Justus Frantz kommt mit Mozart nach Salzhausen. Das Abendblatt sprach mit dem Pianisten und Dirigenten.
Am 19. April ist der Pianist und Dirigent Justus Frantz mit einem Mozart-Programm in Salzhausen auf Einladung des dortigen Verkehrs- und Kulturvereins zu Gast. Am Nachmittag lädt er Kinder zu einem offenen Workshop unter dem Motto „Amadeus for Kids“ ein, der Abend steht unter der Überschrift „Mozarts Reise nach Paris“. Das Abendblatt sprach mit dem Künstler über die Bedeutung von klassischer Musik und über musikalische Nachwuchsförderung.
Abendblatt : Wie ist es um die klassische Musik heute bestellt?
Justus Frantz: Die digitale Revolution hat heute jeden Lebensbereich erfasst. Das Erleben der umfangreichen Architektur der klassischen Musik wird durch die „Fünf-Minuten-Abwechslungs-Mentalität“ erschwert. Die Frage ist daher, wie weit können sich Menschen noch begeistern lassen? Musik war so wichtig wie noch nie, weil wir ein „acceleriertes“ (beschleunigtes, d. Red.) Leben leben. Wenn wir diese große Architektur erleben, erleben wir immer ein Stück von uns selbst.
Ist Klassik immer noch etwas für höher Gebildete?
Frantz: Darüber habe ich früher schon mit Leonard Bernstein diskutiert. Er sagte: „Solange ihr das nicht abgeschafft habt, dass Musik nur höheren Ständen zugänglich ist, solange seid ihr keine Demokratie.“
Ich trete daher gern in kleineren Städten auf – auch wenn das für mich zeitlich immer schwieriger wird. Ich habe Engagements in Israel, in London... Aber ich genieße es, wenn ich so wie jetzt Zeit mit meiner Familie verbringen kann und dann um 18 Uhr zum Konzert fahre.
Das Problem bei Klassik ist, dass sie nicht häppchenweise gehört werden kann. Sie erfordert Bereitschaft, sich einzulassen. Dann aber erlebt man vielschichtige Musik, es ist wie das Erleben eines neuen Tages, neue Menschen zu treffen, aber auch etwa Abschied zu nehmen. Musik kann alle Emotionen ausdrücken. Die griechischen Philosophen hatten nicht unrecht, wenn sie sagten, Musik sei charakterbildend. Man soll ruhig Popmusik hören, aber die klassische Musik eben nicht ausschließen.
War Mozart ein Popstar?
Frantz: Nein, er war ein solches Genie, das kann man nicht vergleichen. Er hat sich Noten selbst beigebracht, er konnte einzelne Orchesterstimmen schreiben ohne Partitur. Das ist, als würde ich Ihnen jetzt nur die Interpunktion zu Ihrem Interview nennen, ohne Worte, und Sie schreiben es vollständig auf.
Kann man Mozarts Klavierkonzerte auch auf der Orgel spielen?
Frantz: Das habe ich einmal gemacht, es gab viel Protest. Die sogenannten Alberti-Bässe (Justus Frantz läuft mit dem Telefon in der Hand zum Klavier und spielt einige Töne) sind auf der Orgel unerträglich.
Welche Resonanz bekommen Sie von ihren Mitmach-Konzerten?
Frantz: Vor allem von heutigen Berufsmusikern, deren Eltern nicht musikalisch waren, erhalte ich Rückmeldungen, etwa 20 Briefe im Jahr. „Ohne Sie hätte ich diesen Weg nie eingeschlagen“, schrieb mir zum Beispiel der Nachwuchs-Pianist Christopher Park.
Ist Musikalität angeboren oder eher
anerzogen?
Frantz: Meine eigenen Kinder konnten eher singen als sprechen. Eigentlich ist jedes Kind musikalisch, aber Umwelteinflüsse können Kinder auch davon abbringen. Ich habe aber noch nie erlebt, dass ein Kind keinen Zugang zur Musik hat, wenn man ihm ein Angebot macht. Die „akustische Umweltverschmutzung“ ist allerdings ein Riesenproblem. Die Menschen haben auch ein Recht auf Stille.
Zurück zu Leonard Bernstein: Mit ihm gründeten Sie das Schleswig-Holstein Musikfestival, bei dem Sie die Konzerte an ungewöhnliche Orte holten. Hat das die Musik den Menschen nähergebracht?
Frantz: Die ungewöhnlichen Spielorte entstanden aus einem Mangel, weil wir außer einem ehemaligen Kino in Lübeck und einem Saal in Flensburg keine Säle hatten. Da bekommen Sie keine 200 Konzerte untergebracht. Ein zweiter Aspekt war, dass viele Gutshäuser, vor allem deren Nebengebäude, nicht wirtschaftlich zu erhalten waren. Mit dem Umbau zu Konzertsälen wurden viele gerettet. Man hat mich damals für verrückt erklärt, aber es funktioniert bis heute.
Hier in der Region gibt es mittlerweile auch eine Reihe von Konzertfestivals auf dem Lande. Welche Tipps haben Sie für Veranstalter?
Frantz: Die zeitliche Abfolge ist wichtig. Man muss etwas immer wieder machen, dann hat es auch Erfolg. Die Menschen richten ihren Lebensrhythmus danach aus. Ich kann daher nur davor warnen, so eine Veranstaltung nur alle drei Jahre anzubieten.
Welche Zukunft hat die Musik?
Frantz: Im Prinzip haben wir zwei auseinanderklaffende Richtungen: die Kunst- und die Populärmusik. Ich billige der Kunst deutlich mehr Überlebenschancen zu. Die Popmusik wird von Marketingstrategen zum schnellen Verkauf geschaffen. Man kann sie sich aber schnell überhören, ein Rhythmus, zwei Akkorde. Das ist traurig und auch unmenschlich. Wie ich schon sagte: Die Menschen haben viel mehr Möglichkeiten, menschliche Regungen durch die Musik zu erleben.
Was tun Sie eigentlich lieber – dirigieren oder selbst spielen?
Frantz: Ich habe gerade in Israel ein Konzertfestival dirigiert – jetzt freue ich mich aufs Klavierspielen. „Variatio delectat“ – die Abwechslung gefällt, sagt der Lateiner.