Harburg. Heisenberg-Gymnasiumn nimmt Vorreiterrolle ein. Die Zahl der Integrationsklassen in Harburg steigt deutlich.
Schon in der nächsten Woche wird die Zahl der Internationalen Vorbereitungsklassen (IVK) an Harburgs Schulen erhöht: Ab Dienstag, 1. März, steigt sie von bislang 17 auf 28, die der Schüler von gut 220 auf 420. Hinzu kommen 15 IVK (bislang sind 11), in denen Schüler aus Erstaufnahmestellen unterrichtet werden – noch einmal 225 Mädchen und Jungen, davon ausgehend, dass pro Klasse 15 Schüler vorgesehen sind.
Als eine der ersten Schulen überhaupt hat das Heisenberg-Gymnasium damit begonnen, Flüchtlingskinder zu unterrichten – und wurde auch deshalb im vergangenen Jahr mit dem Hamburger Bildungspreis ausgezeichnet. Schon frühzeitig, habe sich Schulleiter Rolf Harm gezielt auf die Suche nach speziell ausgebildeten Lehrern gemacht, sagt Gunter Buck, Abteilungsleiter für die Sekundarstufe 1: „Inzwischen ist der Markt leer gefegt.“
Harm, an dessen Schule 730 Schüler unterrichtet werden, holte drei junge Pädagogen ins Team. Fabian Müller (30), Helena Harder (29) und Mona Holtz (28), die sich auf Deutsch als Zweit- beziehungsweise Fremdsprache spezialisiert haben – schon während des Studiums oder später im Referendariat. Seit 2014 sind sie verantwortlich für jeweils eine der drei IVK am Heisenberg-Gymnasium.
Sie haben, wie alle, die junge Flüchtlinge oder andere Mädchen und Jungen aus dem Ausland in IVK unterrichten, Fortbildungen am Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung in Eimsbüttel absolviert, jeweils sechs Module à drei bis vier Stunden. Außerdem stehen regelmäßig schulinterne Fortbildungen zu diesem Thema an. Denn das Unterrichten dieser Schüler ist eine besondere Herausforderungen – nicht nur, weil sie teilweise traumatische Erfahrungen während der Flucht gemacht haben, sondern auch weil in diesen Klassen junge Menschen zusammen kommen, deren Vorkenntnisse weit auseinanderdriften.
Manchmal sitzt da einer, der noch nie oder nur selten die Schulbank gedrückt hat, neben einem der seinem Alter entsprechend durchschnittlich ausgebildet ist. Beide verbindet, dass sie jetzt in einem fremden Land leben, dessen Sprache sie nicht verstehen.
Deutsch ist deshalb das Fach, auf das mit 20 Wochenstunden die meiste Unterrichtszeit entfällt. Aber auch Geschichte, Mathe, Englisch, Sport und sogar Theater stehen auf dem Stundenplan. „Wichtig ist uns, Orientierung im Alltag zu bieten“, sagt Fabian Müller. Deshalb gehen er und seine beiden Kolleginnen mit den Schülern gern mal zu einer Art Schnitzeljagd in die Stadt: Wie funktioniert der HVV, wo ist der Busbahnhof, was muss ich beim Arztbesuch beachten, was, wenn ich Sport im Verein machen will: solche Fragen gilt es im Alltagscheck mit den Schülern zu klären.
Dabei hilft auch der Kontakt mit den Schülern der Regelklassen. So früh und so oft wie möglich hospitieren IVK-Schüler dort. Ebenso wie Lehrer der normalen Gymnasialklassen auch in den IVK unterrichten: Integration auf allen Ebenen und in jede Richtung ist das, was das Heisenberg-Gymnasium anstrebt.
Und das so erfolgreich, dass immer wieder Lehrer aus anderen Schulen dorthin kommen, um sich anzusehen, wie hier der Unterricht mit den Flüchtlingskinder gelingt. Oder Fabian Müller, Helena Harder und Mona Holtz besuchen auf Einladung andere Schulen: Austausch und Vernetzung sind auch in schulischen Zusammenhängen gelebter Alltag.
Für manch jungen Flüchtling ist die Schule ein zweites Zuhause
Zum Alltag im Unterricht, das bestätigen die drei jungen Pädagogen übereinstimmend, gehört die tiefe Befriedigung, die sie aus den enormen Fortschritten ziehen, die viele ihrer Schüler sehr schnell machen. Die meisten seien hochmotiviert. „Außerdem ist Schule für sie ein Ort, der ihnen eine Regelhaftigkeit verschafft, die sie entweder nie gekannt oder oft schmerzlich vermisst haben“, sagt Fabian Müller: „Manchmal auch ein Stück Zuhause.“
Vor dem Hintergrund sei es besonders bitter, wenn Schüler dann von einem auf den anderen Tag wieder verschwinden, weil sie abgeschoben wurden. „Ich bin einmal nach einer einwöchigen Klassenreise zurückgekommen und drei meiner Schüler waren weg“, erzählt Mona Holtz: „Das ist der Hammer.“ Natürlich, dass das passieren könne, darüber werde auch im Unterricht immer wieder gesprochen. Trotzdem ist der Schock groß, gerade bei den anderen Schülern, von denen viele in der Angst leben, dass ihnen das gleiche Schicksal droht.
Aber wenigstens einen Trost gibt es, sagt Mona Holtz: „Wir haben vorher schon Strukturen geschaffen, die es uns erlauben, miteinander in Kontakt zu bleiben.“ Funktioniert prima, sagt sie: „Über WhatsApp und Facebook.“