Marmstorf/Wilstorf. Der Werftangestellte wird jedes Jahr für drei Tage zum Facheinzelhändler. Feuerwerksenthusiasten lieben seinen Laden

Ein Lastwagen voller Sprengstoff ist eigentlich dramaturgisches Material für Actionfilm-Handlungen. Kameras, Scheinwerfer und genervte Regieassistenten fehlten allerdings völlig, als gestern zwei Fachlogistiker ganz entspannt den Lkw entluden, der auf dem Parkplatz des Wilstorfer Schützenheims gehalten hatte. Für drei Tage wird das Haus am Freudenthalweg zum Mekka für Norddeutschlands Feuerwerksfreaks. Oliver Graetzer öffnet seinen Laden. 362 Tage im Jahr ist er als Angestellter bei einem großen Schiffbauunternehmen tätig. In den drei Tagen vor dem Jahreswechsel ist er Chef von „Graetzer Einzelhandel“ – und auf Knaller, Kracher und Effekte spezialisiert.

Angefangen hat alles vor ein paar Jahren. Oliver Graetzer war vom Feuerwerkseinkauf vor Silvester genervt. „Die Vorfreude auf den Einkauf gehörte für mich immer zu den Feiertagen, und wenn ich die Sachen dann hatte, die Vorfreude auf Silvester“, sagt er. „Nur wurde das Einkaufen von Jahr zu Jahr frustrierender“.

Immer weiter hatte sich der Feuerwerksverkauf vor dem Jahreswechsel in Supermärkte verlagert. Die boten vorkonfektionierte Plastiktüten mit Raketen, Krachern und Heulern an. „Die Eisenwarenhändler und Drogerien sind ja verschwunden“, sagt Graetzer. „Dort hat man noch Einzelteile und Beratung bekommen.“

Als dann die europäische Harmonisierung der Feuerwerksvorschriften einsetzte, und damit auch in Deutschland höhere Sprengstoffmengen in den Feuerwerkskörpern erlaubt wurden hegte Graetzer die Hoffnung, dass nun mehr Vielfalt in die Regale einzieht, aber er wurde wieder enttäuscht. Dann beschloss er, selbst tätig zu werden. Er gründete seine Firma, büffelte Vorschriften, holte Informationen ein und ließ sich von den immensen Auflagen dieses Geschäfts nicht abschrecken.

Die ersten Jahre verkaufte Oliver Graetzer seine Ware in der Bremer Straße. Die Räume waren die einer Fahrschule, die zwischen den Jahren geschlossen hatte. Mittlerweile ist die Fahrschule allerdings umgezogen und in den Büroräumen dort ist es ohnehin zu eng geworden, denn Oliver Graetzer hat Erfolg. „Über Internetforen hat sich mein Geschäft herumgesprochen“, sagt er. „Ich habe mittlerweile Kunden aus ganz Norddeutschland und zum Teil sogar aus Dänemark. Einige ganz Enthusiastische kaufen bei mir für vierstellige Beträge. Ich habe da schon einige Vorbestellungen, die in diesen Bereich gehen.“ Der Trend geht zu immer größeren Effektbatterien. Mit denen lassen sich vierstellige Beträge auch schnell erreichen. Die größte heißt „Mammoth“ aus der Serie „Soviet Shooters“, macht zweieinhalb Minuten lang mit 288 Schuss ein durchkomponiertes Höhenfeuerwerk und kostet 189 Euro. Mit einer Nettoexplosivmasse von fast vier Kilo muss die „Mammoth“ in zwei Teilen abgegeben und vor Ort montiert und verbunden werden. Oliver Graetzer gibt beim Verkauf eine Beratung dazu. Er kennt Vorschriften und Handgriffe.

Es geht allerdings auch günstiger und trotzdem exklusiv: „In diesem Jahr habe ich etwas für Nostalgiker gefunden“, sagt Graetzer, „handgedrehte Böller, mit grauer Lunte, wie in meiner Kindheit. Die stammen aus europäischer Produktion, sind daher leider etwas teurer, als die China-Ware.“

Reich wird Oliver Graetzer auch in diesem Jahr mit seinem Dreitage-Gewerbe nicht. Um die Genehmigung zu bekommen, musste er Baupläne des Wilstorfer Schützenheims einreichen und einen Architekten zahlen. Die Lagerung der Ware beim Gefahrgutspediteur kostet wie auch die nächtliche Bewachung des Geschäfts viel Geld. „Aber so lange ich kein Minus mache und hier Spaß habe, mache ich das weiter“, sagt Graetzer.