Harburg/Lüneburg. Nach einem BGH-Urteil müssen sie bei Diebstahl von Kundenschmuck nicht zahlen. Einige tun es trotzdem – freiwillig.

Der Fall des Juweliers Flindt aus Salzhausen hat jetzt ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe ausgelöst. Dabei geht es darum, inwieweit Juweliere ihre Kunden schützen müssen, wenn bei ihnen hinterlegter Schmuck gestohlen wird. Nach Auffassung des BGH ist der Juwelier nicht verpflichtet, Kunden darüber aufzuklären, ob er für einen Diebstahl oder Überfall versichert ist. Allerdings schränken die Richter ein, dass dies bei Schmuck mit außergewöhnlich hohem Wert dennoch notwendig wird.

Der Überfall auf den Juwelier Flindt geschah am 23. Februar 2012. Kurz nach neun Uhr betraten zwei Männer das Geschäft an der Winsener Straße. Eine Angestellte hatte gerade erst aufgeschlossen, als sie überwältigt und in den rückwärtigen Teil des Ladens gedrängt und gefesselt wurde.

Zur Beute, die die Räuber mitnahmen, gehörten hochwertige Uhren und Brillanten aus den Vitrinen und Schränken sowie der Schmuck, der im Tresor gelagert wurde. Darunter war auch Schmuck für 2930 Euro, die ein Klient des Lüneburger Rechtsanwalts Jens Staedler zur Reparatur beziehungsweise für ein Ankaufangebot an Flindt übergeben hatte. Offen war nun die Frage, ob der Juwelier den Schaden ausgleichen müsste.

Josef Benjamin betreibt mit seiner Frau ein Uhren- und Schmuckgeschäft in der Rathausstraße in Harburg. Nach einem Rechtsstreit mit einem Kunden hat er Kundenware extra versichert
Josef Benjamin betreibt mit seiner Frau ein Uhren- und Schmuckgeschäft in der Rathausstraße in Harburg. Nach einem Rechtsstreit mit einem Kunden hat er Kundenware extra versichert © HA | Jörg Riefenstahl

Das Amtsgericht Winsen bejahte die Frage. Das Landgericht Lüneburg dagegen sah diese Verantwortung des Juweliers nicht. Nachdem ein Kollege von Staedtler Revision eingelegt hatte, ging der Fall nach Karlsruhe. Generell, darauf verweisen die Richter, sei ein Juwelier nicht verpflichtet, Kundenschmuck gegen das Risiko des Verlustes durch Diebstahl oder Raub zu versichern.

Allerdings müsse über den nicht bestehenden Versicherungsschutz aufgeklärt werden, wenn es sich um Kundenschmuck von außergewöhnlich hohem Wert handele oder der Kunde infolge Branchenüblichkeit des Ver-sicherungsschutzes eine Aufklärung erwarten darf. Einen außergewöhnlich hohen Wert sah der BGH bei knapp 3000 Euro jedoch nicht.

Nicht entschieden ist damit jedoch, ob eine Diebstahls- oder Raubversicherung bei Juwelieren als branchenüblich angesehen werden kann. Diese Frage soll nun wiederum das Landgericht Lüneburg klären. Rechtsanwalt Staedtler geht dabei davon aus, dass der Fall noch in diesem Jahr weiter verhandelt wird. Ein Termin ist aber bislang nicht festgelegt.

Für den Juwelier Flindt in Salzhausen ist jedoch inzwischen alles klar. Seit 2012 gehört das Geschäft Britta Meyer-Nehls. Für sie stellt sich die Frage nach der Sicherheit ihrer Kunden nicht. „Wir sind seit Jahren auch bei Diebstählen oder Überfällen versichert. Damit gehen unsere Kunden keinerlei Risiko ein“, sagte Wolfgang Meyer-Nehls am Montag dem Abendblatt.

Juweliere in der Harburger Innenstadt handhaben das sensible Thema unterschiedlich, wenn es um die ihnen überlassene Ware von Kunden geht. Beim Harem Juwelier in der Lüneburger Straße etwa garantiert Inhaber Kadir Altintas im Falle eines Schadens oder bei Verlust Ersatz – obwohl die guten Stücke nicht versichert sind.

„Unsere Ware ist komplett versichert, die Kundenware ist es nicht. Ich garantiere aber jedem Kunden, dass er von uns in vollem Umfang entschädigt wird, falls bei uns eingebrochen oder das Geschäft überfallen wird“, sagt der Inhaber von Hamburgs erstem Juweliergeschäft mit einem türkischen Inhaber. Auch wenn es ein Malheur bei einer Reparatur gibt, wird gezahlt: „Das ist selbstverständlich. Dafür garantieren wir. Genauso bei Einbruch.“

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Josef Benjamin betreibt mit seiner Frau Semire seit acht Jahren das Uhren- und Schmuckgeschäft Benjamin in der Rathausstraße. „Wenn ich selbst einen Schaden verursache oder bei Diebstahl ist Kundenware bei uns versichert“, sagt Benjamin und zahlt dafür 275 Euro Haftpflichtprämie im Jahr. Die Versicherung hat Benjamin abgeschlossen, seit er die Uhr eines Kunden reparierte, der anschließend behauptete, sie funktioniere nicht.

Der Fall ging sogar vors Gericht. Benjamin bekam Recht. Um sich künftig unnötige Scherereien zu ersparen, hat er die Versicherung abgeschlossen. In der Christ-Filiale im Phoenix-Center ist Kundenware bei einem Überfall nach Abendblatt-Informationen ebenfalls versichert. Auch wenn die Ware abhanden kommt, etwa durch Diebstahl, wird der Schmuck ersetzt.

So ist es auch bei Juwelier Deniz Solukcu, Inhaber des Juweliergeschäfts Saray im Deichhausweg. „Bei Einbruch und Überfall ist hier im Laden alles versichert, sagt er. Vor sechs Monaten erst schlug der Juwelier einen Räuber beherzt in die Flucht (wir berichteten). Sollte so ein Fall einmal anders ausgehen – und die Versicherung für erbeutete Kundenware wider Erwarten nicht zahlen, würde er „die Ware selbstverständlich ersetzen“, betont Solukcu.

Beim Juwelier Balhorn am Sand sieht die Sache etwas anders aus. „Bei Raub, Aufruhr, Unruhen und Diebstahl haften wir nicht. Das ist alte Juweliersfloskel“, sagt Inhaber Christian Rehwoldt. Von einer Haftpflichtversicherung hält er nichts: „Wenn hier einer mit der Kalaschnikow reinkommt, in die Decke schießt und ich habe hier gerade einen Einkaräter eines Kunden, den nimmt er mit. Dann wird die Versicherung sagen, es ist höhere Gewalt.“

Um sich vor bösen Überraschungen zu schützen, ist es für Kunden deshalb ratsam, einmal kurz nachzufragen, wie denn der Juwelier die Dinge mit Schmuckstücken handhabt.