Harburg. Medical School Hamburg hat ein 2000-Quadratmeter-Areal für 300 Studenten am Schellerdamm restauriert. Ein erster Blick hinter die Kulissen

Was mit seinen Rissen und Flecken wie ein trauriges Relikt einer verblühten Industriekultur wirkt, ist heute eine Erfolgsgeschichte der postindustriellen Transformation. Die Medical School Hamburg inszeniert ihren neu eröffneten Campus im Harburger Binnenhafen in der Originalfassade der alten Seifenfabrik von Lever Sunlicht, die sich früher in dem Gebäude am Schellerdamm befunden hat. Kaum woanders in Hamburg dürfte es sich so schön studieren lassen wie in dieser stylischen und möglicherweise inspirierenden Industriekulisse.

Der architektonisch zur Schau gestellte Wandel passt zu einem Campus, der den Namen Arts and Change trägt, was so viel wie Künste und Veränderung bedeutet. Eine Kunsthochschule, wie der Name es vermuten ließe, ist die 2000 Quadratmeter große Harburger Dependance der Medical School Hamburg mit Hauptsitz in der HafenCity aber nicht. Die private Hochschule ist vielmehr davon überzeugt, dass Wirtschaft und Medizin von der Kunst lernen und profitieren können. Die Absolventen werden später als Personal Coaches Manager schulen oder als Kunsttherapeuten traumatisierten Menschen helfen. Sie arbeiten in Kliniken, Beratungsstellen oder machen sich mit einer eigenen Praxis selbstständig.

Der Studiengang Expressive Arts in Social Transformation ist ein Pionierstudiengang, einzigartig in Deutschland. Er trägt künstlerische Ansätze in nicht-künstlerische gesellschaftliche Handlungsfelder. „Wir versuchen nicht, Unternehmer zu Künstlern zu machen. Aber sie sollen improvisieren können wie Künstler, die Fähigkeit erlangen, in Umwegen zu denken“, sagt Prof. Dr. Hannes Jahn, geistiger Vater des Studiengangs und Leiter des Departements Kunst, Gesellschaft und Gesundheit.

Im Bewegungsstudio des Campus Arts and Change stiftet Prof. Mariel Renz junge Männer und Frauen zum Querdenken an. Der Student Bo-Jannik Hinrichsen probiert aus, wie es ist, einen Stuhl über dem Kopf zu tragen. Was wie Aerobic im Loft aussieht, ist ein Training zu sozialen Veränderungsprozessen. Am Vortag haben die Studierenden Skizzen gezeichnet, die eine Geschichte erzählen. Manche habenkünstlerisch das Zeug zu einer Graphic Novel, aber darauf kommt es in dem Seminar Performing Arts nicht an. Die Studierenden haben vielmehr die Aufgabe, ihre Geschichten tänzerisch in Bewegung zu übersetzen. Auch hierbei geht es um die Fähigkeit, einen Wandel im Handeln hervorzurufen.

Leben ist Veränderung. Was wie eine Weisheit klingt, die von einem Zettel im Inneren eines chinesischen Glückskekses stammt, gilt für die Biografie von Dr. Hannes Jahn. Ursprünglich hatte er Sport- und Religionswissenschaften studiert, um Lehrer zu werden. Sein Interesse an der Kunst und ihren Fähigkeiten ließ ihn aus dem Schulbetrieb in die Forschung zurückkehren. Bei seinem Masterstudium an der Europäischen Hochschule für Interdisziplinäre Studien entwickelt er vieles von dem, was der Campus Arts and Change heute vermittelt.

395 Euro pro Monat kostet das Studium am Campus Arts and Change. Manchen eröffnet die Medical School Hamburg mit Hilfe eines Stipendiums das Studium. In den zwei Masterstudiengängen Intermediale Kunsttherapie oder Kunstanaloges Coaching haben Studierende in Vollzeit oder neben ihrem Beruf die Möglichkeit, mit einem akademischen Abschluss an den Schnittstellen Kunst, Medizin und Wirtschaft einen Job zu finden.

„Es geht mir darum, etwas Sinnvolles zu tun, was der Gesellschaft hilft“, sagt Antonia Cordes, die bereits ein Bachelorstudium absolviert hat. Über die Suchbegriffe Kunst und Soziales sei sie im Internet auf das Studium Am Campus Arts und Change der Medical School Hamburg gestoßen. Auf dem Weg zur Kunsttherapeutin bemalt die 23-Jährige im Seminar ein Kissen mit verdünnter Acrylfarbe. Zunächst einmal gilt es, ein Gefühl für das Material zu erhalten. Das ist ein Mosaiksteinchen in der Ausbildung. Antonia Cordes ist aus Paderborn nach Harburg gezogen. Gleich bei ihrer ersten Bewerbung habe sie eine Wohnung gefunden, sagt sie.

Nach der Technischen Universität ist mit der Dependance der Medical School Hamburg eine zweite Hochschule in den Harburger Binnenhafen gezogen. Harburg sei wie geeignet für einen Campus, an dem sich die Lehre mit sozialen Veränderungsprozessen befasst, sagt Dr. Hannes Jahn. Hier sei ein anderer Nährboden als in einem Designerstadtteil wie der HafenCity.

300 Studierende und 15 Hochschulmitarbeiter bevölkern jetzt zusätzlich den Harburger Binnenhafen, der sich zwar dynamisch entwickelt, sich aber nach Büroschluss und am Wochenende als nahezu tot zeigt. Mit Studierenden, die sich für expressive Kunstformen begeistern, könnte mehr Leben in das Quartier einkehren. „Wir werden uns der Öffentlichkeit zeigen“, kündigt Dr. Hannes Jahn an.