Hittfeld. Vor mehr als 20 Jahren gründete Matthias Graf das Team „412“. Jetzt organisiert er die Gastronomie bei Hurricane, Southside & Co.

In den 90er-Jahren, als Techno und Dance die Charts regierten, leere Fabrikhallen zu Veranstaltungsorten wurden und Eventagenturen noch Partyservice hießen, entdeckte Matthias Graf seine Leidenschaft fürs Organisieren. Er wollte anderen Menschen eine tolle Zeit auf einer tollen Feier in ungewohnter Atmosphäre bereiten und gründete das „Team 412“. Mittlerweile ist es dem Hittfelder gelungen, mit seiner Eventagentur auf den Festival-Olymp vorzustoßen: Seit einem Jahr sorgt „412“ auf allen deutschen Veranstaltungen von FKP Scorpio, Organisator von Festival-Größen wie Hurricane, Southside, Highfield oder M’era Luna, für die Gastronomie und arbeitet dafür mit 100 verschiedenen Anbietern zusammen.

Matthias Graf
Matthias Graf © HA | Christiane Tauer

„Wir setzen auf Klasse trotz Masse und wollen auch 85.000 Besuchern ein super Essen anbieten“, sagt Matthias Graf. Dass sein Unternehmen einmal so erfolgreich sein würde, hätte der 47-Jährige anfangs selbst nicht geglaubt.

Als Jugendlicher half er regelmäßig bei seinem Vater Walter aus, der einen Edeka-Markt an der Hittfelder Kirchstraße betrieb und Gründer des Hittfelder Dorffestes war. Die Arbeit mit Menschen lag ihm, der Kundenkontakt ebenso. Die ungeliebte Bankkaufmann-Ausbildung zog der junge Matthias nach dem Abitur zwar durch, danach war ihm jedoch klar, dass es auf keinen Fall zurück an den Schalter gehen sollte. Graf wagte den Schritt in die Veranstaltungsbranche und machte sein Hobby zum Beruf.

Sie stellten Partys in leeren Hallen und Lagerräumen auf die Beine und wurden in Seevetal vor allem für die Feiern im Teppichlager Maschen und die langjährige Weihnachtsparty in der Burg bekannt. Über die Zeit expandierte „412“, dessen Name auf den Live-Mitschnitt eines Mikrofonchecks eines DJs zurückgeht – „four, one, two“ –, immer mehr und veranstaltete nicht nur eigene Feiern, sondern gab sein Know-How an andere weiter. Graf organisierte Firmenfeste oder Produktpräsentationen für Kunden wie Hermes, Otto, die Holsten Brauerei, Bonprix oder Eon. Kooperationen mit dem Schulauer Fährhaus in Wedel, dem Leuchtturm in Harburg und dem Freilichtmuseum am Kiekeberg kamen zustande.

Vor etwa fünf Jahren dann der große Schnitt. „Die Landkreise Harburg und Lüneburg fragten an, ob wir das Reitsport-Gelände in Luhmühlen nicht als Event-Gelände weiterentwickeln wollten“, erzählt Graf. Er nahm Kontakt zu den großen Konzert- und Festivalveranstaltern in Deutschland auf und bot ihnen das idyllische Fleckchen als Location an. „Für mich war das auch komplettes Neuland“, räumt er ein.

Die Rechnung schien zunächst nicht aufzugehen. Sollte er sich etwa übernommen haben? Zwei Jahre lang mühte sich „412“ vergeblich, Luhmühlen an den Mann zu bringen. „Wir waren teilweise verzweifelt, weil es einfach nicht fruchten wollte“, erinnert sich Graf. Dann, auf einmal, meldeten sich innerhalb weniger Tage die drei größten Konzertveranstalter Deutschlands und wollten sich den Ort einmal näher ansehen. Die Hittfelder wussten gar nicht, wie ihnen geschieht.

Am Ende machte FKP Scorpio das Rennen. Graf stellte im Gespräch mit Geschäftsführer Folkert Koopmanns fest, dass er einen ähnlich hohen Anspruch an seine Arbeit hat wie er selbst und war begeistert. „A Summer’s Tale“, das neue Festival mit Musik, Kunst, Natur und ganz viel Genuss, konnte in Luhmühlen an den Start gehen.

Doch dabei sollte es nicht bleiben. Graf merkte: Wenn er Koopmanns überzeugen kann, ist eine weitere Zusammenarbeit möglich. „Er wollte auch generell seine Festival-Gastro verbessern.“ Zwei mehrtägige Veranstaltungen, der Rolling Stone-Weekender und das Metal Hammer-Paradise am Weißenhäuser Strand, sollten seine Bewährungsprobe werden. Der Verlauf war sehr positiv, letztlich konnte „412“ die europaweite Ausschreibung für die Gastronomie aller deutschen FKP-Scorpio-Festivals für sich entscheiden.

Inhaltlich setzt Graf dabei voll auf sein hohes Qualitätsbewusstsein. „Wir haben uns von allen alten Betreibern getrennt, die nicht unseren Ansprüchen genügen.“ Dass er selbst kein gelernter Koch ist, wertet er nicht als Nachteil. Schon in seiner Zusammenarbeit mit dem Harburger Spitzenkoch Frank Wiechern vom Leuchtturm sei es darum gegangen, dass er das Essen verkauft, was Wiechern kocht, sagt er. Und das funktioniert nunmal nur dann erfolgreich, wenn es wirklich gut ist. Zudem setzt er auf seine Erfahrungen aus dem väterlichen Edeka-Markt.

„20 bis 30 Jahre mussten die Leute auf Festivals das essen, was da war“, sagt Graf. „Das wandelt sich jetzt.“ Er fand neue Betreiber, die Vegetarisches, Veganes, regionale Produkte und internationale Küche anbieten. Statt der 20. Pommesbude gibt es bei ihm jetzt Stände mit Raclette, Curry oder gegrilltem Schafskäse aus selbst hergestellter Milch. „Beim Summer’s Tale hatten wir zum Beispiel nur einen einzigen Würstchenstand.“

Personell ist „412“ durch den Festival-Betrieb und die gastronomische Verantwortung für weitere große Konzert-Orte wie die Waldbühne in Berlin und die Alsterdorfer Sporthalle, die im Januar dazu kommen wird, auf Wachstumskurs. Circa 30 Angestellte gehören zum festen Stamm, auf Tour können es mit Aushilfen bis zu 2000 werden. Graf hat sich drei ehemalige Azubis als Partner mit ins Boot geholt, Sven Klein, Marco Börner und Philip Schwarz.

Seine zwei Kinder, 15 und 22 Jahre alt, nutzen die Chance, mit Papa ab und zu im Rock’n’Roll-Wanderzirkus durch den Sommer zu ziehen. Trotzdem ist das Programm kein Erholungsurlaub. Ein Festival jagt das andere, Hotels sind sein Zuhause. Doch Graf bereut nichts. „Wenn man aus seiner Komfortzone rausgeht, kann man unheimlich viele neue Erfahrungen machen“, ist er überzeugt.