Neugraben. Im Hamburger Süden mangelt es an Postzustellern. Neugraben ist besonders betroffen. Post sucht Personal, auch für Touren im Landkreis.
„Ich erwarte eine Versicherungspolice, eine Abrechnung meiner privaten Krankenkasse, Handwerkerrechnungen, die „Funkuhr“, ebenso eine Wochenendzeitung und vieles mehr, aber seit Wochen bleibt mein Briefkasten leer“, sagt Gerhard Wesolowski, „gestern kamen zwei Pakete an, aber Briefe waren immer noch nicht dabei.“
Wesolowski wohnt in Neugraben in einer der vielen kleinen Stichstraßen in der Nähe des Waldfriedens und er ist mit seinem Problem nicht allein: Auch von seinen Nachbarn hört er Beschwerden und woanders im Stadtteil hakt es mit der Post auch: Ebenso, wie die Waldfrieden-Anwohner beklagen sich auch Neugrabener aus dem Rehrstieg, der Francoper Straße und anderen Ecken Neugrabens. Die Post kommt nicht. Es gibt schlicht niemanden, der sie bringt.
So hat auch Werner Behrens fast zwei Wochen lang auf seine Post warten müssen. „Als sie heute kam, war das aber längst nicht alles, was ich erwarte. Der Rest liegt noch in der Postverteilstelle. Demnächst muss ich verreisen. Dann muss mein Sohn mir ein Postpaket mit Briefen ins Ausland hinterherschicken.“
Die beiden Männer wurden aktiv. Gerhard Wesolowski ging zum Postamt – jedenfalls dachte er, dass es ein Postamt ist – in Neugraben und fragte, ob er seine Post persönlich abholen könnte. „Die Leute am Schalter haben gesagt, dass das nicht ginge. Hier sei nur noch eine Postbank-Filiale“, sagt Wesolowski. „In einem Raum wenige Meter hinter dem Schalterbereich sortierten Menschen Post, man konnte es durch die Tür sehen. Aber sie hatten mit den Leuten vorne nichts zu tun.“
Werner Behrens rief bei der Post an. „Da landete ich erst mal in Bonn“, sagt er, „die Dame da im Call-Center war sehr nett und versprach Abhilfe, aber passiert ist nichts. Deshalb habe ich mich dann durchgefragt, bis ich bei meiner Postverteilstelle gelandet bin.“
Dort bestätigte man ihm was er zuvor schon vermutet hatte: Es fehlen Briefträger. Behrens’ Bote ist für mehrere Wochen ausgefallen und konnte nicht ersetzt werden.
Martin Grundler, Pressesprecher der Post für die Region Hamburg, bestätigt das. „Wir haben Bereiche mit hohen Krankenständen“, sagt er. „Die personelle Situation im zuständigen Zustellstützpunkt gestaltet sich aufgrund eines anhaltend hohen Krankenstandes derzeit als kritisch, so dass hier auch ortsunkundige Kräfte zum Einsatz kommen müssen.“
Diese, so Grundler, schaffen ihre Runden nicht immer: „Aufgrund der angespannten personellen Situation, war es uns nicht immer möglich eingesetzte Vertreterkräfte zu unterstützen und zu entlasten, so dass es hier leider aus diesem Grund punktuell auch zu Zustellabbrüchen kam“
Zustellabbruch bedeutet, dass der Briefträger seine Runde nicht innerhalb der Arbeitszeit geschafft hat. Dann nimmt er die Briefe wieder mit, in der Hoffnung, die Runde am nächsten Tag vollständig bewältigen zu können. Weil seine Briefe teilweise vorsortiert sind, kann er die Runde am nächsten Tag auch nicht von hinten anfangen, so dass die Verteilung der Liegenbleiber wenigstens dann garantiert ist. Wer am Ende einer Runde wohnt, guckt also öfter in einen leeren Briefkasten.
Die Post reagiert und sucht weitere Zusteller. Der Bereich Harburg, Buchholz, Winsen ist einer der wenigen im Großbereich Hamburg, für den Stellen ausgeschrieben sind. Die anderen sind Bergedorf und Poppenbüttel, jeweils mit außerhamburgischem Umland – alles Bereiche, in denen es auch die bei Zustellern unbeliebte Kombizustellung, Briefe und Pakete gleichzeitig, gibt. „Wir arbeiten intensiv an der Personalgewinnung und haben Anzeigen geschaltet, Wurfsendungsaktionen und Schnuppertage gemacht“, sagt Martin Grundler.
Der Zustellermangel kostet die Post schon Kundschaft. „Wenn ich Dinge bestelle, achte ich mittlerweile darauf, dass sie nicht per Post geliefert werden“, sagt Gerhard Wesolowski.