Luhmühlen. Bei dem Festival dreht sich alles um Ritter und Co. Autor Martin Wittler wagte als Statist in Luhmühlen den Selbstversuch.
Das Mittelalter ist wieder in. Bands aus der Mittelalter- und Folkszene erreichen ein immer größeres Publikum. Die erfolgreiche Fernsehserie „Game of Thrones“ ist eine Hommage an das Mittelalter. Und Mittelalter-Festivals werden von Jahr zu Jahr beliebter. Ich habe das Mittelalterliche Phantasie Spectaculum in Luhmühlen besucht, und die Funktionsjacke gegen ein mittelalterliches Gewand getauscht – ein Selbstversuch:
Mit dem Mittelalter hatte ich bisher nicht viel zu tun. In der Schule wurde das Thema zügig übergangen und für Filme oder Serien über das Mittelalter konnte ich mich bisher auch nicht so recht begeistern. Nun aber ergibt sich die Möglichkeit, dieser Zeit ein Stück näher zu kommen. Zwar ist das Gelände der Turniergesellschaft Luhmühlen, auf dem das Mittelalter-Festival Halt macht, für seine Pferdesport-Events bekannt, doch ich setze bei der Anreise auf moderne Pferdestärken und Navi. Navi, Auto – so wären die Ritter oder Bauern natürlich nicht unterwegs gewesen.
An der Zufahrt wartet dann schon die erste Überraschung. Denn obwohl das Wetter bei der Ankunft um die Mittagszeit eher mau ist, zieht sich die Schlange der wartenden Autos vor dem Eingang schon über mehrere hundert Meter. „Zelten oder parken?“, fragt einer der freundlichen Parkplatzwächter. Parken sollte erstmal genügen. Aber wer weiß, vielleicht will man hier ja gar nicht mehr weg.
An den Parkplätzen wandeln schon erste mittelalterlich gekleidete Gefährten umher. Unter ihnen scheinbar auch der aus „Der Herr der Ringe“ bekannte Zauberer Gandalf. Diesem sieht der ganz in Weiß gewandete Mann, mit langem Bart und großem Holzstab in der Hand, zumindest verblüffend ähnlich. Hinter ihm klirren zwei Ritter in voller Montur – Kettenhemd, Rüstung, Helm, Schild und Schwert inklusive. Auf Schritt und Tritt folgen ihnen zwei dunkle Gestalten in schwarzen Kapuzenumhängen. In der Hand halten sie Sicheln. Anscheinend wollen auch Herr und Frau Sensenmann der Veranstaltung beiwohnen.
Auf dem neun Hektar großen Veranstaltungsgelände des Mittelalterlichen Phantasie Spectaculums (MPS) gesellen sie sich dann zu ihren zigtausend Artgenossen, die sich innerhalb der zwei Tage auf dem Gelände tummeln. Aus ganz Deutschland, den Niederlanden oder auch der Schweiz sind sie angereist. „Der Vorverkauf lief super. Das Veranstaltungsgelände ist gewachsen. Die Parkplatzfläche ist größer geworden“, sagt Wolfgang Fuck vom Pressebüro des MPS. Und die Eröffnung der 23. Spielsaison des MPS wolle sich keiner entgehen lassen.
Akustisch und visuell ist das Festival jetzt fast erdrückend. Die Klänge der mittelalterlichen Musik von einer der drei Show-Bühnen werden durchbrochen von Schlachtenrufen, lautem Lachen, Pferdegewieher und dem Klirren von Metall auf Metall. Die achtköpfige Fechtgruppe Fictum zelebriert ihren Schaukampf vor den interessierten und gut gelaunten Besuchern. Mit Schwert, Lanze und Axt duellieren sich die extra aus Tschechien angereisten Kämpfer unter dem Johlen der Zuschauer.
Beeindruckt will ich nach ihrer halbstündigen Show von Josef Schreinemachers, dem Leiter der Fictum-Truppe wissen, wie viel Arbeit hinter diesen Kämpfen steckt.
„Wir trainieren viermal die Woche. Die Bewegungen sind alle antrainiert“, sagt Schreinemachers, der auch als Dolmetscher für die restlichen Teammitglieder fungiert. 19 Jahre ist er schon Schaukämpfer. Ein anderer trainiert sogar schon seit 40 Jahren, raunt dieser Schreinemachers zu. Ganz, ganz selten seien mal kleinere Verletzungen vorgekommen. Doch auch – oder gerade wegen dieses kleinen Risikos mache es jedes Jahr immer wieder Spaß, die Schaukämpfe zu veranstalten.
Während die Ritter der Compania Ferrata auf ihren Pferden ihre Fertigkeiten bei einer wilden Feuershow mit Lanze und Schwert beweisen und die vier Moderatoren der nebenan vorgetragenen Märchenstunde gerade die Saga von Robin Hood auf nahezu grotesk obszöne Weise auseinander nehmen und veralbern, wird mir allmählich klar, was den Reiz dieses Mittelalterfestivals ausmacht. Es ist einfach pure Unterhaltung von und für heute im Gewand von gestern.
In einem der über 100 Zelte werkelt Susi Maier, die gerade einen Eintopf kocht und ihr eigenes Dunkelroggenbrot herstellt. Auch sie ist nicht zum ersten Mal beim Spectaculum dabei. „Es ist einfach wie eine Rückkehr zur Familie“, so Maier, die sich extra ihren Urlaub so legt, dass sie bei jedem Halt des Specatculums dabei sein kann.
Mehr als 3000 Mitwirkende hat das MPS und ist damit nach eigenen Angaben das größte reisende Mittelalter Kulturfestival der Welt. Eine ziemlich große Familie also. Die Leute grüßen sich, egal wie sie aussehen oder was sie tragen.
Am Ende trage ich schon selbst ein mittelalterliches Gewand und merke, wie die Familie versucht, ein weiteres Mitglied für sich zu gewinnen. Auf der Show-Bühne spielt dazu jetzt Saltatio Mortis, die dieses Jahr sogar für den deutschen Musikpreis Echo nominiert waren. Mittelalter ist einfach angesagt.
Es ist schade jetzt gehen zu müssen, aber ich bin auch froh, als ich meine Funktionsjacke wieder überstreifen kann und mich aus dem Mittelalter zurück in die Zukunft katapultiere.
Das Mittelalterlichen Phantasie Spectaculums (MPS) ist in unserem Einzugsgebiet am 25./26. Juni auf Gut Basthorst zu Gast, am 3./4. September in Öjendorf