Winsen. Die Herausforderungen für den Landkreis: Mehr Arbeitsplätze in den Gemeinden, mehr Wohnungen, der Sprung in die digitale Zukunft.
Der Landkreis Harburg hält einen ungeliebten Rekord. Mit fast 60.000 Auspendlern stellt er die höchste Quote in der Metropolregion Hamburg. Fast zwei Drittel der Beschäftigten arbeiten außerhalb seiner Grenzen. Damit wird es in Zukunft darum gehen, nicht mehr nur Wohnort, sondern zusätzlich auch Arbeitsort zu werden. Natürlich ohne die Anbindung nach Hamburg zu vernachlässigen. Denn hoch qualifizierte Arbeitnehmer, die zum Job nach Hamburg fahren, wird es auch künftig geben.
Der Weg zu mehr Arbeitsplätzen vor Ort wird nicht allein über neue Mittelständler und ihre Ausbaupläne gelingen. Es liegt nahe, sich um größere Unternehmen zu bemühen. Derzeit gibt es nur zwölf Firmen mit mehr als 250 Mitarbeitern im Kreis. Nur von einer bestimmten Größe an, können aber Unternehmen forschen, sich entwickeln. Der Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis fällt unter den aktuellen Bedingungen schwer. Ein größerer Technologiepark für Start-ups und innovative Unternehmen, auch aus der Industrie, wäre ein Anfang. Das ISI-Zentrum für Gründung, Business und Innovation in Buchholz zeigt einen Weg auf.
Mit aktiver Arbeitsmarktpolitik kann das Potenzial erschlossen werden, das die Förderbank N-Bank für den Kreis sieht: Bis zum Jahr 2030 soll die Zahl der Einwohner von knapp 250.000 um rund 20.000 steigen. Ob dies die beiden großen Städte betrifft ist offen. Bieten die Gemeinden lukrative Arbeitsplätze, könnten neue Siedlungen auch dort entstehen.
Der Landkreis Harburg hat im Gegensatz zu Hamburg mehr freie Flächen, baut seine Schulen nicht nur aus, sondern bietet alle Typen an. Die Landkreis-Verwaltung holt gezielt Ärzte aufs Land. Dazu kommen die beiden Kreis-Krankenhäuser, die sich längst mit Häusern von Konzernen messen können und das Gesundheitszentrum in Salzhausen. Zusammen sind das gute Argumente für den Standort.
Gerade bei einer älter werdenden Gesellschaft wird die Gesundheitsversorgung eine immer entscheidendere Rolle spielen. Kurze Wege im Kreis sind für Patienten wichtig. Aber: Auch in einer Großstadt wie Hamburg sind die Wege nicht in jedem Fall kurz.
Alles Handeln hängt von der Finanzkraft des Landkreises ab. Der Schuldenstand beträgt für 2016 gut 177 Millionen Euro für Investitionskredite sowie gut 52 Millionen Euro an Liquiditätskrediten. Gut 5,5 Millionen Euro werden getilgt. Noch wichtiger als der Schuldenabbau wird für die kommenden Jahre sein, das Anwachsen kurzfristiger Kredite zu begrenzen. Investitionen müssen auf den Bedarf abgestimmt sein oder Rendite bringen und dürfen nicht über das kreiseigene Girokonto bezahlt werden. Eine Chance zur Entlastung birgt das niedrige Zinsniveau, das wohl noch anhalten wird.
Aber es gibt eben auch finanzielle Risiken. Zu ihnen gehören der angestrebte kommunale Wohnungsbau und der Ausbau der Breitband-Kommunikation. Beides kostet Millionen und wird erst nach Jahren Renditen etwa über die Mieten bringen. Während des Ausbaus und der Bautätigkeit wird es aber zu Durststrecken kommen.
Beide Projekt lassen sich jedoch nicht zurückstellen. Neues Gewerbe und Industrie werden ohne schnelles Internet nicht kommen. Will der Kreis wachsen, braucht er Miet-Wohnraum für Menschen, die nicht zu den Gutverdienenden gehören. Denn Dienstleistungen in der Gesundheit, der Pflege oder der Kinderbetreuung werden händeringend gesucht und benötigt.
Letztlich ist auch noch nicht klar, woher die Wohnungen für Flüchtlinge kommen sollen, die im Kreis bleiben. Es stellen sich Fragen: Wie wollen sie wohnen? Wird es eigene Siedlungen geben? Vor allem aber wird zu klären sein, wer für die Flüchtlinge baut. Private oder doch die öffentliche Hand?
Diese öffentliche Hand wird sich damit befassen müssen, ob nicht Raumordnungs- , Bebauungs- und Flächennutzungspläne rascher abgeschlossen werden müssen. Wer immer wieder neue Aspekte abklären will, riskiert, dass sich die Voraussetzungen für neue Projekte längst wieder geändert haben. Warten macht Entscheidungen oft schlechter.
Der Kreis muss in jedem Fall seine eigene Strategie entwickeln. So wie der erfolgreiche Bundestrainer Joachim Löw – auch wenn es für ihn bei der EM nur bis ins Halbfinale gereicht hat.