Wilhelmsburg. „Geisterstadt“ – die ungewöhnliche Ausstellung MS Artville stellt erstmals alle Exponate unter ein gemeinsames Oberthema.
Zerbeulte Stoßstangen, abgefackelte Ölkannen, achtlos in die Landschaft geworfene Autoreifen und Stahlfelgen – aus solchem Müll und Schrott schafft der portugiesische Künstler Bordalo II plastische Wandbilder. Für das MS Artville Kunstfestival in Wilhelmsburg hat er aus toter Materie einen quicklebendig wirkenden, überdimensional großen Marder gezaubert.
Zum ersten Mal in seiner mittlerweile zehnjährigen Geschichte hat das MS Artville seine Ausstellung unter ein Oberthema gestellt: „Geisterstadt“ lautet der Titel, dem sich die 21 Künstler und Kunstkollektive auf verschiedenste Weisen annähern. In seinem „Trash Animal“ hat Bordalo II Bewegungsstudien so eindrucksvoll umgesetzt, dass man meinen könnte, er hätte aus Autoschrott neues Leben geschaffen. „Des einen Menschen Müll ist des anderen Menschen Schatz“. Auf niemanden passt das Sprichwort besser als auf diesen Künstler. Seine Arbeiten thematisieren Umweltzerstörung und den Einfluss des Menschen auf die Natur durch die Darstellung eben dieser.
Plotbot Ken bewegt sich immer abseits der abgetretenen städtischen Felder. Beim MS Artville erinnert der Urban Artist an ein Horrorszenario, das Realität ist: „Fünf Jahre Fukushima“ lautet der Titel seines Wandbildes im tristen Schwarz-Weiß. Ein Mensch in Atemschutzanzug steht in atomar zerstörter Landschaft und mahnt all diejenigen, die Kernkraftwerke wieder für eine ernsthafte Alternative halten. Mehr Geisterstadt geht nicht.
Längst nicht überall geht es in der Freiluft-Galerie so düster zu. Mit viel Humor haucht Tom Spyra Gegenständen einen neuen Geist ein. Der Österreicher funktioniert Gegenstände aus dem urbanen Alltag um. Beim MS Artville hat der Künstler ein Rednerpult, dessen Mikrofone eine gesellschaftliche Relevanz suggerieren, in die Hülle eines Klohäuschens gesteckt, um mit unseren Wahrnehmungsgewohnheiten zu brechen. Wer die junge Künstlerin Marie Dann in ihrem Kubus besucht, zieht vorher die Schuhe aus. Dafür empfängt sie ihre Gäste mit frischen Kirschen. Wem es gelingt, den Stängel im Mund zu knoten, wird Teil eines Kunstwerkes. Aber Vorsicht, denn Mundknoten kann süchtig machen. Das ist schon irgendwie gespenstisch.
Sonntag, 7. August, ab 16 Uhr, MS Artville, Reiherstieg-Hauptdeich/Alte Schleuse, in Wilhelmsburg, Kunstspaziergänge mit dem Kurator und Volonteers, freier Eintritt