Scharmbeck. Am Wochenende werden zum traditionellen Wagenumzug wieder 6000 Besucher erwartet. Die Scharmbecker bereiten sich intensiv vor
Wenn in Scharmbeck das Licht auch noch zu später Stunde aus den Scheunen scheint und es im ganzen Ort nach der unverkennbaren Mischung aus frischem Getreide und Teppichkleber riecht, weiß jeder: In dem 1500-Seelen-Dorf steht das Erntefest wieder kurz bevor.
Bereits seit 1948 feiert Scharmbeck das inzwischen größte Erntefest Norddeutschlands. Die Ursprünge des Erntevereins liegen in der Nachkriegszeit, als die Scharmbecker eine Alternative zum Schützenverein wollten. Gründungsmitglied Willi Wesemann erklärte dies gerne so: „Scharmbeck wollte nicht mehr schießen“. Verständlich. Und so wurde ein Fest geboren, das mittlerweile 6000 Besucher jährlich anlockt.
Mit der Wahl des diesjährigen Königpaares, Vanessa Krug und Markus Perl, wurde im Juli die „fünfte Jahreszeit“ des Dorfes eingeläutet, die Erntefestzeit. Seitdem basteln, bauen, werken und vor allem kleben 16 Baugruppen mit jeweils bis zu 20 Personen an ihren Festumzugswagen. Denn das Besondere ist: Alle Themenwagen werden mit Ähren verziert.
„Am einfachsten ist das mit Weizen“, erläutert Patrick Wieser (31), Mitglied der „Bastelspaßgemeinschaft“. „Durch die großen Ähren eignet sich das Getreide hervorragend zur breiten Flächendeckung.“ Roggen hingegen nehme aufgrund seiner Härchen schlecht Farbe auf, erzeuge dafür aber einen anderen optischen Eindruck. Wieser baut bereits seit 14 Jahren Themenwagen: „Da wächst man hinein. Meine kleine Tochter Taja saß schon mit einem Jahr das erste Mal auf einem Erntewagen, nun ist sie drei und bastelt schon selbst für den Kinderumzug mit.“ Und auch Anne Bühring (56), Vorsitzende des Erntevereins, stellt lachend fest: „Ich glaube, die Kinder saugen das Talent für die Verarbeitung der Ähren schon mit der Muttermilch ein.“
So lässt sich die Hingabe der 270 Wagenbauer wohl am besten erklären. Denn schnell wird klar: Ihre Arbeit basiert auf einer unglaublichen Geduld und Präzision. Nachdem die Ähren geschnitten sind – jede Gruppe bekommt 20 dicke Bunde zur Verfügung gestellt – müssen sie passgenau geklebt werden.
Bereits drei Wochen verbringt die Traditiongruppe „C’est la vie“ nur mit dem Kleben. Im letzten Jahr konnten die 30- bis 45-Jährigen mit ihrem Themenwagen „Hausboot“ gewinnen, dieser Titel soll nun mit einem beeindruckend großen Gorilla verteidigt werden. Er misst satte 2,53 Meter. „Eigentlich sind die Themen immer streng geheim“, sagt Britta Benecke (43), 2.Vorsitzende des Erntevereins. „Aber ab einem bestimmten Zeitpunkt ist einfach schon zu viel zu erkennen.“
Beim sogenannten „Scheunenhopping“ besuchen sich alle Gruppen gegenseitig, es wird Musik gehört, getanzt und gegrillt. Gemeinschaft ist ohnehin das Wort, das über allem steht. Obwohl natürlich alle ihren Ehrgeiz haben. Beinahe in jeder Scheune lassen sich Chroniken finden, die die Themen der letzten Jahre sowie die Platzierungen verraten. Anhand von Listen erklärt die Baugruppe „Werners Weizen Designer“ mit einer gewissen Ernsthaftigkeit, welche Themen gute Siegchancen bieten. Mit Gebäuden wie dem Taj Mahal habe man zwar mehrmals gewonnen, aber nun müsse es wieder lebendiger werden. Bereits seit 13 Jahren treten sie schon mit ihren selbst gebastelten Igeln an, die selbstverständlich aus Ähren bestehen. Außerdem werden sie in großen Mengen verkauft. Dirk Benecke, Mitglied der Wagenbaugruppe, sagt: „ Die Igel sind unser absoluter Kassenschlager. Die gehen jedes Jahr wieder weg wie geschnitten Brot.“
Viele Gruppen verkaufen selbstgemachte Dekorationsartikel, um die Wagenbaukosten zu decken. Die Wagenbauprämie von 150 Euro reicht zumeist nur für die Hälfte der Kosten. Das Siegerteam gewinnt einen kleinen Präsentkorb und einen Pokal.
Vorrangig geht es natürlich aber um den Spaß und das Miteinander. „Als ich vor 19 Jahren das erste Mal beim Erntefest dabei war, fühlte ich mich sofort willkommen. In jeder Gruppe gibt es auch Zugezogene. Wir sind ein geselliger, bunter Haufen.“ Und dieser Haufen versprüht eine beachtliche Menge Heimatliebe. „Das Erntefest ist praktisch unser Feiertag. eigentlich muss man sich das ganze Wochenende frei nehmen. Und auch Weggezogene kommen dann immer wieder gerne in die Heimat zurück.“, sagt Benecke. Dass allein ein Drittel aller Scharmbecker Mitglied im Ernteverein ist, zeigt das besondere Zusammengehörigkeitsgefühl.
Am Sonnabend wird das Erntefest um 21 Uhr mit einer Zeltdisco eröffnet. Am Sonntag gibt es von 13 bis 18 Uhr das bunte und kostenlose Kinderprogramm samt kreativer Ährenwerkstatt, einer 300 m² großen Strohburg und vielem mehr. Um 14 Uhr beginnt dann der lang ersehnte Festumzug. 15 externe Jurymitglieder werden anschließend den besten Wagen nach den Kriterien „Sauberkeit“, „Idee“ und „Gesamteindruck“ küren.
Ab 20 Uhr kann anschließend zu der Musik von „Fifty Fifty“ gebührend gefeiert werden. Am Montag folgt der Kinderfestumzug und Abschluss ist wie immer der festliche Ernteball am Montagabend. Alle Wagen können gekauft und so vor ihrer Zerstörung am Dienstag gerettet werden. Auch in diesem Jahr kann bei der großen Verlosung wieder eine AIDA-Kreuzfahrtreise gewonnen werden.
Der Eintritt zum Erntefest ist für Kinder kostenlos, Erwachsene zahlen drei Euro. Kostenfreie Parkplätze stehen ausreichend zur Verfügung.