Heimfeld. Annika Stehr und Marcel Schultz aus Heimfeld haben gemeinsam an der 7500 Kilometer langen Charity-Rallye Baltic Sea Circle teilgenommen
Marcel Schultz bezeichnet sich selbst als passionierten Autofahrer. Auf vier Rädern ist dem gebürtigen Heimfelder, der in Maschen aufgewachsen ist und vor einem Jahr nach Heimfeld zurückkehrte, kein Weg zu weit. Doch am vergangenen Wochenende hat er eine Reise hinter sich gebracht, die sich als anstrengender und unberechenbarer erwies, als alles, was er bisher hinterm Steuer erlebte: den Baltic Sea Circle, 7500 Kilometer durch zehn Länder, einmal rund um die Ostsee in 16 Tagen.
„Ich wollte schon immer mal den Polarkreis überqueren, einmal am berühmten Nordkap stehen, St. Petersburg besuchen. Und wenn es geht, das alles mit einer guten Tat verbinden“, sagt der 28-Jährige. Dann hörte er vom Baltic Sea Circle – und sah die Verwirklichung seiner Wünsche zum Greifen nah. Denn nicht nur, dass seine Traumziele Stationen dieser Rundfahrt sind. Ihr höherer Zweck besteht darin, möglichst viele Spenden für gemeinnützige Organisationen zu sammeln.
„Wer dabei sein will, muss mindestens 750 Euro an Spenden akquirieren“, erklärt Schultz. Also rief er über das soziale Netzwerk Facebook Verwandte, Freunde und Supporter auf, ihn zu unterstützen. Die Summe kam schnell zusammen. Das Startgeld von 850 Euro hatte er vorher schon zusammengespart. Und den nötigen Proviant finanzierte das Startup-Unternehmen El Mole, eine befreundete Mietwerkstatt aus Schleswig-Holstein.
Auch das richtige Fahrzeug hatte sich der Marketingberater im Automobilvertrieb kurz vor der Anmeldung Mitte vergangenen Jahres bereits zugelegt: einen Toyota Hiace, Baujahr 1996. Damit war der rüstige Transporter mit seinen 250.000 Kilometern auf dem Tacho gerade so im Limit. Denn alle beteiligten Fahrzeuge müssen mindestens 20 Jahre auf dem Buckel haben. „Was das Abenteuer Baltic Sea Circle noch um einiges Spannender macht. Denn GPS und Navis sind ebenso verpönt, wie das Fahren auf Autobahnen. Und wer weiß schon, welche Zipperlein betagte Vehikel off road plötzlich befallen“, sagt Schultz.
Fehlte nur noch ein verlässlicher Copilot für die lange, beschwerliche Reise. Den fand Schultz in seiner Lebensgefährtin Annika Stehr. „Spontan begeistert war ich ja nicht“, gesteht die 26 Jahre alte Ergotherapeutin. Doch dann sei die Neugier größer als die Skepsis gewesen. Also kratzte sie alle noch nicht verplanten Urlaubstage zusammen und willigte ein. „Wir haben in kurzer Zeit unendlich viel gesehen. Es war ein grandioses Erlebnis mit vielen, unvergesslichen Erinnerungen“, konstatierte sie am 3. Juli bei der großen Abschlussparty auf dem Hamburger Fischmarkt. Wo die Tour am 18. Juni auch begonnen hatte.
Allein schon die atemberaubenden Landschaften seien letztlich alle Mühen wert gewesen. Via Skandinavien, Russland, das Baltikum und Polen ging es durch Regionen „in denen auf einen Einwohner 15 Biber, 3 Elche und 27 Murmeltiere kommen“, wie es im offiziellen Roadbook der Charity-Rallye heißt. „Wir sind über Hunderte Brücken, vorbei an malerischen Fjorden, durch endlose Wälder, enge Bergpässe und lange Tunnel gefahren und haben am Ende sogar 8503 Kilometer zurückgelegt“, berichtet Annika.
Für zusätzliche Würze hätten die täglichen Sonderaufgaben gesorgt, die die Veranstalter der Hamburger Superlative Adventure Club GmbH den insgesamt 200 Rallye-Teams aus fünf Ländern gestellt hatten. In Finnland musste ein großer Findling gefunden werden, in Russland ein atomarer Eisbrecher, in Estland ein See mit einem versunkenen Arbeitslager. Mal musste ein Pferd besorgt und vors Auto gespannt, mal eine Ziege hinters Steuer gesetzt werden.
Für letztere (Foto-)Challenge opferte sich dann doch lieber Annika auf. Schließlich wisse man ja nie, was einer Ziege im Cockpit eines Autos so alles einfiele, spontane Erleichterungen inklusive. Dafür musste Marcel in Schweden die Wikinger-Weihe über sich ergehen lassen. Und auf allen Vieren, mit verschiedenen Elementen wie Wasser, Erde, einem Holzscheit (und Luft) auf dem Rücken die alte Grabstätte Ales Stenar unweit von Ystad umrunden.
„Wir haben viel über Land und Leute erfahren, uns haben sich andere Welten und fremde Kulturen erschlossen“, sagt Marcel Schultz. Die Reise hätte aber auch zu neuen Sichtweisen geführt und zum Hinterfragen gängiger Klischees. „Ja, Murmansk im Norden Russlands machte einen erschreckend heruntergekommenen Eindruck mit seinen kaputten Straßen und vielen maroden Gebäuden. Aber die Russen selbst haben uns überall willkommen geheißen und geholfen, wo sie nur konnten. Ihre Herzlichkeit und Gastfreundschaft war wirklich beeindruckend“, so Schultz.
Noch mehr gefreut hat das Team Drivinglust aus Heimfeld aber, dass es am Ende 3344 Euro für den guten Zweck überweisen konnte. Auch dank des Klinikverbunds Asklepios, der allein 2000 Euro spendete. Der Erlös geht zu annähernd gleichen Teilen an die beiden Organisationen Deepwave – setzt sich für den Erhalt der Ökosysteme unserer Meere ein – und an Freunde fürs Leben, einen Verein, der sich im Bereich der Suizidprävention und den Umgang mit Depressionen bei Jugendlichen engagiert. Insgesamt sind 380.000 Euro durch alle 200 beteiligten Teams aufgebracht worden.