Wilhelmsburg. Naturerfahrung tut ihnen gut, ist in Städten aber nur eingeschränkt möglich. Dort sind eher geordnete Parks anzutreffen.

Auch Stadtkinder haben ein Recht auf Naturerlebnisse – dies war das Thema einer Podiumsdiskussion im Wälderhaus in Wilhelmsburg. Gerade in sozial benachteiligten Stadtteilen sei es wichtig, das Naturbewusstsein zu fördern, betonte Rüdiger Kruse, Bundestagsabgeordneter der CDU und Geschäftsführer der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW) in Hamburg. Er hatte zum „Wälderhaus-Gespräch“ eingeladen.

Das Entdecken der heimischen Natur stärke nicht nur die körperliche sondern auch die geistige Gesundheit, sagte Prof. Ulrich Gebhard, Erziehungswissenschaftler an der Universität Hamburg: „Naturerfahrung bedient das Bedürfnis nach Heimat, nach Zugehörigkeit. Ein Baum ist Ausdruck von Beständigkeit. Gleichzeitig gibt es in der Natur immer wieder etwas Neues zu entdecken. Beides – Beständigkeit und Abwechslung – sind Grundbedürfnisse des Menschen.“

Der Pädagoge für Naturwissenschaften warnte jedoch vor zuviel Pädagogik: „Die Kinder müssen die Natur selbst erkunden. Dann werden sie sie auch im Erwachsenenalter wertschätzen. Eine moralisierende Naturvermittlung kann sogar kontraproduktiv sein.“ In Städten fehlten oft verwilderte Ecken in der Wohnumgebung, Freiräume für kleine Abenteuer im Grünen, so Gebhard. Stadtentwickler planten solche Freiräume nicht ein.

Kenan Alimci, Leiter des Spielhauses und Bauspielplatzes auf dem Rotenhäuser Feld, schlug in dieselbe Kerbe: „Der neue Inselpark mag für die Erwachsenen ein schöner Erholungsort sein, für Kinder ist er unattraktiv. Alles ist anlegt, geordnet. Da ist nichts, was Kinder auf eigene Faust entdecken könnten.“

Wilhelmsburg habe durchaus noch „vergessene Freiflächen, die noch nicht dem verstärkten Wohnungsbau weichen mussten, sagte der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Michael Weinreich. Aber diese lägen nicht in unmittelbarer Nähe zum Wohnort, sondern zum Beispiel in Moorwerder. Die Entfernung hält Gebhard für problematisch: „Wildnis zum spontanen Spielen sollte für Kinder zu Fuß erreichbar sein.“

Jeder Aufenthalt in der Natur sei wohltuend und baue Stress ab. Aber daraus bilde sich nicht automatisch ein Naturbewusstsein, sagte Gebhard: „Naturerfahrungen werden gemacht, aber nicht zum Gegenstand von Reflexion.“ Um den Kontakt zur Natur zu stärken oder überhaupt erst herzustellen, organisiert Gastgeber Rüdiger Kruse mit seiner SDW Waldspiele für Drittklässler, auch im Harburger Waldgebiet Haake. Nach seiner 19-jähriger Erfahrung waren rund 40 Prozent der Kinder zuvor noch nie bewusst im Wald gewesen.