Kirchdorf-Süd. Die Trabantenstadt wird 40 Jahre alt. Die Schule An der Burgweide beteiligt sich mit dem Modell an geplanter Wanderausstellung im Oktober. Spender von Bausteinen gesucht .

Die Trabantenstadt Kirchdorf-Süd wird in diesem Jahr 40 Jahre alt. Aus diesem Anlass plant die Geschichtswerkstatt Wilhelmsburg & Hafen zusammen mit dem Freizeithaus Kirchdorf-Süd und Barbara Kopf eine Wanderausstellung. Eröffnung wird im Oktober sein.

Die mehr als zehn Jungen und Mädchen des Lego-Kurses der Schule An der Burgweide spielen bei den Vorbereitungen eine wichtige Rolle: Die acht bis zwölf Jahre alten Kinder erschaffen aus den bekannten Bauklötzen ein Modell der architektonisch umstritten Satellitenstadt, das zentrales Exponat der Ausstellung sein wird. Richtfest soll bereits am 11. Juni beim Stadtteilfest in Kirchdorf-Süd sein.

„Wir wollen auch den Kinderbauernhof und unser Schulgebäude nachbauen“, sagt der zwölf Jahre alte Thore. Wenn möglich, soll ein etwa vier Qua­dratmeter großes Modell entstehen. Für dieses ehrgeizige Ziel benötigen die jungen Baumeister aus Kirchdorf-Süd noch zusätzliche Lego-Steine. Die Geschichtswerkstatt bittet, ihr Klötze und Platten zu spenden.

Legosteine böten schnelle Erfolgserlebnisse. Auf diese Weise könnten sich Kinder einem komplexen Thema wie einer Modellerstellung spielerisch nähern, erklärt Bettina Schmidt, warum Lego fest zum Alltag der Kinder an der Schule An der Burgweide gehört. Das Bauen mit den Klötzen fördere auch die mathematischen Fähigkeiten, sagt die Leiterin der Forscherwerkstatt an der Schule.

Nichts hat das Image des Stadtteils Wilhelmsburg im übrigen Hamburg mehr geprägt als die Trabantenstadt Kirchdorf-Süd. Assoziationen wie Drogenhandel, Jugendgangs oder Arme-Leute-Viertel sind bis heute mit ihr verbunden. „Es ist schmerzhaft, dass der Siedlung dieser Stempel so lange anhaftet“, sagt Margret Markert, die Leiterin der Geschichtswerkstatt Wilhelmsburg.

Jeder habe ein Urteil, aber kaum jemand kenne Kirchdorf-Süd, sagt die Kulturanthropologin und Journalistin Sigrun Clausen. Die Ausstellung solle deshalb ins Bewusstsein rufen, dass der Ortsteil zu Wilhelmsburg gehöre.

Immer wieder bilden die Hochhäuser der Großsiedlung die Kulisse in Krimis und Polizeifilmen. Regisseure lieben es, Kommissare und Verbrecher über die Laubengänge hetzen zu lassen. Einen Zusammenschnitt verschiedener Filmszenen will die Ausstellung zeigen. Früher galten die Laubengänge als lästiger Baufehler: Bewohner haben berichtet, dass sich dort der Schnee so staute, dass sie ihn in die Wohnung transportieren und in den Badewannen abschmelzen mussten.

Mit ihren 6000 Einwohnern ist Kirchdorf-Süd die kleinste Großsiedlung Hamburgs. Und mit ihrer Fertigstellung im Jahr 1976 auch die jüngste. Ein weiterer Superlativ ist weniger schmeichelhaft. „Von allen Großwohnsiedlungen Hamburgs war Kirchdorf-Süd am schnellsten sanierungsbedürftig“, sagt Sigrun Clausen. Die Ausstellung weist auf die Zeit in den 1990er-Jahren hin, als nachgebessert werden musste. Als Modellprojekt des Bundesbauministeriums für Bewohnerbeteiligung errang Kirchdorf-Süd damals bundesweit Beachtung.

Vor 40 Jahren galt die in Kirchdorf-Süd realisierte Nachkriegs-Moderne als der letzte Schrei. Vorbild war das Märkische Viertel in Berlin. Ziel war es, auf möglichst wenig Gebäudegrundfläche möglichst viel Wohnfläche zu schaffen. An Ende entstanden 2300 neue Wohnungen – in bis zu 14-geschossigen Hochhäusern. Als die Bewohner einzogen, wurden die Fehler des damaligen städtebaulichen Manifestes schnell deutlich: die isolierte Lage, die zu konzentrierte Hochhausbebauung, sogar Sitzbänke und Papierkörbe fehlten.

Wie sehr die Trabantenstadt heute als Bausünde gilt, zeigt dies: „In der Dokumentation ,Hamburg und seine Bauten’ kommt Kirchdorf-Süd nicht vor“, hat Sigrun Clausen bei den Recherchen entdeckt.

Wer Legosteine spenden möchte, alte Ausgaben der Mieterzeitung „Kirchdorf-Süd Kurier“ besitzt oder zu den ersten Mietervertretern gehörte, meldet sich bei der Geschichtswerkstatt Wilhelmsburg, Telefon: 040/42 10 39 16, Email: markert@honigfabrik.de