Hamburg. Angelika Grözinger aus Rönneburg erhält für ihr ehrenamtliches Engagement das Bundesverdienstkreuz.
„Sie hat einen großen Anteil daran, dass Hausarbeit heute mehr Wert geschätzt wird. Deshalb freue ich mich besonders, Angelika Grözinger das Bundesverdienstkreuz am Bande zu überreichen“, sagte Hamburgs Zweite Bürgermeisterin und Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) am Montagvormittag im Turmzimmer des Hamburger Rathauses. Als ehemalige Präsidentin des Deutschen Hausfrauenbundes, inzwischen umgetauft in DHB – Netzwerk Haushalt, habe Grözinger maßgeblich dafür gesorgt, dass der Verband in den jüngsten Jahrzehnten einen starken Imagewandel erlebt habe.
„Sie waren es doch, die die drei großen K, mit denen Hausarbeit verbunden wird, umgedeutet haben: von Kinder, Kirche, Küche in Kompetenz, Konfliktfähigkeit und Kreativität“, sagte Fegebank zur Preisträgerin. Grözinger selbst habe mit diesen Eigenschaften die sogenannte Care-Arbeit (vom Putzen, Kochen über Kindererziehung bis zur häuslichen Pflege von kranken oder alten Menschen) stetig professionalisiert.
Allerdings werde diese Arbeit noch immer nicht angemessen bezahlt, so die Grünen-Politikerin. Seit ihrer Amtsübernahme im April 2015 verleihe sie zum dritten oder vierten Mal ein Bundesverdienstkreuz, sagte Fegebank, „dieses macht mir besondere Freude, denn ich finde das Thema wahnsinnig wichtig“.
Auch Vater und Großvater haben Bundesverdienstkreuz
Das gilt erst recht für die Preisträgerin. „Diese Ehrung bildet einen guten Abschluss meiner beruflichen, ehrenamtlichen Tätigkeit“, sagt Angelika Grözinger. Sie stamme aus einer sehr sozialen Familie, erzählt die gebürtige Rheinländerin. „Wir haben nicht gefragt: Was bekomme ich dafür?, sondern: Wie kann ich helfen? Auch mein Vater und mein Großvater sind mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet worden. Mein Großvater hat nach dem Krieg in Koblenz den Wohnungsbau vorangetrieben und mein Vater sich ehrenamtlich bei der CDU engagiert.“
Als jüngste von vier Geschwistern habe sie sich von klein auf durchsetzen müssen. Eine strenge Klostererziehung habe ihren Oppositionsgeist noch gestärkt, sagt die 69-Jährige. Vor mehr als 30 Jahren zog sie mit ihrem Mann Wolfgang nach Hamburg. Mit der „Familienphase“ (1972–1985), in der die Söhne Thomas und Claus aufwuchsen, begann ihr ehrenamtliches Engagement im Bereich Frauen und Familie, Haushaltsführung, kurz: soziale Arbeit in den eignen vier Wänden. 2001 wird sie stellvertretende Präsidentin des Deutschen Hausfrauen Bundes, 2005 Präsidentin.
Vier Jahre später firmierte der Verband sich um in „DHB – Netzwerk Haushalt, Berufsverband der Haushaltsführenden“. Der etwas sperrige Name drückt aus, was für Angelika Grözinger eine Herzensangelegenheit ist: Hausarbeit ist eine professionelle Dienstleistung, die weit mehr Anerkennung verdient als sie bis heute genießt.
„Gott sei dank“ habe sich das althergebrachte Rollenbild der 1950er Jahre geändert“, sagt die Preisträgerin. Die Hausarbeit habe sich auch deshalb professionalisiert, weil mehr Mütter ihren Berufen nachgehen. Dadurch werde häusliche Serviceleistung nachgefragt.
Grözinger hat für Mindestlohn, definierte Arbeitsbedingungen und tarifliche Entlohnungen von Haushaltshilfen gekämpft. Und sie hat, wo sie nur konnte, den Frauen den Rücken gestärkt, zum Beispiel mit Rhetorik-Kursen – wenn eine Frau von sich sage, sie sei „nur Hausfrau“, „dann könnte ich explodieren“.
Im Januar dieses Jahres ist Angelika Grözinger kürzer getreten, hat ihren ehrenamtlichen Job als DHB-Präsidentin in die Hand einer Nachfolgerin gelegt. Als Ausgleich beackerte sie ihren Rönneburger Garten umso intensiver – bis sie im August einen Herzinfarkt erlitt. „Nun muss ich mich mindestens ein halbes Jahr lang schonen“, bedauert Grözinger. Vieles spricht dafür, dass sie danach weiter für die Anliegen der „Haushaltsführenden“ (Frauen wie Männer) in den Ring steigen wird.