Buxtehude. Die Mieter der Schröderstraße 9 sind verzweifelt: Sie klagen über Schimmel und Kakerlaken. Ratsherrin Sylvia Köhnken will einschreiten.
Sylvia Köhnken steht vor einem gepflegten Hochhaus und schaut skeptisch in die Höhe. Die Unternehmensberaterin und Ratsherrin hat von den Bewohnern des Hauses einen Hilferuf erhalten, den sie nicht ignorieren konnte. Darin haben 32 Mieter des Hauses ihrem Frust Luft gemacht. Im Schreiben heißt es, der Fahrstuhl sei seit Jahren kaputt, funktioniere nur eingeschränkt und könne verschiedene Stockwerke nicht anfahren. Eine Reparaturfirma sei zwar vor Ort gewesen, habe den Fahrstuhl aber nicht repariert.
Am schlimmsten aber ist nach Aussagen der Bewohner das Ungeziefer in den Wohnungen. Eine Schädlingsbekämpfungsfirma habe zwar einmal Fallen aufgestellt, seitdem sei nie wieder etwas passiert. „Das Ungeziefer ist bei uns in der Küche und läuft in der Nacht herum. Wo sollen wir die Lebensmittel für unsere Kinder aufbewahren?“. Weiterhin berichten die Bewohner von der zentralen Müllentsorgung auf den Stockwerken. Sie vermuten die Anlage als Ursache für den Ungezieferbefall. Auch werde das Treppenhaus nicht gereinigt: „Es ist schmutzig, es stinkt. Das Ungeziefer läuft auf den Treppen hin und her.“
Schlösser, Fahrstuhl und Elektrik kaputt
Außerdem sei das Hauptschloss zu der Haupteingangstür ständig kaputt: „Wir haben Angst um unsere Sicherheit“, sagt eine Mieterin. Von Schimmel an den Wänden ist die Rede, außerdem gebe es Probleme mit der Elektrik in den Wohnungen.
„Alle diese Mängel wurden gemeldet und bei Übergabeprotokollen wurde bestätigt, dass sie beseitigt werden. Es sind nur Versprechen gewesen“, heißt es in der Petition.
Der Vermieter, der Immobilienfachwirt Sven Basner aus Hamburg, sei über alle Mängel informiert, handele aber immer nur halbherzig – so der Vorwurf der Mieter.
Sylvia Köhnken hat das Haus in der Schröderstraße 9 besucht, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Als sie das Haus betritt, schnappt die Unternehmensberaterin nach Luft. Ein süßlicher Geruch steigt ihr in die Nase, die Ratsfrau verzieht das Gesicht. An der Fahrstuhltür im Erdgeschoss informiert ein Zettel darüber, dass der Lift zwar defekt ist, er aber in der Kalenderwoche 20 repariert werden soll. Das war im Mai. Um in den vierten und fünften Stock zu gelangen, nimmt Sylvia Köhnken die Treppe. Auf den Stufen liegen Verpackungen von Schokoriegeln und Zigarettenkippen, am Geländer hängt Staub in Spinnweben. „Hier hat ja wohl ganz offensichtlich schon länger keiner mehr sauber gemacht“, stellt die Kommunalpolitikerin fest.
Die erste Wohnung, die sich Sylvia Köhnken ansieht, liegt im fünften Stock. Auf dem Weg dorthin muss sie an dem zentralen Müllentsorgungsschacht vorbei, der sich auf jeder Etage befindet. Daraus dringt ein derart fauliger Geruch, dass sie sich die Nase zuhalten muss. Vor der Müllklappe liegen mehrere tote Kakerlaken in den verschiedensten Größen.
