Veddel. Der Verein Mobile Machenschaften baut an einem etwa 15 Tonnen schweren Floß. Es soll Mitte September fertig werden.
Nach dem aus ein paar Brettern zusammengenagelten Floß, das einem aus Verfilmungen der Lausbubengeschichten um Tom Sawyer und Huckleberry Finn in Erinnerung ist, sieht der Katamaranbau nicht aus. Die 15 Meter langen Schwimmkörper aus Stahl, filigran geschweißt und geschnitten, lassen keine andere Assoziation als die einer Werft zu.
Und doch schwimmt der Geist des Abenteuerromans von Mark Twain mit, wenn die Freiwilligengemeinschaft aus Schiffsbauern, Nautikern und Tischlern am Ufer der Norderelbe ein Floß für Kreuzfahrten auf Hamburgs Kanälen baut. Das Abendblatt hat die Marinauten bei den Arbeiten zu Hamburgs Kulturfloß „Schaluppe” besucht.
Mitte September soll ein Kran das etwa 15 Tonnen schwere Floß ins Wasser hieven. Das ist später als ursprünglich geplant. Aber wenn eine Gemeinschaft von mindestens 15 so unterschiedlichen Menschen wie Ingenieuren, Handwerkern, Sozialpädagogen und Kulturschaffenden in ihrer Freizeit Schiffbau betreiben, lässt sich kein Zeitplan wie in einem Unternehmen erstellen.
„Wir hoffen auf einen schönen Herbst und viele Flussfahrten”, sagt Sanne Neumuth, Sprecherin im Vorstand des Vereins Mobile Machenschaften. Die Ideenmanagerin für den Kultur- und Stadtraum hat bereits die mobile Sauna „Zunderbüchse” entwickelt.
Der Begriff „Schaluppe” bezeichnet eigentlich ein Beiboot mit meistens einem Mast und kommt in diesem Fall etwas verniedlichend daher. Denn das Floß, wasserrechtlich fällt es in die Kategorie Katamarane und Sportboote, erweckt vielmehr den Eindruck einer Yacht - nur als kreativer Nachbau mit begrenzten Mitteln. Wie aus Strandgut geschaffen.
Mit dem anarchischen Schiffsbau aus dem Hamburger Kultfilm „Nordsee ist Mordsee” hat die Schaluppe aber nichts zu tun. Der Verein Mobile Machenschaften errichtet den schwimmenden Kulturraum, teils Club teils Bühne für Theater und Kino, nach CE-Kennzeichnung. „Wir können das Floß zertifizieren, weil wir Schiffbauer unter uns haben”, sagt Nils Moje, Nautiker und gelernter Schiffmechaniker.
Bevor das Kulturfloß mit bis zu 50 Gästen auf Kreuzfahrt geht, wird ein externer Gutachter ein Schwimmfähigkeitszertifikat erstellen. Das ist Voraussetzung, um an den Anlegern der Hamburger Hafenverwaltung HPA fest-machen zu dürfen. Vor der Jungfernfahrt wird das Floß einem sogenannten Krängungsversuch unterzogen. Bei dem Kippversuch gilt es, die Seetüchtigkeit bei voller Auslastung zu testen. Zusätzlich dokumentieren Technische Zeichner den Konstruktionsprozess.
Noch fehlt das beinahe 100 Quadratmeter große Oberdeck. Ein Zimmermann hat aber bereits eine Bar aus Holz geschaffen, die nun unter einer regenfesten Plane auf ihren Einbau wartet. Ein DJ-Pult ist mittlerweile in Arbeit - höhenverstellbar und damit den Rücken schonend. Männer und Frauen können also an unterschiedlichen Tischhöhen Musik machen.
Die Freiwilligengemeinschaft sucht noch Fachleute mit Abenteuergeist, die sich ihnen anschließen wollen. „Wir wollen mit dem Holzaufbau beginnen und hoffen auf Zimmerleute auf der Walz und zusätzliche Schweißer”, sagt Sanne Neumuth. Wer einen Führerschein besitzt und mit dem Auto Einkäufe erledigen kann, ist ebenso willkommen.
Ständig muss Nachschub beschafft werden: Schrauben, Brennstäbe für Schweißgeräte, Getränke. Die Produktion der Schaluppe hat gezeigt, dass sich Schiffbau mit einem Pool Freiwilliger nicht so minuziös umsetzen lässt wie in einem Unternehmen, dass Mitarbeitern Weisungen erteilen kann. „Wir motivieren die Gruppe, führen einen Traum vor”, sagt Sanne Neumuth.
Der Verein Mobile Machenschaften kalkuliert mit einem Budget von 30.000 Euro. Allein 20.000 Euro haben die Marinauten mit einer Crowdfunding-Kampagne gesammelt. Bei Flohmärkten und Festivals sammeln sie weiter Spenden. Die laufenden Kosten sind ein Problem. Der Materialverschleiß an Werkzeugen geht ins Geld, ebenso die Spritkosten.
„Wir brauchen Spender”, appelliert Sanne Neumuth an hiesige Unternehmer. Ein Traum sei es, ein klappbares Oberdeck zu bauen, um unter Brücken hindurchhuschen zu können. Zuschüsse aus der Kulturförderung sind bisher ausgeblieben. Weil der Verein Mobile Machenschaften neu und nicht bekannt sei, vermutet Sanne Neumuth.
Offen ist bisher, wo der ständige Liegeplatz der Schaluppe sein wird. Der Verein favorisiert den Veringkanal in Wilhelmsburg. Das östliche Ufer gilt aber als Tabu. Das Bezirksamt Hamburg-Mitte argumentiert mit dem Uferschutz.
Die Liegeplätze am östlichen Ufer sind vergeben. Der Vorstand der Anrainergemeinschaft, der der Veringkanal gehört, hat bereits öffentlich seinen Unmut geäußert, bei der Frage in Sachen Schaluppe nicht gehört worden zu sein.
Der Veringkanal, vor einigen Jahren noch als Kulturkanal zur Ansiedlung von Kreativen gehandelt, offenbart sich mittlerweile als schwieriges Terrain bei unübersichtlichen Eigentümerverhältnissen. „Wir würden dem Kulturkanal gut tun, damit da etwas passiert”, sagt Sanne Neumuth. Noch ist sie nicht auf offene Ohren gestoßen.
Freiwillige Helfer melden sich per E-Mail an: freiwillige@mobilemachenschaften.de
Kontakt: www.mobilemachenschaften.de