Harburg . Backwaren vom Fließband? Nein: In einigen Harburger Handwerksbäckereien werden Stollen und Zimtsterne noch selbst gemacht

Es riecht nach Weihnachtsgebäck, schwere Backbleche werden durch die Backstuben getragen, filigran der Zuckerguss aufgetragen – so zumindest die Idealvorstellung im eigenen Kopf beim Kauf von Stollen und Zimtsternen. Aber nur noch wenige Bäckereien können diese Handwerkstradition des Selber Backens aufrechterhalten. Zwei Harburger Bäcker, die den tiefgefrorenen Teiglingen trotzen sind Peter Becker aus Marmstorf und das Ehepaar Iris Janeke und Anton Rutterschmidt aus Eißendorf.

Große Fenster umgeben Backstube und Verkaufsraum von Bäcker Becker, die insgesamt 330 Quadratmeter umfassen. „Unsere Kunden können im Vorbeigehen in die Backstube schauen. Sie sehen wie ihre Brötchen hier geknetet werden“, erklärt Inhaber Peter Becker. Der persönliche Kontakt zum Kunden und das Backen als „Augenschmaus“ zu verkaufen, sind einige der Strategien, derer sich Inhaber von Bäckereien heute bedienen. Denn seit Großbäckereien in Massen Teig kneten und gefroren an Filialen liefern, seit in Supermarktregalen mit Luft gefüllte Brötchen zu Tiefpreisen verkauft werden, seitdem müssen sich selber backende Bäckermeister besonders anstrengen.

„Wir entwickeln gerade wieder einen neuen Prototyp“, sagt Anton Rutterschmidt, Inhaber der Konditorei und Bäckerei Janeke. Die Azubis Monika Zeiser und Jane Peters haben Lebkuchenrentiere und einen Rudolf aus Marzipan kreiert. Die werden sie den Kunden zum Probieren anbieten und – wenn sie gut ankommen – in größeren Mengen herstellen. „Wir haben einen großen Vorteil gegenüber der Industrie“, sagt Anton Rutterschmidt. „Wir können individueller und schneller auf die Wünsche unserer Kunden reagieren“, erklärt er und zieht ein großes Blech Stollen aus dem 200 Grad Celsius heißen Ofen. Erst Mitte November beginne man hier mit dem Backen des Weihnachtsstollens. Die Großproduktion für Supermärkte startet kurz nach Ostern.

In der Bäckerei Becker wird der Stollen ab Ende Oktober gebacken. Peter Becker lässt ihn von einer Jury der Bäckerinnung im Altonaer Mercado testen. „Ich hoffe, ich treffe auch in diesem Jahr wieder den Geschmack“, sagt er. Schafft er das drei Jahre lang in Folge, so bekomme er eine Goldurkunde und eine positive Bewertung in der Brot-App. Auf dem Bildschirm seines Smartphones zeigt er eine Karte von Hamburg und zoomt mit dem Zeigefinger einen kleinen Pfeil heran, auf dem der Name seines Familienbetriebes zu sehen ist. Die App zeigt alle bewerteten Backwaren in der Umgebung. Und: Jüngst ist die Bäckerei Becker wieder unter die 500 besten in Deutschland gewählt worden. Als eine von neun Bäckereien in Hamburg.

Handwerk bedeutet in den beiden Harburger Backstuben aber nicht vorindustrielle Handarbeit. Denn auch hier gibt es wie in den Großbäckereien Maschinen, allerdings weit weniger. „Wir nehmen die Maschinen nur, wenn die Qualität durch sie nicht gemindert wird“, sagt Peter Becker und führt das Marzipanrührgerat vor, welches dafür sorgt, dass das Marzipan besonders weich wird. „Mit den Händen und Fingern arbeiten, bleibt aber das wichtigste in unserem Beruf“, erklärt Konditorgeselle Reiner Meyer. In seinen Händen hält er eine etwa 100 Jahre alte Holzform, mit der er das Marzipan so formt, dass es wie eine Gnocchi aussieht. Anschließend schiebt er es zum „Abflämmen“ in den Ofen. Dort wird die Mandel-Zucker-Masse von allen Seiten goldbraun geröstet. Beide Harburger Bäckermeister wissen, wie wichtig es in dieser konkurrenzreichen Zeit ist, viele Stammkunden zu haben. Und sie führen lange Traditionen des Backhandwerks fort.

Die Konditorei Janeke gibt es schon seit 1899, vor dem zweiten Weltkrieg stand deren Backstube im Seeviertel, nach der Zerstörung sind sie in die Eißendorfer Straße umgezogen. Damals begann der Großvater von Iris Janeke die Spezialisierung auf Konditorwaren. Peter Becker übernahm die Bäckerei 1981 von seinem Vater. Neueinsteigern: „Eine gute Ausbildung zum Bäcker ist wichtig. Und wer eine Bäckerei eröffnet, sollte das backen, was er gut kann. Lieber ein kleines Sortiment zu Anfang und auf einen einzigartigen Geschmack konzentrieren.“