Buchholz. Die Festnahme eines Drogenhändlers, der Jugendlichen Ecstasy verabreichte, schlägt hohe Wellen. Das MEK hatte den Mann festgenommen.

Die gestern bekannt gewordene Festnahme eines Dealers in Buchholz, der mindestens 30 Kinder und Jugendliche mit Drogen versorgt haben soll und sich in mehreren Fällen von Heranwachsenden dafür mit Sex bezahlen ließ, ist Stadtgespräch in der Nordheide. Schulleiter, Polizei und Sozialarbeiter reagieren überrascht und erschüttert über die Dimension des in der Region beispiellosen Falles.

Der Dealer, nach Abendblatt-Informationen handelt es sich um einen 35 Jahre alten Deutschen, und sein Komplize waren, wie berichtet, von einem Spezialkommando der Polizei in Buchholz festgenommen worden. Gegen beide wurden Haftbefehle erlassen. Die Männer sitzen hinter Gittern.

Wie konnte es überhaupt soweit kommen, dass der 35-Jährige anscheinend monatelang unbehelligt sein Unwesen mit den Jugendlichen im Raum Buchholz treiben konnte? Olaf Blohm, Stadtjugendpfleger in Buchholz, zeigt sich überrascht. „Man sieht einfach, dass wir hier eine bestimmte Gruppe von Jugendlichen nicht erreichen“, sagte Blohm in einer ersten Reaktion. „Prävention allein scheint nicht zu greifen, um solche Entwicklungen zu vermeiden.“

Während der Konsum von Alkohol und Drogen bei Jugendlichen sinke, seien Partydrogen wie Speed und Ecstasy bei jungen Leuten auf dem Vormarsch. „Aufputschdrogen sind heute in allen Schichten der Bevölkerung verbreitet, beispielsweise bei Medizinern und Politikern“, nennt Blohm einen möglichen Grund für den Anstieg. Mit noch stärkerer Präventionsarbeit an Schulen könne man dem entgegenwirken.

Allein damit sei es aber nicht getan: Man müsse über neue Konzepte nachdenken. Aktionen wie die „Präventionstage“ im Januar am Gymnasium am Kattenberg seien zwar erfolgreich, aber nur bedingt. „Wir erreichen oft die Eltern der Problemfälle nicht. Der Zugang zu den Eltern ist der Schlüssel“, sagt der Stadtjugendpfleger.

Eltern, Präventionsfachleute und Schulen müssten noch enger zusammenarbeiten. Aber wie? Einer von drei Schulleitern weiterführender Schulen in Buchholz war gestern zu einer Stellungnahme bereit. „Wir schauen nicht in die Szene hinein“, sagte Hans-Ludwig Hennig, Schulleiter des Albert-Einstein-Gymnasiums (AEG) in Buchholz.

Er schätzt an seiner Schule mit 1100 Schülern und 100 Lehrern Drogenprobleme als eher gering ein. In 15 Jahren seien ihm lediglich „zwei harte Fälle“ bekannt geworden, in denen Schüler das AEG zwangsläufig verlassen hätten.

Möglicherweise auch ein Resultat intensiver Präventionsarbeit mit regelmäßigen Projekten gegen Rauchen, Alkoholmissbrauch und Drogen an der Schule. In der Prävention arbeitet das Gymnasium zudem eng mit dem Gymnasium Hittfeld zusammen, mit dem es sich eine Schulsozialpädgogin teilt. Und: Demnächst kommt im AEG ein Schulseelsorger hinzu.

Anhaltspunkte dafür, dass AEG-Schüler in den Fall „Sex für Drogen“ verwickelt sein könnten, gibt es bisher nicht. „Sollte sich herausstellen, dass es bei uns einen konkreten Fall gibt, und uns die Polizei entsprechend informieren, dann werden wir aktiv“, sagt Hennig. Die Schulleiter der IGS und des Gymnasiums am Kattenberg waren zu keiner Stellungnahme bereit.

Der Fall ,Drogen gegen Sex’ ist in seiner Qualität neu und hoffentlich eine Ausnahme“, sagte der Kreisjugendpfleger Kai Schepers dem Abendblatt. „Wir haben das Ohr an der Basis und ermutigen junge Leute, sich zu offenbaren.“

Er lobt, dass Betroffene sich getraut hätten, zur Polizei zu gehen. Und: „Es ist kein Problem an einzelnen Schulen. Die Fälle sind breit gestreut“, sagt Schepers. Treffpunkte der Drogenszene gibt es in Buchholz nicht. Jugendliche verabreden sich vielmehr per What’s App mit den Dealern – was der Polizei die Aufklärungsarbeit erleichtert, wenn ein Handy einkassiert wird.

Ein schulübergreifender Elternabend im Mai vorigen Jahres in der Buchholzer Rathauskantine sei ein großer Erfolg gewesen, betont Schepers. Über 130 Eltern waren zu der Veranstaltung in Zusammenarbeit mit der Stadtjugendpflege gekommen. Angesichts der aktuellen Ereignisse soll es einen neuen Termin geben.

„Das war eine große Sache. Wir planen so einen Präventionstag erneut“, sagt Carsten Bünger der Präventionsbeauftragte der Polizeiinspektion Harburg. Ihm ist ein Fall von „Sex gegen Drogen“ wie dieser noch nicht untergekommen. Auch die Diskussion um die Legalisierung von Cannabis habe bei vielen Jugendlichen zu einer Verharmlosung des Themas Drogen geführt.