Kakerlaken und Schimmel im Kinderzimmer
Die Wohnung, die sie betritt, ist sauber und gepflegt. Die Einrichtung sieht aus wie aus dem Möbelkatalog, die Wände sind mit Hochzeitsbildern und Babyfotos dekoriert. Doch auch hier gibt es ganz offensichtlich Ungezieferbefall, davon zeugen zwei weiße runde Boxen mit Insektengift im Flur vor dem Kinderzimmer und in der Küche. Neben beiden Boxen liegen tote Kakerlaken auf dem Fußboden. Als Sylvia Köhnken einen Küchenschrank öffnet, schüttelt sie sich. Auch hier liegen tote Tiere: „Das ist absolut unzumutbar. Mieter haben mir berichtet, dass die Schaben nachts sogar über ihre Betten laufen. Hier haben viele Familien kleine Kinder, das geht doch nicht!“, empört sie sich. Nach einer Anzeige eines Mieters Anfang des Jahres ist inzwischen auch das Gesundheitsamt des Landkreises Stade auf dem Plan: „Wie haben das untersucht und einen ungewöhnlich massiven Befall festgestellt“, berichtet Nicole Streitz, Gesundheitsdezernentin des Landkreises.
Auch die Mieterin, die Sylvia Köhnken im fünften Stock besucht, berichtet von Kakerlaken, die sie regelmäßig sieht, wenn sie morgens um fünf Uhr nach dem Aufstehen Licht in der Küche macht. Sie muss nicht nur damit, sondern auch mit schimmeligen Wänden in der ganzen Wohnung leben, auch bei der Familie ein Stockwerk tiefer blüht im Kinderzimmer der Schimmel über einer Fußleiste.
Viele Mieter trauen sich nicht, sich gegen die Zustände zu wehren. „Sie haben Angst, dass ihr Mietvertrag gekündigt würde. Auch in Buxtehude herrscht Wohnungsknappheit“, erklärt Sylvia Köhnken. Außerdem fürchten sie, im Ernstfall die Kaution nicht wieder zu bekommen.
Der Eigentümer Sven Basner äußert sich nicht persönlich, sondern über Rechtsanwalt: „Der Fahrstuhl funktioniert aktuell ab der zweiten Etage. Es gibt einen Vollwartungsvertrag mit der Hans Lutz Kundendienst GmbH & Co.KG. An dieses Unternehmen können sich Mieter Rund um die Uhr wenden. Dies wurde bereits mehrfach mitgeteilt. Die Störungen im EG/1.OG hat die Wartungsfirma zu beheben.“
Weiterhin werde das Treppenhaus wöchentlich gereinigt. Zum Ungezieferbefall sagt der Anwalt: „ Die Unterstellung, dass der Zustand der zentralen Müllentsorgung die Ursache für Ungezieferbefall sei, wird zurückgewiesen. Für die Ungezieferbekämpfung wurde bereits vor einigen Wochen die Anticimex GmbH beauftragt, welche die Mieter über die anstehenden Arbeiten informiert hat. Hier ist es jedoch die Pflicht jedes einzelnen Mieters, auch den Zutritt zur Wohnung zu gewähren. Das geschieht nicht in allen Fällen.“ Was die defekte Eingangstür angeht, ist laut Anwalt alles bestens: „Die Hauseingangstür funktioniert mittels Gegensprechanlage einwandfrei und schließt ordnungsgemäß.“
"Beschwerden von Mietern sind uns nicht bekannt"
Auch von Schimmelbefall weiß er nichts. „Es gibt keinen gemeldeten Schimmel oder Feuchtigkeit. Beschwerden von Mietern sind uns nicht bekannt. Wenn Mängel auftreten und der zuständigen Hausverwaltung schriftlich mitgeteilt werden, werden nach einer Besichtigung auch Maßnahmen eingeleitet. Defekte von Elektrik oder sanitärer Ausstattung sind nicht gemeldet worden.“
Sylvia Köhnken ist sichtlich erleichtert, als sie nach ihrem Besuch wieder vor dem Haus steht. Immerhin hat sie einen Zettel der Schädlingsbekämpfungsfirma im Fahrstuhl gesehen, auf der eine Maßnahme in den Wohnungen für diese Woche angekündigt wird. Daran, dass in absehbarer Zeit das Ungeziefer verschwindet, hat sie allerdings Zweifel: „So halbherzig, wie der Vermieter reagiert, glaube ich nicht daran“, sagt die Buxtehuder Ratsherrin.