Harburg. Geplante Schließung der Geburtenstation am AKH stößt auf immer mehr Unverständnis. Schwangere wurden dort jetzt schon abgewiesen.
Hebamme Sigrid Peek ist auf Zinne, und zwar so richtig. Unfassbar findet sie den Senatsbeschluss, der vorsieht, dass die Geburtshilfe der Asklepios-Klinik Harburg (AKH) geschlossen werden soll: „Für den Hamburger Süden ist das der Super-GAU.“ Die 61-Jährige, die seit gut 30 Jahren als freiberufliche Hebamme arbeitet und eine Praxis in Rosengarten führt, ist schlicht entsetzt – ganz so wie die 270 Harburger, die sich jetzt in einem offenen Brief an Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) wendeten, um die drohende Schließung des Geburtszentrums am AKH doch noch abzuwenden.
Der Senatsbeschluss sieht vor, dass beide Harburger Krankenhäuser – Mariahilf und Asklepios – Abteilungen schließen müssen: das AKH am Eißendorfer Pferdeweg die gynäkologische Abteilung sowie die Geburtenstation, und die Helios-Klinik Mariahilf an der Stader Straße wird im Gegenzug keine Notfälle bei Erwachsenen mehr behandeln. Diesen Plan, der angeblich schon im Juli nächsten Jahres umgesetzt werden soll, rechtfertig die Senatorin: „Im Sinne einer noch besseren Versorgung der Patienten wollen wir die jeweils vorhandenen Stärken der Kliniken ausbauen und für die Versorgung besser nutzen.“
Claudia Brase, Geschäftsführerin der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft, findet das absolut nachvollziehbar: „Das ist vernünftig und beschert Harburg und dem Umland einen enormen Qualitätssprung.“ Natürlich, Sorgen, dass es künftig bei Geburten weniger familiär und zugewendet zugehen könne, seien verständlich, aber selbst nach dem Ausbau werde die Geburtenstation am Mariahilf immer noch vergleichsweise „fein und klein“ sein: „Da muss man die Kirche schon im Dorf lassen.“ Und ja, die Pläne spiegelten eins zu eins den Trend der Zeit: „Spezialisierungen führen zu einer besseren Versorgung.“
Die Barmer GEK Krankenkasse stimmt dem vorbehaltlos zu: „Wir begrüßen die geplanten Veränderungen in der Krankenhausstruktur in Harburg. Darin sehen wir eine bessere, effektivere und damit für alle Seiten vorteilhafte Versorgung der Patienten“, sagt Frank Liedtke, Landesgeschäftsführer der Krankenkasse. Die Formel „Notfallversorgung in Asklepios, Gynäkologie und Geburtshilfe in Mariahilf“ unterfüttert die Kasse mit Zahlen: Demnach wurden im Mariahilf im vergangenen Jahr 904 Kinder geboren, im AKH gab es 363 Geburten.
Qualitätssprung, bessere Versorgung: In Sigrid Peeks Ohren klingt das wie blanker Hohn. „Wie erleben jetzt schon, dass Mütter auf den Wochenbettstationen nicht mehr adäquat begleitet werden können.“ Das liege keinesfalls am Personal an sich. Grund sei, dass Mitarbeiter fehlten. Und die, die da sind, arbeiteten häufig am Limit. Ihnen fehle schlicht die Zeit: „Die können gar nicht anders.“
Die Schwangeren, die sie aktuell in ihrer Hebammenpraxis in Rosengarten betreut, seien wegen der anstehenden Schließung der Geburtshilfe am AKH bitter enttäuscht: „Was die Frauen dort sehr schätzen, ist, dass es dort doch eher familiär zuging.“ Nach einer Geburt wünschten sich eigentlich alle Mütter das Gleiche: „Dass sich jemand Zeit für sie nimmt und gut berät.“
Doch es ist nicht nur die anstehende Schließung, die auf Protest stößt. Was Sigrid Peek richtig wütend macht, ist die Art der Informationspolitik, die nicht nur bei ihr einen schalen Nachgeschmack hinterlässt. „Schwangere, die sich jetzt für die Geburt am AKH anmelden wollten, wurden mit dem Hinweis abgewiesen, niemand könne sagen, wie lange die Abteilung überhaupt noch besteht.“ Ein Unding, findet nicht nur Sigrid Peek: „So kann man doch nicht mit den Frauen umgehen.“
Birgit Stöver, Harburger Bürgerschaftsabgeordnete der CDU, findet, diese Sorgen und Nöte der Menschen in im Hamburger Süden sollten bei der Behörde einiges an Bedenken auslösen: „Ich kann nur raten, das ernst zu nehmen.“ Rico Schmidt, Pressesprecher der Gesundheitssenatorin, teilte gestern indessen kurz und knapp mit: „An der grundsätzlichen Einschätzung der Behörde hat sich bis dato nichts geändert.“