Im Harburger Bezirksparlament liegt das Durchschnittsalter bei 50 Jahren. Wie die Parteien jüngere Menschen ansprechen.

Ein Blick in die Harburger Bezirksversammlung zeigt viele Parlamentarier im fortgeschrittenen Alter. Auch in der Gästereihe sind kaum junge Gesichter zu sehen – die Politik spielt sich offenbar in den höheren Altersklassen ab. Das Durchschnittsalter der Fraktionen in der Harburger Bezirksversammlung liegt zwischen 46 (Neue Liberale) und 62 Jahren (AfD).

An den Wahlurnen sind Jüngere ebenfalls unterrepräsentiert. Bei der jüngsten Wahl in Hamburg, der Bürgerschaftswahl im Februar 2015, stellte die Gruppe der 60- bis 69-Jährigen die höchste Wahlbeteiligung (66,4 Prozent). Bei den 18- bis 24-Jährigen war sie am niedrigsten (42,3 Prozent). Das Abendblatt befragte Harburger Parlamentarier, wie sie junge Leute für Politik begeistern wollen.

„Wir bemühen uns, junge Menschen an die Fraktionsarbeit heranzuführen, aber erst einmal stehen bei ihnen der Schulabschluss, gefolgt von Berufsausbildung oder Studium im Vordergrund“, sagt Jürgen Heimath, Vorsitzender der Harburger SPD-Fraktion (Durchschnittsalter: 48 Jahre).

Der Regierungskoalition (SPD/CDU) sei die Beteiligung von jüngeren Bürgern sehr wichtig, sagt Heimath. Deshalb sei im Koalitionsvertrag vereinbart worden, versuchsweise eine Bezirksjugendkonferenz ins Leben zu rufen, die über kommunalpolitische Themen diskutiert. Aber bislang gebe es einen Dissens darüber, wie ein solches Jugendparlament zu organisieren sei.

Auch das Bezirksverwaltungsgesetz will dafür sorgen, dass die nachwachsende Generation in der Politik nicht zu kurz kommt. Im Paragrafen 33 heißt es: „Das Bezirksamt muss bei Planungen und Vorhaben, die die Interessen von Kindern und Jugendlichen berühren, diese in angemessener Weise beteiligen. Hierzu entwickelt das Bezirksamt geeignete Verfahren.“ In einem Antrag hatten Abgeordnete der SPD und CDU im November 2014 dem noch einmal Nachdruck verliehen.

Das neue, mehr auf Personen zugeschnittene Wahlrecht erschwere es jungen, unbekannten Kandidaten gewählt zu werden, sagt Ralf-Dieter Fischer, Fraktionschef der CDU. „Früher konnten wir einen Kandidaten fördern, indem wir ihm einen sicheren Listenplatz gegeben haben, auf dem er auf jeden Fall ins Parlament gewählt wurde. Heute können die Wähler die Kandidaten unabhängig des Listenplatzes einzeln wählen und dadurch die Rangfolge der Kandidatenliste verändern. Dadurch haben junge Bewerber schlechtere Startchancen.“

Über ihre Jugendorganisationen gewinnen die Parteien ein Großteil des Nachwuchses. Sie werben bei Gleichaltrigen für mehr politisches Engagement. Um ihren Nachwuchs in die Fraktionsarbeit einzubinden, versucht die Harburger CDU, in jeden der elf Fachausschüsse der Bezirksversammlung mindestens einen jüngeren Vertreter zu entsenden.

Diese bekommen ihr Mandat als sogenannte zugewählte Bürger: Da die Zahl der Bezirksabgeordneten (51) nicht ausreicht, um alle Ausschüsse adäquat zu besetzen, können die Parteien (anteilig nach der Sitzverteilung) engagierte Mitstreiter als zusätzliche Ausschussmitglieder benennen.

„Im Jugendausschuss haben wir zwei junge Mitglieder entsandt; sie sind 18 und 22 Jahre alt“, sagt Fischer. „Allerdings sollten sie eine Legislaturperiode, also fünf Jahre, durchhalten. Und das ist in diesem Alter nicht ganz einfach. Nach dem Schulabschluss wird woanders studiert, ein Partner tritt ins Leben und, und, und. Wir mussten bereits zweimal umbesetzen.“

Die Grünen versuchen unter anderem durch Mentoring Programme junge Menschen zu gewinnen, sagt Britta Herrmann, Vorsitzende der Fraktion (Altersschnitt: knapp 51 Jahre). In den Programmen nehmen gestandene Parteimitglieder junge Interessierte an die Hand, zeigen ihnen die politische Arbeit und begleiten sie. Engagierte junge Menschen seien zudem in der Grünen Jugend aktiv.

