Hörsten. Sperrung der Decatur-Brücke steht bevor: Ungesicherte Unterführung bald letzte Verbindung von Maschen und Hörsten. Eltern entsetzt.
Ein dunkler Tunnel wird bald die einzige direkte Verbindung zwischen Maschen und Hörsten sein. Das versteckt liegende Bauwerk an der Straße „Zur Viehtrift“, durch das die Seeve unter den Rangierbahnhof fließt, entwickelt sich für Fußgänger und Radfahrer von Oktober an zum Rettungsanker, wenn die Decatur-Brücke voll gesperrt wird. Umso wichtiger ist es für die Bürger jetzt, dass der Tunnel so schnell wie möglich verkehrssicher gemacht wird.
„Gerade für Frauen ist es nicht schön, hier langzugehen“, sagt Astrid Reeßing aus Hörsten. Schon nach wenigen Schritten wird es in dem etwa 300 Meter langen und zum Teil nur rund 1,80 Meter hohen „Rattentunnel“, wie er im Ort genannt wird, stockdunkel. Es gibt kein Geländer zur Seeve, und bei Hochwasser ist er unpassierbar. Astrid Reeßings Tochter Angelina, 9, hat den Tunnel deshalb auch noch nie betreten. Birgit Bunkenburg hingegen berichtet, dass ihr Sohn ihn früher täglich für seinen Weg zur Schule genutzt hat. Sie ist sich sicher, dass noch viel mehr Hörstener als bisher ihn ansteuern werden, wenn die Decatur-Brücke gesperrt wird – sie haben ja keine Alternative.
Wenn die Brücke gesperrt wird, ist Hörsten abgehängt von der Außenwelt
Im 700 Einwohner zählenden Ort herrscht derzeit ein seltsames Gefühl der Ohnmacht. „Die Decatur-Brücke ist unsere Lebensader“, sagt Astrid Reeßing. Wenn sie gesperrt und abgerissen werde, sei Hörsten abgehängt von der Außenwelt. Das formulierten auch andere Bürger zuletzt vergangene Woche auf der SPD-Veranstaltung im Dörphus (das Abendblatt berichtete).
Einen kleinen Vorgeschmack auf das, was ihnen von Oktober an blüht, bekommen sie schon jetzt. Wer über den Grünen Damm in Richtung Harburg fahren möchte, wird am Rehmendamm ausgebremst. Vollsperrung wegen Bauarbeiten bis zum 13. Juli. Die Alternative über die noch offene Decatur-Brücke und dann weiter über die Maschener Schützenstraße und die Seevetalstraße funktioniert ebenfalls nicht. Die Brücke zwischen Maschen und Meckelfeld ist bis zum 3. August voll gesperrt. Hörsten steht auf dem Abstellgleis.
„Wenn wir das alles gewusst hätten, wären wir wahrscheinlich gar nicht hergezogen“, sagt Nadine Sabadszus. Seit drei Jahren lebt die gelernte sozialpädagogische Assistentin mit ihrem Mann André und den Kindern Joshua, 5, Siri, 2, und Louis, 1, in dem Ort, die Sperrung der Decatur-Brücke hat sie kalt erwischt. Dreimal täglich muss sie mit dem Rad nach Maschen fahren, um ihre Kinder in die Kita zu bringen und wieder abzuholen. Joshua geht von 7 bis 12 Uhr und Siri von 12 bis 16 Uhr. Alleine diese Betreuungszeiten empfindet die Familie als äußerst unglücklich, doch ihr Kampf um einen Vormittagsplatz für Siri war vergeblich.
Das Rad ist die einzige Möglichkeit
Bisher haben noch die Schwiegereltern mit ihrem Auto ausgeholfen, doch jetzt muss Nadine Sabadszus alleine zurechtkommen, während ihr Mann mit dem Familienauto zur Arbeit in die Hamburger City-Nord fährt. Auf den öffentlichen Personennahverkehr braucht sie ebenfalls nicht zu hoffen. Seit die Busse wegen der Einspurigkeit nicht mehr vom Bahnhof Maschen über die Decatur-Brücke fahren, ist das Rad die einzige Möglichkeit für sie.
Mit den zwei Kleinen im Fahrradanhänger und dem Großen auf dem eigenen Rad geht es dann durch den „Rattentunnel“, weil er die schnellste Verbindung ist. „Angst habe ich nicht“, sagt Nadine Sabadszus. Nur manchmal, wenn die Tore zu den Treppen zum Rangierbahnhof offenstehen, überkommt sie ein mulmiges Gefühl, ob sich vielleicht jemand im Treppenaufgang verstecken könnte. Ihr Vorschlag wäre, das Anruf-Sammeltaxi für den Transport der Kitakinder auszubauen.
Ob das eine Möglichkeit ist, muss sich zeigen. Die Seevetaler Gemeindeverwaltung ist derzeit dabei, einen Notfallplan zu entwerfen. „Selbstverständlich wird es noch eine Infoveranstaltung zur Brückensperrung geben“, versichert Bürgermeisterin Martina Oertzen. Viele Hörstener hatten kritisiert, die Gemeinde informiere zu wenig. Man wolle aber auf die vielen Fragen auch Antworten liefern können, deswegen brauche es seine Zeit, so Oertzen. Zudem seien derzeit Sommerferien und viele Betroffene verreist. Als Termin will die Verwaltung deshalb den August anstreben. „Auch die Maschener, Horster oder Ramelsloher sind von der Sperrung betroffen, weil sie nicht mehr zu ihrem Bahnhof kommen“, ergänzt sie. Auch diese Bürger wollten Antworten auf ihre Fragen.