Buxtehude/Cranz. Falsche Daten: Buxtehude legt Planfeststellungsverfahren für Innenstadtdeiche auf Eis. Harburg und Stade bilden Schutzgemeinschaft

Aufatmen in Cranz, Estebrügge, Hove und Neuenfelde: Die Stadt Buxtehude plant ihre umstrittenen Minideiche im Innenstadtbereich erst einmal nicht weiter. Damit sinkt die Überschwemmungsgefahr für die esteabwärts gelegenen Altländer Dörfer wieder etwas. Im Planfeststellungsverfahren hatten diese sogenannten Untenlieger massiv gegen die Buxtehuder Pläne protestiert und Einwendungen eingebracht. Diese führten nun zu einer Überprüfung der Daten aufgrund derer Buxtehude die Deiche überhaupt erst plante. Ergebnis: Die Werte sind fehlerhaft und müssen neu ermittelt werden. So lange ruht das Planfeststellungsverfahren in Lüneburg. Unterdessen haben die Landkreise Stade und Harburg für die Este eine Hochwasserschutz-Partnerschaft beschlossen.

2013 wurden die Buxtehuder Pläne bekannt, mit einer Reihe von Minideichen, Spundwänden und Flutschutzmauern die Buxtehuder Innenstadt einerseits, aber auch mögliche Entwicklungsflächen der Stadt andererseits vor möglichen Este-Hochwassern abzuschotten. Grund war das neue Wasserhaushaltsgesetz. Nach diesem Gesetz ist jede Gemeinde in der Bundesrepublik verpflichtet, ihre Überschwemmungsgebiete auszuweisen. Dabei geht es nicht, wie oft falsch angenommen wird, darum, Gebiete auszuweisen, die bei Hochwasser ruhig überflutet werden könnten, sondern darum festzustellen, welche Gebiete im Fall eines starken Hochwassers gefährdet wären. Das Gesetz ist unter anderem eine Folge der Oder- und Elbefluten, bei denen man solche Gebiete oft erst dann erkannte, wenn dort das Wasser stand.

Für Buxtehude fiel diese Überprüfung vernichtend aus: Große Teile der Innenstadt wären im Fall eines Jahrhunderthochwassers der Este überschwemmt, ergaben die Daten des Niedersächsischen Landesbetriebs Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) Nach Wasserhaushaltsgesetz bedeutet dies ein Bauverbot in allen gefährdeten Bereichen – einen totalen Stopp der weiteren Stadtentwicklung von Buxtehude, der Alptraum der Kommunalpolitik. Klar, dass Buxtehude schnell etwas ändern wollte.

Nur sprach die Hansestadt Buxtehude ihre Pläne nicht mit den betroffenen Gemeinden, Verbänden und Grundstückseigentümern flussabwärts ab, sondern teilte sie lediglich mit. Das Wasser allerdings, das Buxtehude dann nicht mehr überfluten würde, würde nun jedoch in diesen Gemeinden das Jahrhunderthochwasser noch verschlimmern und die Überschwemmungsgebiete vergrößern. Klar, dass die Unterlieger auf der Zinne waren.

Es bildeten sich Bürgerinitiativen, die Gemeinden beschwerten sich und für den kleinen Hamburger Ortsteil Cranz arbeiteten drei Fachbehörden der Freien und Hansestadt Hamburg eine gemeinsame Stellungnahme aus, die an den Buxtehuder Plänen kein gutes Haar ließ. Buxtehude würde gegen geltendes Recht verstoßen, indem es Rückhalteflächen verringere, und seinen Hochwasserschutz zu Lasten anderer verbessere, hieß es dort. Außerdem seien die Werte, mit denen Buxtehude rechnete, an den meisten Stellen des Plans nicht nachvollziehbar.

Kritik an den Daten kam auch in zahlreichen anderen Einwendungen. „So häufig und schlüssig, dass wir die Zahlen des NLWKN selbst hinterfragten“, sagt Eckhard Dittmer, Betriebsleiter der Buxtehuder Wasserwerke und für die Hansestadt Buxtehude federführend im Planfeststellungsverfahren, „und dabei fielen auch uns Ungereimtheiten auf.“

Der NLWKN muss nun neu berechnen und nachliefern. „So lange wir keine neuen Zahlen haben, lassen wir das Planfeststellungsverfahren ruhen“, sagt Dittmer, „Danach entscheiden wir, ob wir die Pläne ändern müssen, oder so weiter verfahren, wie bisher. Vielleicht besteht auch gar keine Notwendigkeit mehr, hier die Deiche zu bauen.“

Einer der wichtigsten Parameter, die offensichtlich fehlerhaft waren, ist unter anderem die Durchflussgeschwindigkeit des Hochwassers. Sie soll korrekt berechnet wesentlich höher liegen, als bisher angenommen. Damit würde sich auch weniger Wasser in Buxtehude stauen.

In Cranz ist man erfreut über die Entwicklung. „Das ist doch ein erster Erfolg“, sagt Gudrun Schittek, eine der Specherinnen der Bürgerinititiative IG Este, „aber eigentlich muss der Hochwasserschutz viel weiter oben an der Este beginnen. Am Oberlauf im Landkreis Harburg müssen Retentionsflächen geschaffen werden. Stattdessen wird dort immer mehr gebaut und versiegelt.“

Diese Entwicklung dürfte sich jetzt ändern: Am Freitag verkündete der Landrat des Kreises Stade, Michael Roesberg, dass die Kreise Stade und Harburg, eine Hochwasserschutzgemeinschaft für die Este anstreben, in der die Kreise und ihre Gemeinden gemeinsam versuchen, die Ziele des Projektes KLEE (Klimaschutz im Einzugsgebiet der Este) zu verfolgen. Die entsprechen Schitteks Forderungen nicht nur, sondern gehen darüber hinaus..

Kommt die Hochwasserschutzgemeinschaft zustande, könnte es Fördergelder vom Land Niedersachsen geben. „Ich könnte mir vorstellen, dass Hamburg auch Interesse hat, sich an der Hochwasserschutzgemeinschaft zu beteiligen“, sagte Roesberg. „Jetzt müssen alle Anliegergemeinden einschließlich der Hansestadt Buxtehude und bis hin zum Oberlauf der Este mitziehen. Es wäre schade, wenn dabei auch nur einer ausschert.“