Junge Leute lassen sich am besten über Themen ansprechen, die sie interessieren, sagt Jörg Lohmann, Fraktionschef der Linken (Durchschnittsalter: 48 Jahre). Er nennt ein Beispiel: „Mit NOlympia, der Kampagne gegen Olympia in Hamburg, ist uns das gelungen, und wir haben dabei auch einige neue Mitglieder gewonnen.“ Ein anderes Thema, das junge Leute anspreche, sei der öffentliche Nahverkehr.

Die drei Abgeordneten der Neuen Liberalen liegen altersmäßig mit 46 Jahren noch unterhalb des Mittelwertes aller Bezirksparlamentarier (knapp 50 Jahre). „Um gerade auch junge Menschen für unsere Partei zu gewinnen, sind wir verstärkt in den sozialen Medien vertreten, wie zum Beispiel Facebook, Instagram oder snapchat“, sagt der Fraktionsvorsitzende Kay Wolkau.

Auf Ansprache über das Internet setzen auch die beiden Abgeordneten der FDP: „Für junge Leute sind das Internet und soziale Medien sehr wichtig. Daher führen wir eine Facebook-Seite, über die wir unsere eigenen, aber auch andere aktuelle Themen kommunizieren.

Dabei ist es uns wichtig, Bilder und Posts zu produzieren die im Gedächtnis bleiben“, sagt Viktoria Pawlowski. Die 24-Jährige ist eine der jüngsten Bezirksabgeordneten Hamburgs, und auch ihr Kollege Carsten Schuster, 42, gehört noch zu den jüngeren Bezirkspolitikern. Harburger FDP-Themen wie die Verbesserung des Busangebotes, mehr politische Transparenz oder der beantragte Trimm-dich-Pfad an der Außenmühle würden gerade junge Leute ansprechen, sagt Pawlowski.

Auf der anderen Seite des Alterspektrum liegen die drei Abgeordneten der AfD mit dem Schnitt von 62 Jahren. Auf den Nachrückerplätzen stünden jüngere Leute, versichert Fraktionschef Ulf Bischoff. Zudem habe auch die AfD mit der Jungen Alternative eine Jugendorganisation; sie sei dem Landesverband angeschlossen.

Wie schwierig es ist, den Nachwuchs für Politik zu interessieren, zeigen die Versuche, mehr jüngere Wähler zu gewinnen. So durften bei den Bezirkswahlen 2014 und der Bürgerschaftswahl 2015 auch 16- und 17-Jährige ihre Stimme abgeben. Während bei der Bürgerschaftswahl mehr als die Hälfte von ihnen (52,1 Prozent) die Chance nutzte, waren es bei den Bezirkswahlen hamburgweit nur 28 Prozent – in Harburg sogar nur 19 Prozent. Allerdings war die Beteiligung an den Bezirkswahlen mit 36,4 Prozent insgesamt viel niedriger als bei den Bürgerschaftswahlen (57,7 Prozent).

„Warum gehen junge Menschen nicht zur Wahl?“ Diese Frage untersuchten 14 Studierende der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg. Sie befragten 1336 Wähler und Nichtwähler im Alter von 16 bis 21 Jahren nach der Bürgerschaftswahl 2015. Etwa 90 Prozent waren Schüler, davon zehn Prozent vom Heisenberg-Gymnasium in Harburg.

Je höher der angestrebte Schulabschluss ist, desto eher gehen die Jugendlichen wählen, heißt es in der Auswertung. So hatten mehr als 60 Prozent der Abiturienten angegeben, zur Wahl gegangen zu sein, bei Haupt- und Realschülern lag die Quote bei gut 50 Prozent. Unter den Studierenden, die den Fragebogen ausgefüllt hatten, hatten sogar 70 Prozent ihre Stimmen abgegeben.

Eine weitere Erkenntnis lautet: Wer regelmäßig bei Klausurvorbereitungen oder Hausaufgaben von den Eltern unterstützt wird, geht häufiger wählen. Und auch der Bildungsgrad der Eltern spielt offenbar eine Rolle. Von Jugendlichen, bei denen mindestens ein Elternteil einen Hochschulabschluss hat, gaben nur 23,8 Prozent kein Votum ab.

Die Frage nach politischer Repräsentanz stellt sich nicht nur am unteren, sondern auch am oberen Ende der Altersskala. CDU-Politiker Fischer: „In der Senioren-Union haben Sie dasselbe Problem. Die Parteimitglieder fühlen sich unterrepräsentiert, die aus ihrer Sicht jüngeren würden sich zu wenig um die gesellschaftlich wichtigen Themen Renten oder Barrierefreiheit für Behinderte kümmern, argumentieren sie.“