auf ganz besondere Weise so einmalig macht: Antonio ist das letzte Baby, das in der Geburtenstation der Klinik zur Welt kam. Denn die Station wird zum Jahresende aufgelöst.

„Wir sind sehr glücklich, hier zu sein und den Kleinen hier in der Asklepios Klinik Harburg gesund zur Welt gebracht zu haben“, sagt Christine Ponce-Munioz, die Mutter des Kindes. Sie lebt gemeinsam mit ihrem Mann Jorge Ponce-Munioz seit viereinhalb Jahren in einer Wohnung in Harburg-Eißendorf. „Wir haben uns in Chile kennengelernt. Ich war dort als Austauschstudentin“, verrät die Mutter (35), die mittlerweile als Studienrätin am Gymnasium Herderschule in Lüneburg Spanisch und Englisch unterrichtet. Ihr Mann Jorge (34) ist ebenfalls Lehrer: Er unterrichtet an der Kooperativen Gesamtschule Sittensen Spanisch und Kunst.

Familiäre Umgebung

Dass ihr Sohn Antonio nun im selben Krankenhaus und auf derselben Station zur Welt gekommen ist, wie vier Jahre zuvor ihre gemeinsame Tochter Leonor, empfindet das Paar als Glücksfall. „Hier hat man nicht das Gefühl, in einem Krankenhaus zu sein, es ist eher wie auf einer Insel. Es ist sehr familiär. Das werden andere Menschen nun leider nicht mehr erleben können“, sagt der Vater.

„Wir finden es sehr schade, dass die Station geschlossen wird“, ergänzt die Mutter. „Die Geburtenstation hat einen sehr guten Ruf. Die Menschen kommen sogar aus Buchholz, um hier zu entbinden. Dass das nun alles aus Kostengründen zum Jahresende verschwindet, ist für uns nicht nachvollziehbar.“ Zum 1. Januar wird das Mariahilf-Krankenhaus die Geburten in Harburg übernehmen. Die 38 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Geburtenstation im AK Harburg – darunter acht Ärzte, 15 Hebammen und 15 Kinderkrankenschwestern – arbeiten künftig in den Asklepios-Kilinken Altona, St. Georg, Barmbek, wechseln zum Mariahilf-Krankenhaus oder in die Geburtshilfeabteilungen anderer Häuser.

Für das Team gab es bereits eine kleine Abschiedsfeier, bei der auch der Chefarzt und der geschäftsführende Direktor der Klinik dabei waren. „Es wird niemand entlassen“, betont Asklepios-Sprecherin Stefanie Pohl. Die gynäkologische Abteilung im AK Harburg bleibt noch bis zum 30. Juni 2017 geöffnet.

Seit 1949 hatte es am AK Harburg eine Geburtenstation gegeben. Zehntausende Harburgerinnen und Harburger haben hier das Licht der Welt erblickt. Wie viele es genau sind, lässt sich nach all den Jahren nicht beziffern. „Wir beobachten seit den vergangenen Jahren im AK Harburg einen leicht rückläufigen Trend bei den Geburtenzahlen“, sagt Asklepios-Sprecher Mathias Eberenz. So sei die Anzahl von rund 800 Neugeborenen pro Jahr in den letzten Jahren auf rund 700 gesunken. Im Jahr 2015 wurden 736 Geburten verzeichnet, in diesem Jahr sank die Zahl auf 690. Was künftig in den Räumen der Station mit 16 Betten geschen wird, steht noch nicht fest.

Unterdessen schmiedet die junge Familie Ponce-Munioz mit ihrem Nachwuchs bereits konkrete Zukunftspläne. „Wir werden aus unserer kleinen Wohnung in Eißendorf wegziehen. Nach Lüneburg, wir bauen gerade ein eigenes Haus“, sagt die Mutter. Den Namen für den kleinen Antonio haben sich die Eltern übrigens gemeinsam ausgedacht. Leonor war bei der Namensfindung dabei. „Wir wollten unserem Kind einen spanischen Vornamen geben, den man auch in Deutschland gut aussprechen kann“, sagt der Vater. „Antonio, Anton, das passt doch gut“, ergänzt die Mutter.

Ursprünglich stammt der Name Antonio aus dem Römischen, genauer gesagt von den Etruskern. Er bedeutetet so viel wie „preiswürdig, unschätzbar, unkäuflich“. Die Eltern wollen für den lütten Harburger die doppelte Staatsbürgerschaft beantragen – die chilenische und die deutsche.

Das ist der kleinen Leonor erstmal egal: Sie zupft lieber an Antonios weißem Strampler herum und findet es „gut“ , wie sie sagt, dass sie einen kleinen Bruder hat. Gestern Vormittag hat die Familie die Geburtsstation im AK Harburg verlassen. „Es war schon ein komisches Gefühl“, sagt der Familienvater. „Wir waren die Einzigen, die noch da waren. Alle Räume standen leer.“