Craft Beer – An der Bunthäuser Spitze gehen drei junge Männer mit frischen Zutaten neue Wege in der Braukunst.

Genau 110 Jahre nachdem die Brauerei auf dem Amtshof in Kirchdorf den Betrieb eingestellt hat, produzieren Brauer wieder ein Bier von den Elbinseln. Unter dem Label Bunthaus Brauerei arbeitet die Hinrichs, Meißner, Block GbR in Moorwerder diesseits und vor allem jenseits des deutschen Reinheitsgebotes an nichts Geringerem als einer neuen Braukultur. „Biertechnisch leben wir noch in der Steinzeit“, sagt der Brauer und Diplom-Biologe Jens Block. Das ist ein Schlag ins Gesicht für alle, die Deutschland für Bier-Weltmeister halten.

Rund um das Thema Craft Beer hat sich eine pulsierende Szene entwickelt. Genießer sind von dem Einheitsgeschmack des industriell produzierten Bieres gelangweilt. Mini-Brauereien entwickeln unkonventionelle Geschmacksrichtungen und beleben alte Brautraditionen, als es noch üblich war, dem Bier Kräuter zuzufügen.

Die Craft-Beer-Szene in Deutschland liegt zwar nur bei einem Prozent Marktanteil. Kleinstbrauereien sorgen aber für ein kontinuierliches Wachstum der Braustätten, eine Renaissance des Bieres und mischen den Markt auf.

Das Wilhelmsburger Bier entsteht in einem Gebäude der früheren Stackmeisterei Bunthaus. An der Bunthäuser Spitze teilt sich die Elbe auf einer Länge von 15 Kilometern in die Norder- und Süderelbe und bildet ein Binnendelta. Nirgendwo in Wilhelmsburg als im Ortseil Moorwerder ist die Flussinsellage prachtvoller sichtbar.

Die Tideauenwälder des benachbarten Naturschutzgebietes Heuckenlock stehen exakt für die Reinheit der Natur, die Großbrauereien in Fernsehwerbespots so unglaubwürdig mit Flaschenbier trinkenden Männern inszenieren. Als wenn sie die schweren Gefäße kilometerweit an die abgelegensten Bäche in den Wald geschleppt hätten. Der naturnahe Standort eröffnet den Wilhelmsburger Brauern auf jede Fall Vermarktungschancen.

Jens Heinrich und Jakob Meißner brauen seit zehn Jahren Bier. Im Hauptberuf sind sie Programmierer. Bei der Verkostung ihrer Biere stieß Jens Block dazu. Ein Ale erschien den Freunden so lecker, dass es eine Schande wäre, das Genussmittel aus gemälzter Gerste nicht zu verkaufen. So gärte die Idee, eine Brauerei zu gründen.

Der Biologe Jens Block hat mit seinem Speisepilzlabor bei dem Pop-Läden-Festival im Jahr 2015 im Wilhelmsburger Reiherstiegviertel für Aufsehen gesorgt. Mit dem spektakulären Urban-Farming-Projekt schuf er einen Kreislauf, mit Hilfe benutzter Kaffeefilter Speisepilze für Restaurants zu züchten.

Wirtschaftlich war das nicht, aber etwas, über das die Leute redeten. „Mich interessieren Storys von Lebensmitteln“, sagt Jens Block. Und die will er jetzt mit der Entwicklung der Braukultur erzählen. Der Biologe könnte sich vorstellen, versuchsweise in Zusammenarbeit mit einem Landwirt Hopfen auf der Elbinsel anzubauen.

Die Wilhelmsburger Brauer wollen mit hochwertigen Zutaten unkonventionelle Geschmacksrichtungen entwickeln. Mit mehr als 30 verschiedenen Malzen und 20 Hopfensorten tüfteln sie Biere aus. Holunder, Stachelbeere, Koriander, Lakritz oder wegen der Farbe Rote Beete finden sich im Braukessel wieder. „Wir wollen diese wahnwitzige Vielfalt. Ich möchte mehr als nur Pils trinken. Ich wünsche mir in der Kneipe acht, besser noch 20 Zapfhähne“, sagt Jens Block, der als Bierbrauer bekennender Weintrinker ist.

Einst hat der Hopfen die Bierwelt verändert. Heute verändert das Bier die Hopfenwelt. Bier könne wunderbar in alten Whiskeyfässern gären. Dann erhalte es einen Geschmack, der zu Wildbraten passe, schwärmt Jens Block. Ein Bier, das zu Weihnachten schmeckt.

Sechs Wochen dauert in etwa ein Braugang. Mit der kleinen Zwei-Hektoliter-Brauanlage im Sudhaus am Moorwerder Hauptdeich, zusammengekauft und zusammengesetzt aus Komponenten verschiedener Brauerein, produziert die Bunthaus Brauerei limitierte Editionen. Ein Massengeschäft ist damit nicht möglich. „Wir sind nicht der Bierlieferant der Insel“, sagt Jens Block.

Die Bunthaus Brauerei füllt Fässer ab. Eine Flaschenabfüllung gilt noch als zu aufwendig, ist aber als „Fabrikverkauf“ im nächsten Jahr vorgesehen. Wer im Hafengebiet braut, unterliegt Auflagen. Eine Kneipe zu betreiben, ist den Brauern nicht erlaubt. Hygiene spielt eine wichtige Rolle. Brauen bedeute zu 80 Prozent putzen, sagt Jens Block und zeigt auf die Schläuche und Dichtungen im Sudhaus.

Die Vermarktung richtet sich an Gastronomen. Wer sich mit besonderen Speisen positioniert, wolle doch dazu nicht ein profanes Industrieprodukt der Bierkonzerne verkaufen, so die Idee. Die Bunthaus Brauerei garantiert dem Restaurant ein einzigartiges Bier.

Zurzeit vertreibt der neu eröffnete Burgerladen „Williamsburger“ exklusiv das Wilhelmsburger Bier. Eine Woche vor Weihnachten kommt eine streng limitierte Edition in Flaschen auf dem Markt. Der Verkauf erfolgt über den Laden „Quiddje“ und das Restaurant Wiliamsburger, beide in der Veringstraße.

Um der Brauerkunst eine neue Geschichte hinzuzufügen, hat die Bunthaus Brauerei dazu eine ganz besondere Geschmacksrichtung entwickelt und ein Lakritz Milk Stout angesetzt. Einfach mal probieren!

Geschichte des Kirchdorfer Bieres

Auf dem Amtshof in Kirchdorf ging vermutlich um das 1679 herum, so die Schätzung, eine Brauerei in Betrieb.

In diesem Jahr legte der Kunstmeister Jakob Reinßdorf Röhren
aus dem Burggraben
durch den Garten des
Amtshofes, um das
benötigte Wasser mit Pumpen direkt bis in die Brauerei zu leiten.

Ein neues Brauhaus mit drei Stockwerken wurde im Jahr 1735 gebaut. Unter dem Bauhaus war ein Malz- und Bierkeller mit drei Tonnengewölben untergebracht.

Auf fremdes, ausländisches Bier war eine Abgabe fällig. In der Hoopter Schanze, in Bullenhausen, Götjensort und Reiherstieg waren beeidigte Steuereinnehmer, besonders für Hamburger Bier, stationiert. Die Steuereinnahmen waren beträchtlich.

Im Jahr 1806 endete das Brauen in der Amtshof-Brauerei.
Das Bier versiegte.

Quelle: Wilhelmsburger Zeitung, 19.9.1939.