Winsen. Stiftung will Grundstücke kaufen, um dem Fluss seinen ursprünglichen Verlauf zurückzugeben. Davon profitiert Flora und Fauna.

Stahlblauer Himmel, Vögel zwitschern, Frösche quaken, Röhricht raschelt leise im Wind – ein Bilderbuchtag in der Luhe-Niederung. Elisabeth Klocke, Geschäftsführerin der Stiftung Lebensraum Elbe, steht auf dem Stöckter Deich und deutet auf eine mit Büschen bestandene Feuchtwiesenlandschaft: „Sehen Sie die Weiden. Sie deuten den ehemaligen Verlauf eines Mäanders an, einer zugeschütteten Flussschleife, die wir wieder ausbaggern und an die Luhe anbinden wollen.“ Insgesamt würde die Stiftung gern knapp 60 Maßnahmen durchführen, um die Luhe und ihre Uferbereiche, die schon heute wertvolle Lebensräume bieten, noch naturnäher zu machen.

Die Luhe wurde begradigt, damit siefür die Ewer besser schiffbar wurde

Im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert wurde der rund drei Kilometer lange unterste Luhe-Abschnitt zwischen Winsen und der Mündung in die Ilmenau um 820 Meter begradigt. Das Flüsschen sollte schiffbarer werden, für Ewer, die landwirtschaftliche Produkte nach Hamburg schipperten. Seitdem schlängelt sich der Heidefluss nicht mehr durch seine Niederung, sondern strömt geradewegs Richtung Ilmenau. Dadurch verschwand rund ein Viertel des Flusslaufes mitsamt wertvoller Wattflächen, Prielen und dem wichtigen Auwald.

Das soll sich nun ändern. Die Stiftung Lebensraum Elbe, die unter anderem aus Hafengebühren finanziert wird, will den Naturraum längs der
Tideelbe fördern – und dazu gehören von den Gezeiten beeinflusste Nebenarme wie die Ilmenau/Luhe. „Das Gebiet eignet sich ideal. Es ist bereits sehr naturnah und kann durch unsere Maßnahmen noch artenreicher werden“, sagt Klocke. Sie hat mit dem Landkreis Harburg einen starken Projektpartner. Die Kreisverwaltung hat das Gebiet im Dezember 2014 unter Naturschutz gestellt, zusammen mit der Flusslandschaft der Ilmenau – insgesamt 434 Hektar umfasst das Naturschutzgebiet Ilmenau-Luhe-Niederung.

Ein Schwerpunkt ist der Vogelschutz. Die Wiesen der Luhe-Niederung werden noch recht intensiv bewirtschaftet. Das hilft dem Weißstorch, denn ihm bietet sich bei jeder Mahd ein reich gedeckter Tisch aus aufgescheuchten Insekten und anderem Kleingetier. An der Ilmenau haben dagegen die Bodenbrüter beste Chancen, ihren Nachwuchs groß zu ziehen. Dort wird die Düngung eingeschränkt, damit das Gras den Küken nicht über die Köpfe wächst und zudem später, nach der Brutzeit, gemäht werden kann.

Das Projekt „Die Luhe renaturieren“ will dem Gewässer vier ehemalige Flussschleifen
Das Projekt „Die Luhe renaturieren“ will dem Gewässer vier ehemalige Flussschleifen © BWS/Stiftung Lebensraum Elbe | BWS/Stiftung Lebensraum Elbe

Auch das Gewässer bietet mit seinen schwankenden Wasserständen vielen Tieren ein besonderes Refugium, darunter Meerforelle, Fischotter, Amphibien. „Die Luhe hat hier einen Tidenhub von zwei Metern“, sagt Jochen Heuser von der Naturschutzabteilung der Kreisverwaltung. Er betreut das Schutzgebiet und hält das Engagement der Stiftung Lebensraum Elbe für einen Glücksfall: „Die Sicherung eines ökologisch wertvollen Naturraumes ist das eine, die Entwicklung der Flächen das andere. Hier können wir mit unserem Partner unser Schutzgebiet weiter aufwerten.“

Es wird untersucht, ob die ehemaligen Flussschleifen Altlasten bergen

Doch zunächst muss die Stiftung die Eigentümer der betroffenen Grundstücke überzeugen, ihr Land zu verkaufen. „Wir hatten schon sehr gute Gespräche, ich bin optimistisch“, sagt Elisabeth Klocke. Bei einer der ehemaligen Flussschleifen hakt es allerdings noch, sie wird möglicherweise zugebunden bleiben.

Zudem verhindert der Naturschutz, dass die Stiftung sofort mit ihrer Arbeit beginnen kann: „Bevor wir Grundstücke aufkaufen, müssen wir Bodenuntersuchungen machen. Denn wir wollen Altlasten ausschließen, die möglicherweise beim Auffüllen der Flussschleifen vergraben worden sind. Doch derzeit können wir die Flächen nicht betreten. Es herrscht Brut- und Setzzeit, die Tiere dürfen nicht gestört werden.“

Es wird noch einige Jahre dauern, bis alle Untersuchungen abgeschlossen, die Flächen übereignet und die detaillierten Pläne geschmiedet sind. Wenn das Projekt dann voraussichtlich 2019 richtig startet, wird die idyllische Feuchtwiesen-Landschaft erst einmal zur Baustelle. „Hier wird einiges passieren, im Prinzip bauen wir den Fluss um“, sagt Klocke. Auch einige Bäume werden fallen müssen. Dafür werden aber in Zukunft umso mehr Bäume zu einem echten Auwald mit wechselnden Wasserständen heranwachsen.

Nach wenigen Jahren könnte sich die Luhe dann ihrer Mündung entgegen schlängeln wie einst vor 150 Jahren und seltenen Tier- und Pflanzenarten neue Lebensräume bieten. Elisabeth Klocke hofft darauf, dass sich sogar der Schierlings-Wasserfenchel vermehrt ansiedeln könnte. Die unscheinbare Pflanze kommt weltweit nur an der Tide-Elbe vor und ist akut vom Aussterben bedroht. Denn frühere Standorte im Gezeitenbereich der Ufersäume fielen Eindeichungen, Befestigungen oder der erhöhten Fließgeschwindigkeit der Elbe zum Opfer. Höchstens einige Tausend Pflanzen haben überlebt.

Nicht nur die Natur wird von den anvisierten Maßnahmen profitieren. Der „stadtnahe Erholungsraum Luhe“ werde sichtbar aufgewertet, heißt es im Faltblatt der Stiftung, das das Projekt beschreibt. In wenigen Jahren wird eine sommerliche Wanderung auf dem Stöckter Deich dann wohl noch idyllischer sein als heute schon.

Der Projekt-Flyer im Internet:
www.stiftung-lebensraum-elbe, dann unter Service die Mediathek anklicken