Tostedt/Winsen. Die Anlagen in Tostedt, Salzhausen, Buchholz, Neu Wulmstorf und Winsen sind marode. Die Sanierungskosten gehen in die Zehntausende.
Diskuswerfen – gefährlich, 100 Meter Lauf – Stolpergefahr, Hochsprung – unmöglich. Eigentlich ist die Sportanlage am Tostedter Schulzentrum für jeden Leichtathleten eine einzige Zumutung. Die Laufbahn ist ein rot-schwarzer Flickenteppich mit großen Löchern im Belag, die Hochsprunganlage ist seit drei Jahren kaputt, die Stabhochsprunganlage wurde sogar abgefackelt und nicht ersetzt, und weil das Netz der Anlage für Diskus- oder Hammerwurf nur mit allergrößtem Aufwand befestigt werden kann, wird es bei vielen Trainingseinheiten lieber im Keller gelassen. Vor drei Jahren haben hier die letzten Wettkämpfe stattgefunden, nur fürs Training ist der Betrieb noch eingeschränkt erlaubt. Besserung ist so bald nicht in Sicht: Erst im Jahr 2019 will der Landkreis Harburg die 1986 errichtete Anlage sanieren.
Für Wolfgang Schirner ist das eine Katastrophe. Der Vorsitzende des Bezirks Lüneburg des Niedersächsischen Leichtathletikverbands steht auf der Tartanbahn und seufzt. „Eigentlich wäre die Sanierung in Tostedt 2010 schon an der Reihe gewesen, dann wurde sie auf 2015 verschoben, und jetzt heißt es 2019“, sagt er. Dass dann tatsächlich die Arbeiten beginnen, will er schon gar nicht mehr glauben.
850.000 Euro soll die Erneuerung der Laufbahn sowie der Hoch- und Weitsprung-Anlagen kosten. Schirner und auch Almut Eutin, Vorsitzende des insgesamt 90.000 Mitglieder starken Kreissportbunds, rechnen jedoch damit, dass die Kosten noch um einiges steigen werden. „Bis 2019 wird die Anlage so marode sein, dass man eigentlich eine komplett neue bräuchte“, sagt sie. Bereits vor einigen Wochen, im Ausschuss für Schule, Sport und Kultur des Landkreises, hatte sie auf diese Problematik hingewiesen. Denn nicht nur Tostedt ist ein Sorgenkind, zumal es auf der Prioritätenliste auf Platz eins steht, sondern auch die Anlagen in Salzhausen, Buchholz, Neu Wulmstorf und Winsen. Dort müssen überwiegend ebenfalls die Laufbahnen und Sprunganlagen erneuert werden, die Kosten fallen ähnlich wie in Tostedt aus: In Salzhausen liegen sie bei 850.000 Euro, am Schulzentrum II in Buchholz bei 650.000 Euro, in Neu Wulmstorf bei 900.000 Euro und an den BBS Winsen bei 900.000 Euro.
Angesichts der hohen Ausgaben für die Unterbringung der Flüchtlinge im Landkreis blieb den Ausschussmitgliedern jedoch nichts anderes übrig als für die Sanierung zu einem späteren Zeitpunkt zu stimmen. Auch im Kreistag, der am kommenden Donnerstag tagt, wird es sicherlich bei diesem Votum bleiben. „Wir müssen nunmal schauen, wo der Bedarf am höchsten ist“, begründet Kreissprecher Bernhard Frosdorfer die Beschlussvorlage der Kreisverwaltung. Die Sanierung von Schulgebäuden habe Vorrang vor Sporthallen und die wiederum vor Außensportanlagen. Dies würden die Politiker bei ihren Entscheidung berücksichtigen. In diesem Zusammenhang weist Frosdorfer aber auch darauf hin, dass der Landkreis Harburg im Gegensatz zu anderen Kreisen alles tue, um die Unterbringung von Flüchtlingen in Sporthallen zu vermeiden und die Vereine somit nicht belastet seien.
Gleichwohl fällt es den Vereinen angesichts des desolaten Zustands ihrer Anlagen immer schwerer, junge Sportler für die Leichtathletik zu begeistern. „Wir wollen uns präsentieren, aber wenn wir hier vor Ort keine Wettkämpfe mehr veranstalten können, ist das natürlich schwer“, sagt Maren Klostermann, Trainerin und Jugendwartin beim MTV Tostedt. Winsen ist der einzige Austragungsort auf Kreisgebiet, weitaus bessere Anlagen finden die Athleten in Stade, Zeven oder Verden vor.
Bei ihnen in Tostedt gebe es 60 Mehrkämpfer, die auf der Anlage trainieren, sagt Maren Klostermann. Auch die Handballer, die Freizeitgruppen und sogar die Feuerwehrleute nutzen den Platz – alle unter erhöhter Aufmerksamkeit, um beim Weitsprung nicht am abgesackten Absprungbrett hängenzubleiben oder beim Sprint nicht über die Löcher im Belag zu stolpern. Wie kann der Sport jemandem so attraktiv erscheinen? „Wir Leichtathleten sind nunmal das fünfte Rad am Wagen“, resümiert Wolfgang Schirner ernüchtert und nennt als beispielhaften Beleg den deutschlandweiten Umbau von Leichtathletikstadien in reine Fußballarenen. Olympische Spiele in Hamburg wären aus seiner Sicht eine tolle Chance gewesen, etwas zu ändern. Doch auch die sind Geschichte.
Schirner bleibt nur die Hoffnung, dass der Landkreis sein Versprechen hält und die Sportanlagen von 2019 an tätsächlich saniert. Dann könnte die Leichtathletik ihren Weg in die Zukunft finden.